Video_Attentat auf Richard Nixon
Abrechnung mit Tricky Dick
Ein desillusionierter Möbelverkäufer zerbricht an der Ungerechtigkeit des US-Systems. Dem spröden Film-Machwerk mangelt es allerdings an Fokus und Stringenz.
08.09.2006
Vereinigte Staaten von Amerika, 1974: Die Nixon-Administration lenkt die Geschicke des Landes in unnachahmlicher Manier. In Zeiten der kollektiven Verunsicherung ist es um den Gemütszustand des - in privater wie beruflicher Hinsicht strauchelnden - Sam Bicke (Sean Penn) nicht zum Besten bestellt. Der sture Idealist kämpft mit den bitteren Prüfungen, die ihm das Leben auferlegt hat: Sam steckt inmitten der von seiner Noch-Gattin Marie (Naomi Watts) forcierten Trennung und ist gleichzeitig damit beschäftigt, sich in seiner neuen Anstellung als Verkäufer von Einrichtungs-Accessoires zu etablieren; nicht zuletzt, um die vom Untergang bedrohte Ehe durch einen angestrebten beruflichen Aufstieg zu stabilisieren.
Irritiert und ernüchtert angesichts der halbseidenen Geschäftspraktiken seines schmierigen Vorgesetzten (Jack Jones), trachtet Bicke nach finanzieller Unabhängigkeit und bereitet den Schritt in die berufliche Selbständigkeit vor. Der befreundete Automechaniker Bonny (Don Cheadle) soll ihm dabei helfen, eine wahnwitzige Geschäftsidee zu verwirklichen. Doch der Befreiungsschlag des chronisch Frustrierten mißlingt gründlich: Sams Ehe geht endgültig in die Brüche, das Vordringen in eine angebliche Marktnische endet in einem bürokratischen Schlagloch. Am Boden zerstört, sammelt Sam noch einmal Kraft, um einen letzten Schlag gegen die von ihm ausgemachte repräsentative Wurzel allen Übels, die Personifizierung des skrupellosen Machtapparats selbst zu führen ...
"Attentat auf Richard Nixon" widmet sich der auf wahren Begebenheiten beruhenden Lebensgeschichte eines psychisch zermürbten Verlierers, dessen moralisch justierte Persönlichkeit an der harten Wirklichkeit einer durch Leistungsdruck und Opportunismus geprägten Gemeinschaft zerschellt. Sam Bicke fühlt sich vom System verraten und verkauft, sein Wunsch nach Selbstentfaltung wird durch die Konventionen der Mehrklassengesellschaft unterdrückt. Sam macht in der obersten Instanz Amerikas, die das System formt und ehrliche, kleine Männer wie ihn zu unterdrücken pflegt, das natürliche Feindbild aus. Entschlossen zum Widerstand, schmiedet er Pläne für einen vernichtenden Gegenschlag, der ihn ins Rampenlicht rücken und die Grundfesten des Establishments nachdrücklich erschüttern soll.
Bicke alleine füllt das Zentrum des Films aus - als vermeintlich unverstandenes, geprügeltes Opfer, das schließlich zum Täter wird, um auch in seiner neu gewählten Rolle kläglich zu scheitern. Einer eher peripheren, obskuren Episode, die sich während der turbulenten Ära der Nixon-Regentschaft zugetragen hat, zusätzliches dramatisches Gewicht, eine tragische Note und tagespolitische Relevanz zu verleihen, mag die Intention von Regisseur und Co-Autor Niels Mueller gewesen sein. Doch sein Debüt bleibt im Kern loses, um die Zentralfigur herum gebautes Stückwerk. Totalversager Sam Bicke gibt einfach zu wenig her: Er kommt weder mit seiner Umgebung noch mit sich selbst zurecht, versagt als Ehemann, Familienvater und Geschäftsmensch gleichermaßen. Seinen hartnäckigen Bemühungen, als selbsternannter Vertreter einer ausgebeuteten Masse gegen die Machtmechanismen des Systems aufzubegehren und ein spektakuläres Zeichen für die Nachwelt zu setzen, fehlt das dramaturgisch befriedigende, logisch nachvollziehbare Steigerungselement. Vielmehr schwächt die holprige, unrunde erzählerische Konstruktion den omnipräsenten Hauptcharakter.
Sean Penn gibt sich zwar engagiert, spielt aber oftmals schlichtweg ins Leere. Zusätzlich wird der als Sündenbock prädestinierte Richard Nixon als Projektionsfläche verschenkt. Die Entfachung eines unsichtbaren, aus der Entfernung geführten Kleinkriegs zwischen dem desorientierten Wirrkopf und der übermächtigen politischen Nemesis hätte vermutlich zu einem befriedigenderem Ergebnis geführt.
Dietmar Wohlfart
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