Peter Stöger
1939 - 1997
Sein literarisches Opus magnum blieb unvollendet. Der EVOLVER präsentiert nun die betreffenden Studien des 1997 verstorbenen Künstlers. Seien Sie gewarnt: Eine Sprache, die "herrschende Textgewohnheiten ignoriert und unter Verwendung pseudoklassischer Formen individuelle, skurrile und anarchische Inhalte" vermittelt, ist nicht jedermanns Sache.
Halten Sie Ihren Homer griffbereit und "den Sphinkter im Zaum"!
10.06.2011
In den Jahren 1982 bis 1987 veröffentlichte Peter Stöger sechs schmale Bände mit Vorarbeiten zum "Monokel des Polyphem"; eine ausführliche Introduktion zum Thema finden Sie hier.
Wir bringen dieses brillante Textkonvolut, exklusiv und erstmals im Internet, als fortgesetzte Serie in lesefreundlichen Abschnitten - und zwar als Faksimile, da Typographie (und stellenweise Graphik) eine seitens des Autors gewählte Einheit bilden. Im Anschluß finden Sie jeweils nähere Erläuterungen.
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Daß Exegese eine heikle Sache ist, haben wir bereits in der ersten Folge erörtert.
Immerhin lassen sich hier und heute Stellen, die man nicht versteht, umstandslos nachschlagen. Wir beschränken uns daher auf Hinweise, die Ihnen die Suche erleichtern, sowie auf Anmerkungen des Verfassers selbst.
Denn schon die Gefährtin des Künstlers saß manchen Passagen ratlos gegenüber, und deshalb fragte sie nach. Daraus entwickelte sich später eine regelmäßige Korrespondenz; teils (hand-)schriftlich, teils über Tonbandaufzeichnungen. Die Zitate aus ihren Abschriften finden Sie im Folgenden kursiv gedruckt. (Anmerkung: Es handelt sich dabei um eine Auswahl privater Zeilen und Aufnahmen, die nicht zur Veröffentlichung verfaßt worden waren; daher die streckenweise eigenwillige Diktion.)
" ... stammt von Tintorettos Bild 'Entstehung der Milchstraße' + dem Gedanken an die astronomischen 'black holes' + aus der Vorstellung beim Anblick einer Wolkenformation ... "
" ... die Sache mit den Haifischzähnen, die ich zufällig im Lexikon fand. Der Rest sind eigene Einfälle, die sich beim Begriff 'Zähne' aufdrängen + die ich so auswählte + montierte, daß ein möglichst 'weiter' (zeitlich + bildlich) Bezugsrahmen (von der antiken Mythologie bis zur katholischen Märtyrerin, von Herzmanovsky-Orlando bis zum Allgemeinplatz) entstehen sollte ... "
" ... Enkidu ... fiel mir der Linzer Otto Bejvl (ehemals Maler + Studienkollege, später Kunsthändler der üblen Sorte) ein ...
... Kakmya und Makve (Fruchtbarkeitstänze der Südseevölker, in nahezu unüberbietbarer Deutlichkeit) ...
... die Nasenflöten lernte ich in Tunesien kennen (schwacher Ton, aber ulkig!) - und die Zungentrommel ist ein altes Inka-Instrument ... "
" ... ist pure, automatische Assoziation zum Goethetext 'Reineke Fuchs' + zu Schillers 'Bürgschaft' ... Um möglichst 'sur'-realistische Texte zu erzeugen, verfiel A.Breton auf die Idee, Satzgegenstand, Satzaussage, nähere Bestimmung, usw. usw., von jeweils einer anderen Person schreiben zu lassen, die das zuvor Aufgeschriebene nicht, oder nur dessen Schlußwort (im Falle einer Phrase) lesen durfte ... So entstand der berühmt gewordene Satz vom 'köstlichen Leichnam', der als Gattungsbezeichnung für derartige Texte allgemein etabliert wurde. Ich hab' - mit anderen 'Vorzeichen' + anderer 'Bedeutung' - dieses Stilmittel auch etliche Male verwendet ... "
koprolith: hier wird das griechische líthos (Fels) mit "Berg" assoziiert
voluptas: Wollust; vgl. das Vaterunser (dort: fiat voluntas tua = Dein Wille geschehe)
Nächste Woche geht es weiter. Für heute verabschieden wir uns wie immer mit den Worten des Autors:
"Ja, die Grausbirnen werden ihnen aufsteigen - ich hoff's - und es g'schieht ihnen recht."
Peter Stöger: das monokel des polyphem - notizen
Band 1
Vergriffen.
Im Sammelband herausgegeben bei:
Österreichischer Kunst- und Kulturverlag (Ö 2007)
ISBN 9783854372974
Peter Stöger: peregrinus - eine introduktion
Hrsg.: Helga Schicktanz
Österreichischer Kunst- und Kulturverlag (Ö 1998)
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