Video_A Crime

Späte Vergeltung

Eine frustrierte Sozialarbeiterin lenkt die Rachegelüste ihres Nachbarn auf einen alternden Taxifahrer. Selbst Harvey Keitel steht in diesem halbgaren Zeitlupen-Thriller auf verlorenem Posten.    18.03.2009

Seit der Ermordung seiner geliebten Frau ist Vincents (Norman Reedus) Leben zu einem einzigen Trauerdienst verkommen. Nur auf der Hunderennbahn zeigt er Engagement. Dort läßt er seine selbsttrainierte vierbeinige Rennmaschine gegen die Konkurrenz antreten. Doch es gibt ein weit bedeutenderes Ziel, dem Vincent alles unterordnet: die Liquidierung jenes Mannes, der den Tod seiner großen Liebe zu verantworten hat. Der Dauertrauernde glaubt den Unbekannten in der Nacht des Verbrechens gesehen zu haben und verbeißt sich seither in die wenigen Erkennungsmerkmale, die er mit dem potentiellen Mörder in Verbindung bringt, nämlich den spezifischen Blechschaden an dem Taxi, das der vermeintliche Killer gefahren hat, des Täters rote Jacke und einen auffälligen Siegelring. Rache ist der Motor, der den verbitterten Witwer antreibt - und jede neue Beziehung zum Scheitern verurteilt.

Davon weiß seine Nachbarin Alice (Emmanuelle Béart) ein Lied zu singen. Sie ist es leid, von einer Toten, die unverrückbar zwischen ihr und dem besessenen Vincent zu stehen scheint, in Schach gehalten zu werden, und entwickelt einen diabolischen Plan. Alice will Vincents Rachedurst stillen und macht sich an den Taxifahrer Roger Culkin (Harvey Keitel) heran. Ihn will sie Vincent als langgesuchten Mörder präsentieren. Sie geht eine rohe Sexbeziehung mit dem abgehalfterten Typen ein, erwirbt sich sein Vertrauen und konstruiert eine Indizienkette um den bumerangwerfenden Taxi-Driver.

 

Mit seinem zähen Neo-noir-Werk "A Crime" demonstriert Regisseur und Co-Autor Manuel Pradal, wie man es verabsäumt, eine nicht uninteressante Grundprämisse zu einer wasserdichten Story-Konstruktion weiterzuentwickeln und sich stattdessen in einem bleiernen, zuweilen unplausiblen Drehbuch verheddert. Zum einen krankt der Film an einem chronischen Glaubwürdigkeitsproblem: Der apathischen Alice kauft man ihren Wandlungsversuch in ein manipulierendes Luder einfach nicht ab. Pradal stellt uns eine Frau vor, die neben sich selbst und ihrer Umwelt steht, die geknickt, allgemein enttäuscht und unmotiviert durch den Alltag schleicht. Daß gerade sie den kühnen Plan - der Prostitution, Manipulation, Betrug und indirekt auch Mord umfaßt - konstruiert, wirkt verkrampft und aufgesetzt.

Bei der Umsetzung des verbrecherischen Vorhabens bleibt der Regisseur dann auch noch das notwendige Maß an Raffinesse und logischer Verknüpfung schuldig. Vieles, von der Motivation der Protagonistin bis zur Konzeption und Umsetzung des Verbrechens, wirkt hingeworfen und seltsam vorherbestimmt. Auch der Zufall spielt nämlich eine beträchtliche und in Anbetracht der anderweitig zutagetretenden Handlungs-Schwachstellen sogar gefährdende Rolle.

 

Als Roger Culkin, bullig-grobschlächtiges Opfer und zugleich bedrohlicher Protagonist des Streifens, hat immerhin Method-Acting-Legende Harvey Keitel seine Momente. Latent abstoßend in seiner Rolle, generiert er auch ein wenig Mitleid ? scheint er sich doch bedingungslos auf die herausfordernden Annäherungsversuche der jüngeren Frau einzulassen. Im fortgeschrittenen Stadium der bizarren Romanze verleiht er seinem Taxifahrer dann deutlich ambivalentere Züge. Doch seine in die künstliche (womöglich als kunstvoll geplante) Langsamkeit der Inszenierung integrierten Bemühungen werden zuletzt weitgehend neutralisiert.

"A Crime", ein bescheidener Downer, verbleibt daher als latent einfallsloser, Fäden ziehender, unterklassiger Thriller. Und das ist wirklich ein Verbrechen ...

Dietmar Wohlfart

A Crime

ØØ

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MViB (USA 2006)

DVD Region 2
98 Min. + Zusatzmaterial, dt. Fassung oder engl. OF

Features: Trailer

Regie: Manuel Pradal

Darsteller: Harvey Keitel, Emmanuelle Béart, Norman Reedus u. a.

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