Video_Die Kampfmaschine
Touchdown oder lebenslänglich?
Keinesfalls mit dem unnötigen Adam-Sandler-Remake zu verwechseln, bietet Robert Aldrichs "The Longest Yard" klassische Siebziger-Jahre-Qualität mit großartiger Besetzung.
14.10.2005
Nur wenigen Schauspielern gelang es, trotz Schnauzer zum Sexsymbol zu avancieren oder zumindest eine ordentliche Portion Coolness an den Tag zu legen. Da wären etwa Stacy Keach als Mike Hammer, Tom Selleck als Magnum (immer noch gut) oder ... Burt Reynolds als: Burt Reynolds.
Ob er als ausgekochtes Schlitzohr Seite an Seite mit Dean Martin, Sammie Davis Jr. & Co. auf dem Highway die Hölle losbrechen ließ, als Sheriff gemeinsam mit Dolly Parton für das schönste Hurenhaus in Texas eintrat oder in John Boormans unsagbar gutem "Deliverance" ("Beim Sterben ist jeder der Erste") dem archetypischen Redneck den Kampf ansagte, Reynolds war unser Mann.
Das wußte auch Paul Thomas Anderson, der ihm die Rolle des Pornoproduzenten in "Boogie Nights" gab, oder "Akte X"-Schöpfer Chris Carter, der ihm die Episode "Improbable" ("Sechs und Neun") auf den Leib schrieb.
Auch "The Longest Yard" von Regie-Altmeister Robert Aldrich und aus dem Jahre 1974, zählt zu den Highlights der Reynoldschen Karriere. Burt spielt darin den verkommenen Ex-Footballstar Paul Crewe und läßt sich von einer reichen alten Zicke aushalten. Als er Madame Schlamperie nicht gefällig sein will und sich mit dem Maserati samt Whiskey-Glas aus dem Staub macht, hetzt sie ihm die Exekutive auf den Hals. Nach einer ordentlichen Verfolgungsjagd versenkt er die Karre, legt sich mit den Bullen an - was schert den Mann von Welt das Gesetz? - und landet dafür im Knast. Hätte er ihr doch lieber, wie seinerzeit Usus, einen gepflegten Satz heiße Ohren verpaßt, wäre ihm das vielleicht erspart geblieben.
You could have robbed banks, sold dope or stolen your grandmother´s pension checks and none of us would have minded. But shaving points off of a football game, man, that´s un-American.
Im Gefängnis angekommen, muß Crewe rasch feststellen, daß das Ballspielen dort sehr ernst genommen wird - versucht doch Direktor Hazen (Eddie Albert) seit Jahren, die Semipro-Meisterschaft zu gewinnen. Doch Oberaufseher Knauer (Ed Lauton) ist von seinen Fähigkeiten als Trainer der Wärtermannschaft überzeugt, und so sieht sich Crewe bald als Spielball zwischen den Mächten. Folgt er Hazens Wunsch, die Mannschaft zu coachen, bekommt er es mit Knauer zu tun, lehnt er die Bitte des Direktors ab, zieht er sich dessen Zorn zu. So oder so, die schönen Zeiten sind vorbei, der Schnurrbart abrasiert. Ist Crewe einmal nicht damit beschäftigt, den Sumpf auszumisten, wird er von Wärtern und Mithäftlingen gleichermaßen schikaniert, weil er sich doch einst kaufen ließ. Irgendwann gibt er klein bei und übernimmt den Auftrag, ein aus Insassen bestehendes Team aufzustellen, zwecks Punchingball-Trainings für die Herren Aufseher.
Daß bei dem Spiel zwischen Wärtern und Häftlingen dann weit mehr als eine kleine Trainingseinheit auf dem alles andere als freundlichen Spiel steht, liegt auf der Hand. Crewe selbst muß sich dabei zwischen längst verlorener Integrität und Ego entscheiden; in beiden Fällen gilt es einen hohen Preis zu zahlen.
Nate, if you´re thinking about winning this game, then you´re as crazy as he is.
Well, maybe so. But you spend fourteen years in this tank, you begin to understand that you´ve only got two thing left they can´t sweat out of you or beat out of you. Your balls. And you better hang onto them, because they´re about the only thing you're gonna have when you get out of here.
Regisseur Aldrich, auf dessen Konto unter anderem Klassiker wie
"Whatever Happened to Baby Jane", "The Dirty Dozen" oder die Spillane-Verfilmung "Kiss Me Deadly" gehen, liefert auch mit "Die Kampfmaschine" (so der deutsche Verleihtitel) erstklassige Arbeit. Gleich mit der ersten Szene peitscht er Vorgeschichte und Status quo seines Protagonisten durch, um in medias res gehen zu können und eine typische Reynolds-Sequenz zu liefern. Im Gefängnis angekommen, wird das spätere Image das Schnauzer-Großmauls dann mittels Rasur demontiert. Paul Crewe befindet sich fortan in der Klemme, eingekesselt vom machtgierigen und wunderbar unsympathischen Direktor und dem typischen No-nonsense-Wärter. Unter den Mithäftlingen finden sich viele bekannte Gesichter, wie zum Beispiel Richard "Eisenbeißer" Kiel, James Hampton oder der legendäre Linebacker Ray Nitschke, mit dem man bestimmt kein Tänzchen im Mondschein wagen würde.
Schnörkellos inszeniert und mit echtem Football-Spiel gewürzt, präsentiert sich "The Longest Yard" auch heute noch als gut funktionierender Streifen, der dank seiner talentierten Besetzung trotz ernsten Sujets mit einer gesunden Prise Humor daherkommt. Die DVD bietet neben zwei kurzen Featurettes, in denen Schauspieler, Produzent und diverse Football-Spieler zu Wort kommen, auch einen Audiokommentar von Reynolds und Albert S. Ruddy. Leider reduziert sich dessen Inhalt auf freundschaftliches, wenngleich informatives Geplänkel über diverse Dreh-Anekdoten ohne ernsthaften Nährwert.
Jürgen Fichtinger
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