Stories_Peter Stöger

Das Monokel des Polyphem - Notizen (11)

Sein literarisches Opus magnum blieb unvollendet. Der EVOLVER präsentiert nun die betreffenden Studien des 1997 verstorbenen Künstlers. Seien Sie gewarnt: Eine Sprache, die "herrschende Textgewohnheiten ignoriert und unter Verwendung pseudoklassischer Formen individuelle, skurrile und anarchische Inhalte" vermittelt, ist nicht jedermanns Sache.
Halten Sie Ihren Homer griffbereit und "den Sphinkter im Zaum"!    29.07.2011

In den Jahren 1982 bis 1987 veröffentlichte Peter Stöger sechs schmale Bände mit Vorarbeiten zum "Monokel des Polyphem"; eine ausführliche Introduktion zum Thema finden Sie hier.

Wir bringen dieses brillante Textkonvolut, exklusiv und erstmals im Internet, als fortgesetzte Serie in lesefreundlichen Abschnitten - und zwar als Faksimile, da Typographie (und stellenweise Graphik) eine seitens des Autors gewählte Einheit bilden. Im Anschluß finden Sie jeweils nähere Erläuterungen.

 

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Daß Exegese eine heikle Sache ist, haben wir bereits in der ersten Folge erörtert.

Immerhin lassen sich hier und heute Stellen, die man nicht versteht, umstandslos nachschlagen. Wir beschränken uns daher auf Hinweise, die Ihnen die Suche erleichtern, sowie auf Anmerkungen des Verfassers selbst.
Denn schon die Gefährtin des Künstlers saß manchen Passagen ratlos gegenüber, und deshalb fragte sie nach. Daraus entwickelte sich später eine regelmäßige Korrespondenz; teils (hand-)schriftlich, teils über Tonbandaufzeichnungen. (Die Zitate aus ihren Abschriften im Folgenden kursiv.)

 

 

" ... sah ich in der Tramway 1 solchen Kerl stehen, wozu mir (wegen der z. T. religiösen Tätowiermotive) der Papst einfiel, etc.
Und so geht's dahin ... Im 'Prinzip' ist die anfängliche 'Inspiration' wirklich recht unwesentlich - die Texte bau' ich nach stilistischer 'Planung' montagemäßig zusammen + schnitzle so lang herum, bis sie mir richtig erscheinen; d.h.: bis das 'Motiv' oder die 'Themenkette' das angemessene Tempo + Rhythmus + Melodie usw. hat, bis ausreichend vorstellungsmäßige Querverbindungen eingebaut sind, die auch in der Vorstellung des Lesers adaequate Bilder entstehen lassen - je mehr ihm die angespielten Hinweise (z. B. Zitate, Zitat-Parodien, usw.) vertraut sind, desto mehr solcher Bilder werden in seinem Hirn entstehen, doch ist das keine Bedingung, schon gar nicht conditio sine qua non! Für eine 'erste Lese-Ebene' mag der jeweilige Text, bzw. das durch ihn evozierte Vorstellungsbild ohne weiteres ausreichen, je länger oder öfter er liest, desto mehr Assoziationen werden hinzutreten und die Leserei witziger gestalten ... "

" ... Hier steht das 'rums', also diese comicstrip-Lautmalerei am Anfang ... außerdem die anderen ...
Also bei der Papstgeschichte ... das ist natürlich aus der Bibel. Weil für ein Linsengericht hat ja der Esau sein Erstgeburtsrecht verkauft. Daß das eine Fehlübersetzung bzw. Fehlinterpretation vom Luther war, ist a G'spaß für sich. Wer Bibelexegese kennt, hat dann da ein zweites Mal zu lachen. Daß ein Linsengericht bläht, ist bekannt, darf ich voraussetzen. Und daß also das Blähen, das Auftreiben einer Sache hier noch in Bezug gestellt wird zur Erektion, das liegt ja auf der Hand ... "

" ... hab ich lang-lang herumprobiert: wegen eben jenes teutonischen 'Pfannkuchens' ...
Die 'Palatschinke' (Singular) klingt mir grauslich (nicht die Mehrzahl!, aber die haut er ja nicht einem mit 1 Schlag! - ins Gesicht) + und 'geht' leider im Rhythmus nicht - Recht glücklich bin ich mit dem (rhythmisch allerdings, so wie auch melodisch: A - U - E gut passenden!) Pfannkuchen auch nicht ... vielleicht fällt mir doch noch was anderes ein ... "

" ... ich fand nichts Passenderes. pf...a...nn...k...u...ch...e...n, eine solche phonetische Reihenfolge, da läßt sich kein ... also ich hab zumindest ka Vokabel gefunden, das nur annähernd so expressiv ist ... und verstehen werden's die Österreicher auch."

 

elvira: mögliche Anspielung auf jene Synode, bei der u. a. das Zölibat festgelegt wurde

esau: hebr.: "der Behaarte"
laputa: siehe "Gullivers Reisen"

orplid: siehe Eduard Mörike, "Gesang Weylas"

 

 

Nächste Woche geht es weiter. Für heute verabschieden wir uns wie immer mit den Worten des Verfassers:
"Ja, die Grausbirnen werden ihnen aufsteigen - ich hoff's - und es g'schieht ihnen recht."

EVOLVER-Redaktion

Peter Stöger


1939 - 1997

Links:

Peter Stöger: das monokel des polyphem - notizen

Band 1


Vergriffen.
Im Sammelband herausgegeben bei:
Österreichischer Kunst- und Kulturverlag (Ö 2007)
ISBN 9783854372974

Peter Stöger: peregrinus - eine introduktion

Hrsg.: Helga Schicktanz


Österreichischer Kunst- und Kulturverlag (Ö 1998)

Links:

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