Video_Gangs of New York - 2 Disc Special Edition
Es war einmal im Hexenkessel
Mit der Special Edition erfährt Martin Scorceses Mammutprojekt eine würdige DVD-Umsetzung. Die Extra-Features sind dabei so umfangreich wie die Ausstattung des Streifens.
27.11.2003
Lange Zeit war es still gewesen um den Maestro des Mob-Movies. Als dann bekannt wurde, daß Scorsese sich ein weiteres Mal seinem Lieblingsmilieu - den amerikanischen Mean Streets und ihren Bewohnern - widmen würde, war die Freude groß. Die Ankündigung, daß das Epos rund um Verrat, Korruption und Straßenschlachten Mitte des neunzehnten Jahrhunderts angesiedelt sein sollte, ließ noch dazu auf pittoreske Bildorgien hoffen. Doch zahlreiche Nachdrehs, ewige Schnittänderungen und ähnliche Scherereien trübten mit der Zeit die Vorfreude erheblich. 2002 kam der Film "Gangs of New York" dann (mit Überlänge) endlich in die Kinos. Und jetzt liegt das Mammutprojekt mit Leo DiCaprio und Daniel Day-Lewis als edle Special Edition im Digipack auf DVD vor.
Erzählt wird die Geschichte des jungen Iren Amsterdam (DiCaprio), der als Kind dabei zusehen muß, wie sein Vater, ein Priester und Kopf der irischen Bande "Dead Rabbits", vom Anführer der nationalistischen "Natives" William Cutting (Daniel Day-Lewis) während einer Straßenschlacht ins Land der ewigen Jagdgründe befördert wird.
Naturgemäß muß auch ein "kleiner Mann" das tun, was ein Mann eben tun muß - und so kehrt Amsterdam 16 Jahre später zurück ins Viertel Five Points, um sich an Cutting zu rächen. In der Zwischenzeit hat sich allerdings viel geändert. Die "Dead Rabbits" gehören der Vergangenheit an. Aus einstigen Verbündeten wurden Feinde, aus Gegnern Freunde, und der zum inoffiziellen "King of Town" avancierte Cutting alias "Bill the Butcher" wird für den jungen Mann balds zum Vaterersatz. Daß sich Amsterdam auch noch in dessen "Ziehtochter" Jenny Everdeane (Cameron Diaz) verliebt, trägt nicht gerade zur Erleichterung der Situation bei.
Jede Menge Konflikte gehören in diesem Dreistundenepos genauso zum Programm wie die exzessive Ausstattung von Altmeister Dante Ferretti & Co. sowie die wunderbaren Bilder von Michael Ballhaus.
Das farbenfrohe Spektakel beginnt mit einem kurzen filmischen Selbstzitat Scorseses ("The Big Shave"), das gleichzeitig den formvollendeten Opener der "Gangs of New York" lostritt und in eine der schönsten Schlachten mündet, die die Leinwand je gesehen hat. Zu Howard Shores "Brooklyn Heights" und Peter Gabriels "Signal to Noise" schlagen sich die Banden hier in unterschiedlichen Filmgeschwindigkeiten die Schädel ein, ohne daß man jemals den penetrierenden Moment zu Gesicht bekommt. Wenn dann der Schnee rot eingefärbt ist und "Priest" Vallon (Liam Neeson) dank Cutting den Löffel abgegeben hat, kehrt für den Zuschauer erst einmal Ruhe ein. Doch die dauert natürlich nicht allzulange.
Scorseses erster Historienschinken seit "The Age of Innocence" ist wahrhaft opulentes Kino. Wenn man es nicht besser wüßte, könnte man durchaus auf einen Gastauftritt von Ewan McGregor und Nicole Kidman hoffen, die dann gemeinsam mit DiCaprio und dem großartigen Day-Lewis eine flotte Nummer mit Tanzeinlage zum besten geben. Stattdessen bekommt man fast drei Stunden Scorseses altes New York in feinstem DTS präsentiert, was vor allem die Anfangsschlacht zu einem Genuß macht (das kurzzeitige Wechseln der Tonspur zahlt sich auch für OV-Liebhaber aus).
Die Special Features sind so umfangreich wie die Ausstattung des Streifens. Neben Featurettes über den Film selbst gibt es auch Geschichtsunterricht in Form zweier Dokus, etwas Kleinkram und last but not least Herrn "Taxi Driver" persönlich auf einer eigenen Tonspur zu hören. Martin Scorsese liefert seinen bis dato zweiten Audiokommentar ab (Nummer eins ist auf dem Criterion-Release von "The Last Temptation of Christ" zu finden) und verfällt zwar streckenweise in Schweigen, macht dies aber durch interessante Hintergrundinformationen zur Story und Fakten in Sachen Produktion wieder wett.
Fazit: Kaufen und brav Herrn Day-Lewis zujubeln, wenn er mit amüsantem Grinser meint " Woopsy Daisy!" Mehr gibt es nicht zu sagen.
Jürgen Fichtinger
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