Video_Aileen: Life and Death of a Serial Killer

Berühmte letzte Worte

Kurz bevor Aileen Wuornos - das reale Vorbild zu Charlize Therons Rolle in "Monster" - hingerichtet wurde, ging sich noch eine Nick-Broomfield-Doku aus.    14.12.2004

Es war einmal eine amerikanische Mörderin, die an finsteren Highways in Florida auf Freier lauerte, diese dann erschoß und ihnen ihre Barschaft raubte, um damit sich und ihre Geliebte über die Runden zu bringen. Aileen Wuornos stammte aus übelsten White-Trash-Verhältnissen, war alles andere als hübsch, wurde im Laufe ihres Lebens zur lesbischen Männerhasserin - und von den Medien nach ihrer Festnahme zur ersten weiblichen Serienmörderin der USA hochstilisiert. Auch wenn das faktisch nicht stimmte, konnte man mit ihrer Hilfe doch Zeitungen, True-Crime-Bücher und Kinokarten (wir erinnern uns an den halbwegs guten "Monster", der bald nach Aileens Hinrichtung auf die Leinwand kam und für den Charlize Theron wegen ihres vielgelobten Mutes zur Häßlichkeit einen Oscar kassierte) verkaufen.

Auch Dokumentarfilmer Nick Broomfield machte mit seiner kritischen Abhandlung "Aileen Wuornos: The Selling of A Serial Killer" ganz schön Geld. Damals ging er der Vermarktung des Falles nach (zum Teil auch durch an dessen Aufklärung beteiligte Polizisten) und konstruierte alle möglichen Verschwörungen, wie man das aus seinem Werk ("Heidi Fleiss: Hollywood Madam", "Kurt & Courtney", "Biggie and Tupac" und viele andere sehenswerte Filme) kennt. 2002, als die letzte Berufungsverhandlung der verurteilten Mörderin vor der Tür stand, fühlte sich Broomfield noch einmal zum Recherchieren berufen. Er sprach mit Aileen, ihren Sympathisanten, den Anwälten, ihren Jugendfreunden und etlichen undurchsichtigen Gestalten. Und er durfte sogar bei dem Prozeß mitfilmen, wo er selbst als Zeuge herangezogen wurde. (Übrigens: Glauben Sie keinem amerikanischen Gerichtssaal-Thriller mehr! Hier sehen Sie live und direkt, welch unprofessioneller Abschaum im Land der unbegrenzten Möglichkeiten in Wahrheit für Anklage, Verteidigung und Verurteilung zuständig ist ...)

 

Während Nick Broomfield - nicht als einziger - davon überzeugt ist, daß Wuornos wegen Unzurechnungsfähigkeit nicht hingerichtet werden darf, deliriert die Killerin selbst immer mehr und immer heftiger in seine Kamera: von einer polizeilichen Verschwörung, ohne die sie nie zur Serientäterin geworden wäre, von der Bosheit der Menschen im allgemeinen und davon, wie sehr sie sich danach sehne, endlich von den Behörden umgebracht zu werden. Und das wird sie schlußendlich auch, weil es bei diesem Film logischerweise kein Happy-End gibt. Leider fehlt aber auch die Befriedigung, die einem sonst bei Broomfield-Streifen zuteil wird: einen Dokumentarfilmer zu sehen, der unfähig und mit wirren Thesen durch die Gegend hampelt, von vielen Interview-Partnern abgewiesen oder beschimpft wird, trotz allem stur an seiner Meinung festhält und damit nicht nur den von ihm Porträtierten, sondern auch der Doku-Szene selbst einen Spiegel vorhält - weil er, wie all seine Kollegen, die eigentliche Hauptperson seiner Werke ist. In "Aileen: Life and Death of a Serial Killer" wendet er zwar dieselben Methoden an wie immer, aber hier geht das Rezept nicht mehr ganz auf und wird immer mehr zur tragischen, nutzlosen Geschichte von einem, der auszog, noch einmal mit demselben Thema Geld zu verdienen. Trotzdem: besser als alles, was Michael Moore je hervorbringen wird.

 

Peter Hiess

Aileen: Life and Death of a Serial Killer

ØØØ 1/2


e-m-s (USA 2003)

DVD Region 2

ca. 89 Min., engl. OF, wahlweise mit dt. UT (DD5.1)

Regie: Nick Broomfield

Darsteller: Aileen Wuornos, Nick Broomfield u.a.

 

Links:

Kommentare_

aileen - 14.11.2009 : 19.39
aileen tut mir schrecklich leid.man hätte in behandlung schicken müssen so wie viele andere auch. ich meine,dass sie nicht als mörderin geboren wurde sondern ihr ganzer umfeld sie dazu getrieben hat.tyria spielt aich eine mi wirkende rolle den sie hätte aileen ändern können.

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