Newsletter Edition 2003_Archiv

Familienpackung Jazzbeatpumpe

Live: Jaga Jazzist    19.05.2003

Es war schon in den Seventies ein Tagtrauma, als dem großen allmächtigen Rock der Heiligenkult verloren ging. Statt weiter Ersatzreligion und Gegenkultur zu sein, ersetzten plötzlich Klangbürokraten die gewohnten drei bis vier messianischen Berserker. Konzerte wurden eine reine Kollapsschau, wo Soli für Soli Krebsgeschwüren gleich aus den Songstrukturen wucherte.

Progressive schimpft man damals wie jetzt. Nur heute trifft es die verzweifelt nach Reinkarnation schreiende Intelligent-Dance-Szene, die Heerscharen an Laptop-bewaffneten Ödköpfen kaputt geschlagen haben. Notflucht: Ernste Musik. Seriöses Musicianship. Jazzvermengung. Akademisch Töne durchpimperndes Showing-off.

Wir sagen: Progfloor, No Ma'am! Ein Jahrzehnt K&D war Peace-Terror genug! Doch üble Zeiten haben auch schöne Kinder. Und wie Phöenixe aus dem Stilschleim erheben sich zumindest zwei Projekte, die ähnlich Tortoise den Schritt weiter mit Glut unter den fiddelnden Fingerkuppen vermengen.

Londons Cinematic Orchestra und die norwegischen Jagga Jazzist, allesamt mindestens fünf Nasen hoch bis weit jenseits des Dutzends. Und das Zehnerpack Jaggas rührt abseits des Manierismus und des aufgeblähten Jazzschwitzelns ein dermassen hitzig pumpendes Stilgemisch zusammen, daß man die bunt und vollmundig sprudelnden, querschlägernden, wieselnden Beats nur mehr ergötzt mit Jehovah anbrüllen mag. Fusionexstase. Soundtrackende Sweetness im swingenden Bopperbett. Supersacht von der Hand gehende Funk-Notzucht. Oscar Peterson im mitternächtlichen Partyfreakout. Nicht fragen, genießen. Frühlingsfieber got ya ass!

Paul Poet

Jaga Jazzist


20. 5., ab 20 Uhr

WUK, Währinger Straße 59, 1090 Wien

Neue Platte: "The Stix" auf NinjaTune/Zomba

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