Video_7 Psychos
Die gestörten glorreichen Sieben
Ein alkoholkranker Drehbuchautor wird von seinem närrischen Freund bei der Realisierung eines abseitigen Drehbuchs tatkräftig unterstützt. Martin McDonaghs "In Bruges"-Nachfolger ist ein Sammelsurium des brutalen Irrsinns, das von einer Ansammlung erstklassiger Mimen zusammengehalten wird.
08.04.2013
Der gehemmte Autor Marty (Colin Farrell) müht sich mit der Vollendung seines neuesten Hollywood-Drehbuchs ab. Von Psychopathen soll es handeln - soviel steht schon fest - und zugleich doch auch eine friedensstiftende Botschaft vermitteln. Mit Nachdruck verfolgt der trinkfreudige Ire diese höchst widersprüchliche Idee aber nicht. Zu sehr ist er damit beschäftigt, seinem Alkoholismus Paroli zu bieten und die brüchige Beziehung mit der hübschen Kaya (Abbie Cornish) am Leben zu halten. Eine wesentlich klarere Vorstellung, was die inhaltliche Stoßrichtung von Martys Arbeit angeht, hat da schon sein unsteter Freund Billy (Sam Rockwell), der das Psycho-Drehbuch so blutrünstig wie möglich gestalten will und dem überforderten Schreiberling mit den abenteuerlichsten Vorschlägen zusetzt. Wenn er nicht gerade seinen wankelmütigen Kumpel berät, kidnappt Billy Hunde, die sein betrügerischer Kompagnon Hans (Christopher Walken) den verzweifelten Besitzern nach geraumer Zeit gegen entsprechenden Finderlohn wiederbringt. Als sich die beiden Dognapper den Shih Tzu des örtlichen Gangsterbosses Charlie (Woody Harrelson) unter den Nagel reißen, lösen sie damit einen fatalen Erdrutsch an Ereignissen aus. Mit dem unberechenbaren Charlie ist nämlich besonders dann nicht zu spaßen, wenn seinem geliebten Hund Gefahr droht.
Nach dem kultigen "In Bruges" ("Brügge sehen ... und sterben?") läßt McDonagh nun also seine "7 Psychos" von der Leine; und zwar in einer schwarzhumorigen Gangsterkomödie, die - wie bereits ihr Vorgänger - weniger durch erzählerische Kohärenz punktet als durch die lose aneinandergereihten, irrwitzig-deftigen Porträts ihrer übergeschnappten Charaktere. Und an Wahnsinnigen herrscht in "Psychos" wahrlich kein Mangel: Während wir dem einfältigen Marty bei der schleppenden Schreibarbeit über die Schulter blicken, formieren sich die samt und sonders gestörten Hauptfiguren des entstehenden Scripts quasi vor seiner Haustür. Verantwortlich dafür ist Hitzkopf Billy, der in Eigenregie per Zeitungsannonce nach geisteskranken Mördern sucht, deren blutige Lebenserfahrungen der ahnungslose Marty in sein Drehbuch einarbeiten soll.
"7 Psychos" will vieles sein - teilweise fast schon krampfhaft um politische Inkorrektheit bemüht, hält McDonagh stets Blickkontakt mit Tarantino, setzt auf derbe Sprache und radikale Situationskomik und überzeichnet an allen Ecken und Enden. Das Ergebnis wirkt fragmentiert: Nicht immer glücklich koordinierte Tempiwechsel entschleunigen die etwas zerfranste Story gelegentlich bis zum Stillstand. Dank des optimalen Castings bleibt die blutig-spaßige Achterbahnfahrt dennoch in der Spur. Geschuldet ist dies den Herrschaften Rockwell, Walken und Harrelson, die ein aberwitzig-geschmackloses Feuerwerk zünden. Das illustre Trio beschenkt Freunde der tiefschwarzen Brachialkomik mit denkwürdigen Momenten, die aus der zwischendurch ins Stocken geratenden Erzählung hervorplatzen. Da ist etwa Woody Harrelson als gemeingefährlicher Charlie, der völlig losgelöst von jeglicher Pietät in einem gekaperten Rollstuhl Kunststückchen vollführt, während er seinen Schalldämpferlauf schwingt. Oder der abgründige Ruhepol Christopher Walken, dessen Mienenspiel und gespenstisch tänzelnder Gang weiterhin ein unerklärliches Faszinosum bleiben.
In Anbetracht dieses mimischen Machtzentrums kann ein darstellerisches Leichtgewicht wie Colin Farrell nur auf verlorenen Posten stehen. Das ungleiche Kräftespiel bleibt Farrell aber weitgehend erspart, da ihm McDonagh den Posten des phlegmatischen Einfaltspinsels zugedacht hat - und das in einem Film, dessen Kultpotential man nicht unterschätzen sollte.
Dietmar Wohlfart
Kommentare_