Video_Flags Of Our Fathers
Falsche Helden
In einer ausgebrannten Kriegsmaschinerie ist kein Platz für wahre Helden. Clint Eastwood beweist mit "Flags Of Our Fathers" abermals sein ausgeprägtes Gespür für realitätsnahes und spannendes Kino.
29.06.2007
Vorbei scheinen sie zu sein, die Zeiten, in denen man ihn als namenlosen Fremden oder gerechtigkeitsbringenden Besitzer einer .45er im Kopf hatte. Anstatt weiterhin vor der Kamera den harten Hund zu markieren, hat sich Clint Eastwood aufs Inszenieren von Filmen verlegt - und demonstriert immer wieder souverän, daß sein Talent als Regisseur seinen schauspielerischen Fähigkeiten um nichts nachsteht. Meisterwerke wie der packende Western "Erbarmungslos", das grandiose Thriller-Drama "Mystic River" oder das Euthanasie-Plädoyer "Million Dollar Baby" zeigten in den vergangenen Jahren die nüchterne Sichtweise des Ausnahmeregisseurs.
Im Gegensatz zu letzterem Streifen drückt Eastwood in "Flags Of Our Fathers" jedoch kaum auf die Tränendrüse. Stattdessen gehört es nun einmal dazu, daß in dem zweistündigen Epos über die Erstürmung der Insel Iwo Jima mehrere Soldaten scheinbar beiläufig von in Bunkern versteckten Japanern niedergemetzelt werden.
In voller Farbenpracht - und nicht in Beinahe-Schwarzweiß, wie in so manch anderem Kriegsfilm - sterben die jungen Kämpfer einen ebenso sinnlosen wie schnellen Tod auf dem "Feld der Ehre". Clint Eastwood hält die Kamera ohne Gnade drauf, wenn es Gliedmaßen wegreißt oder eine stark blutende Schußwunde zu verarzten gilt. Diese Schlachtszenen sind jedoch nur ein Baustein für ein Kriegerdenkmal ohne Heldentum.
Der andere ist die Geschichte dreier Soldaten, die von ihren Kameraden getrennt werden, weil man sie in die Staaten heimholt - ein zwiespältiger Grund zur Freude, da die drei doch eigentlich ihre Kameraden nicht im Stich lassen wollen. Doch die vermeintlichen Helden sollen in der Heimat für Kriegsanleihen werben, um das Finanzloch in der Staatskasse zu stopfen. Zu der Ehre beziehungsweise Bürde kamen die Jungs, weil sie auf dem berühmten Foto zu sehen sind, das sechs Soldaten beim Hissen einer Flagge zeigt; und zwar nicht irgendeiner Flagge, sondern dem auf Mount Suribachi/Iwo Jima nach dessen Eroberung aufgestellten "Star-Spangled Banner".
Was erschwerend hinzukommt: Die Szene wurde nachgestellt, da die Originalflagge noch von sechs anderen Kämpfern dort aufgestellt worden war. Da die aber bereits tot waren, also nicht mehr zu Propagandazwecken taugten, wurden einfach andere Marines bei der Arbeit auf dem Steinhaufen abgelichtet und das Foto an die Presse geschickt. Der Rest ist Geschichte.
Die verbliebenen drei Fahnenhisser - die andere Hälfte der sechs fiel in einer der gar nicht heldenhaften Schlachten - sind nun also zurück in ihrem Heimatland, für das sie zu sterben bereit waren. Und wie dankt ihnen das ihre Regierung? Sie saugt die jungen Antihelden aus und reißt sie in den Strudel der Kriegs-Marketing-Maschinerie. Die Buben müssen die Mütter ihrer gefallenen Kameraden herzen, die Fahnenszene in einem überfüllten Stadion nachspielen und sich ständig für den Kauf von Kriegsanleihen aussprechen. Das zermürbt sie, und schon bald wissen sie nicht mehr, wo sie hingehören und wozu das alles überhaupt gut sein soll ...
Mit dem Komplementärfilm "Letters From Iwo Jima" hat Eastwood bekanntermaßen parallel zu "Flags Of Our Fathers" auch die Eroberung der Insel aus japanischer Perspektive festgehalten. Das Ergebnis ist ein beeindruckendes Film-Doppelpack rund um die Tücken des Heldentums, der den 77Jährigen einmal mehr als Filmemacher mit besonderem Riecher für fesselnde Stories ausweist.
Nikolaus Triantafyllidis
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