Video_Cannibals
Friß oder stirb!
Jess Francos filmisches Trash-Menü erweist sich mitnichten als Götterspeise. Erträgliches Gewürz zum halbgaren Kannibalenfraß ist B-Akteur Al Cliver in der Hauptrolle ...
23.11.2004
Ein politisch absolut unkorrekter, aber ob seiner Skurrilität irgendwie witziger Kinderspruch aus alten Tagen geht in etwa so: "Ugah, ugah, wir sind Neger, von dem Stamm der Hosenträger. Unser Häuptling ist ein Weißer, von dem Stamm der Hosenscheißer ..."
Mindestens ebenso politisch unkorrekt und skurril, dafür aber leider weitaus unwitziger ist Jess Francos unvergessener Mondo-Cannibale-Aufguß "Die weiße Göttin" aus dem Jahre 1980. Als "Neger" fungieren im dritten Teil des franko-italienischen Kannibalenschwachsinns wieder einmal die Ureinwohner des Amazonasgebiets. Und besagte Herrschaften denken, wie der Filmtitel schon erahnen läßt, nicht im geringsten daran, die Früchte des Regenwaldes zu ernten, sondern delektieren sich lieber an ganz besonderen Leckerbissen, die leider nur selten in dieser Region zu finden sind. Es handelt sich um weiße "Hosenscheißer" auf großer Expeditionsfahrt, die sich, kaum daß sie den Fuß auf unwegsames Gelände gesetzt haben, bei lebendigem Leib auffressen lassen müssen.
Dieses Schicksal ereilt auch - fast - einen gewissen Doktor Taylor (Al Cliver), der es aber in letzter Sekunde schafft, sich schwer verletzt aus den Klauen der Eingeborenen zu befreien. Schon mehr Pech hat da sein Eheweib, das höchst unfreiwillig und in kleinen Stücken in den hungrigen Mägen der Waldwilden landet. Zurück im Dschungel bleibt einzig und allein Taylors minderjährige Tochter, und zwar in unverdautem, da lebendigem Zustand. Sie wird von den Kannibalen ihrer anmutigen Schönheit wegen verehrt und leitet vom Schicksalstage an als blonde Göttin die Geschicke der ungehobelten Bande.
Jahre nach den Ereignissen im Regenwald erholt sich Dr. Taylor in einem amerikanischen Nervensanatorium vom erlittenen Schock und beschließt, zurück in den Dschungel zu gehen, um seine Tochter aus den Klauen der Menschfresser zu befreien. Allerdings läßt die Logistik des gefährlichen Unternehmens zu wünschen übrig. In Taylors Befreiungsstab befinden sich ungelenke Herren, von denen sich kein gebrechliches Mütterchen über die Straße führen ließe, sowie einige der Mission nicht entsprechend gekleidete Damen, die das Ufer des Amazonas offenbar mit der Strandpromenade eines norditalienischen Badeorts verwechseln. Taylors Mitstreiterinnen tragen sinnvollerweise Miniröcke und hohe Stöckelschuhe. Keine Frage - wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr.
Und doch hat das Schicksal kein Einsehen, sondern schlägt erbarmungslos zu. Taylors illustrer Trupp wird von den Wilden sukzessive niedergemetzelt und zu Geschnetzeltem nach Hosenträgerart verarbeitet. Apropos Dschungel, apropos Menschenfresser: Der undurchdringliche Regenwald wirkt bei Franco eher wie ein gepflegter Palmenhain, Marke Ferienclub. Und auch die todbringenden Ureinwohner rufen mitnichten die Assoziation an ein menschenfressendes Volk hervor. Schon eher erinnern die Herrschaften - die übrigens allesamt sehr modische Haarschnitte und bunte Adidas-T-Shirts tragen - an dauerbesoffene Ballermann-Touristen mit exotischem Touch.
Sieht man über die obligatorischen Trash-Faktoren hinweg, bleibt punkto Dramaturgie wenigstens noch eine logische, wenn auch plumpe Story über. Und die weist, abgesehen von den üblichen genre-bedingten Unzulänglichkeiten, immerhin keine großartigen Längen auf - dafür aber auch keine sonderlichen Höhepunkte. Einziger Lichtblick ist Al Clivers einigermaßen glaubwürdige Darstellung eines Mannes, der sich nach seiner Flucht aus der Wildnis als desillusionierter, einarmiger Krüppel durchs Leben, den Urwald und den Menüplan kämpft. Mahlzeit!
r. evolver
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