Stories_Peter Stöger

Das Monokel des Polyphem - Notizen (3)

Sein literarisches Opus magnum blieb unvollendet. Der EVOLVER präsentiert nun die betreffenden Studien des 1997 verstorbenen Künstlers. Seien Sie gewarnt: Eine Sprache, die "herrschende Textgewohnheiten ignoriert und unter Verwendung pseudoklassischer Formen individuelle, skurrile und anarchische Inhalte" vermittelt, ist nicht jedermanns Sache.
Halten Sie Ihren Homer griffbereit und "den Sphinkter im Zaum"!    03.06.2011

In den Jahren 1982 bis 1987 veröffentlichte Peter Stöger sechs schmale Bände mit Vorarbeiten zum "Monokel des Polyphem"; eine ausführliche Introduktion zum Thema finden Sie hier.

Wir bringen dieses brillante Textkonvolut, exklusiv und erstmals im Internet, als fortgesetzte Serie in lesefreundlichen Abschnitten - und zwar als Faksimile, da Typographie (und stellenweise Graphik) eine seitens des Autors gewählte Einheit bilden. Im Anschluß finden Sie jeweils nähere Erläuterungen.

 

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Daß Exegese eine heikle Sache ist, haben wir bereits in der ersten Folge erörtert.

Immerhin lassen sich hier und heute Stellen, die man nicht versteht, umstandslos nachschlagen. Wir beschränken uns daher auf Hinweise, die Ihnen die Suche erleichtern, sowie auf Anmerkungen des Verfassers selbst.
Denn schon die Gefährtin des Künstlers saß manchen Passagen ratlos gegenüber, und deshalb fragte sie nach. Daraus entwickelte sich später eine regelmäßige Korrespondenz; teils (hand-)schriftlich, teils über Tonbandaufzeichnungen. Die Zitate aus ihren Abschriften finden Sie im Folgenden kursiv gedruckt. (Anmerkung: Es handelt sich dabei um eine Auswahl privater Zeilen und Aufnahmen, die nicht zur Veröffentlichung verfaßt worden waren; daher die streckenweise eigenwillige Diktion.)

 

" ... durch einen Umstand (Träume geraten in die Gehirne) wird die (bisher bestehende) Situation verändert. Verantwortlich für solche poetische Katastrophe(n) sind 'die Töchter des Dädalus' (der Sohn ist ja ertrunken), die (wie ich annehme) ebenso erfinderisch sind, wie ihr Papa es war.

Diese Mädchen verursachen also einen ziemlichen Trubel (bei dem so manches 'befreit' + 'enthemmt' wird), vor dem die Menschen mit paralysiertem Verstand ('störrische stirnen') + offenem Mund stehen, der jedoch den Dichterling erfreut (er wird ja dadurch auch 'befreit'), sodaß er die Mütze hochwirft, zu tanzen (auch zu fliegen) beginnt + den Leuten (den 'unbefreiten', 'gehemmten') ihr Menetekel verkündet.

Bis dahin hat sich das Tempo ständig gesteigert. Auf solchen 'Hochflug' folgt jedoch die Besinnung, nämlich die Besinnung auf die (dem Scribifax angemessene) Arbeit. Das 'Tempo' wird ergo stark eingebremst ... "

 

" ... Die Lesemaschine Remellis (der hat wirklich vor 300 Jahren einmal sowas erfunden!) soll benützt werden, um ins Nest (Hirn) des Schreiberlings ausbrütbare Eier zu legen. Bosheit: 'kuckuckseier', also fremde - (konnte er folglich keine eigenen legen?) ... "

 

" ... In der folgenden Variante desselben Motivs ist aber der Traumgott Phantasos, der Sohn des Morpheus, anstelle der daedalischen Töchter für die (poetische) Katastrophe verantwortlich. Deshalb 'steigert' sich der ganze Vorgang (seine Intensität, sein Tempo) und ist 'am Ende' nicht mehr zu bremsen (ergo: 'usw.') - Ausgedrückt wird dieser Umstand durch Reihungen kombinierter Superlative + vor allem durch die Carroll'schen 'portmanteau'-Wörter (BLASS-PHYSIK statt bloßfüßig, etc.) -

Den zitierten 'Limbus der Katholen' (die hohlhirnigen Katholischen also) 'gibt' es tatsächlich - zumindest im Katholizismus (siehe 'confessiones' des Augustus u.a.)!

Der Anapäst, den (in beiden Varianten) der Federfuchser präferiert, ist (im Gegensatz zu Jambus, zum Hexameter oder zum Trochäus) ein recht primitiver Rhythmus (U U ―), so recht für Kriegstänze (wurde ja auch von den Spartanern bevorzugt!) - ... "

 

prasselnde sonne: vgl. Faust II / 1. Akt: "Phöbus' Räder rollen prasselnd"

modo avorum: "nach alter Väter Sitte"

mit nackten sohlen: vgl. Shiva Nataraja

baßkyriesche: Portmanteau "der Baß des Herrn" > baskirisch > Baskenmütze

 

 

Nächste Woche geht es weiter. Für heute verabschieden wir uns wie immer mit den Worten des Autors:
"Ja, die Grausbirnen werden ihnen aufsteigen - ich hoff's - und es g'schieht ihnen recht."


EVOLVER-Redaktion

Peter Stöger


1939 - 1997

Links:

Peter Stöger: das monokel des polyphem - notizen

Band 1


Vergriffen.
Im Sammelband herausgegeben bei:
Österreichischer Kunst- und Kulturverlag (Ö 2007)
ISBN 9783854372974

Peter Stöger: peregrinus - eine introduktion

Hrsg.: Helga Schicktanz


Österreichischer Kunst- und Kulturverlag (Ö 1998)

Links:

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