Zur filmischen Konstruktion von Ikonen, Pt. 4
Fußnoten
[1] Diese Befunde ähneln der Auflistung zum Filmstar, die Lowry/Korte 2000, S.21f., geben.
Erfahren Sie im vierten und letzten Teil das Endergebnis von Marcus Stigleggers spannender Analyse zur filmischen Konstruktion von Ikonen - und lernen Sie den fleischgewordenen Rachegott aus der Steiermark näher kennen. 25.11.2008
6. Beispiel: Arnold Schwarzenegger
Eine Ikone des Kinos der 80er Jahre ist zweifellos "hardbody" Arnold Schwarzenegger, der sich endgültig durch seine physische Präsenz in John Milius´ epischem Fantasy-Film "Conan the Barbarian" als Hollywood-Star etabliert hatte. Zuvor war er in den USA bereits als role model des Bodybuilding berühmt geworden und hatte einige kleine Filmrollen absolviert, die diese Funktion reflektierten. Der cimmerische Racheheros aus Robert E. Howards * Erzählungen erschien ihm wie auf den Leib geschrieben, und tatsächlich konnte er auf dieser Rolle seine folgende Karriere als Prototyp des Action-Kinos der Reagan-Ära begründen. Sein massiver österreichischer Akzent schien ihn umso geeigneter zum brachialen Gewaltkörper zu prädestinieren. Zugleich ging die von ihm mitgelegte Saat auf, die den Körperkult in Kalifornien (Bodybuilding, Aerobic) zur Manie werden ließ. Der von Muskelmassen gepanzerte Männerkörper, den Schwarzenegger mit Sylvester Stallone, Dolph Lundgren und Jean-Claude van Damme gemeinsam hatte, wurde zum männlichen Ideal der hochgerüsteten Zeit der zweiten Kalten Krieges.
In "Conan the Barbarian" nahm Schwarzenegger die Stereotypen des Hardbody-Action-Kinos vorweg: das Stählen des eigenen Körpers, das Training, Wettkämpfe (hier: Gladiatorenkämpfe), verlustreiche Schlachten und das Nahtoderlebnis unter der Folter. Die Körperhelden der 80er Jahre sind vulgäre Messiasfiguren und daher religiöse Surrogat-Ikonen. Wie seine Geisteskollegen John Rambo oder Mad Max muß er durch die Hölle gehen, um triumphal wiederzukehren. Dafür integriert die Inszenierung jeweils performative und selbstverweisende Sequenzen des Show-off: In einer kargen Steppenlandschaft schwingt Conan mit ölig glänzendem nacktem Torso kunstvoll sein Schwert. In Grubenkämpfen erweist er sich als gnadenlose Killermaschine, und schließlich wird er gekreuzigt und darf auferstehen.
Conan ist der der Messias der Neo-Barbarei auf der Suche nach der unmittelbaren, meist kriegerischen Lösung - ein fleischgewordener Rachegott. Regisseur John Milius, der diesen Gott erstmals beschwor, dürfte diese Kategorisierung gefallen.
7. Fazit
Zusammenfassend läßt sich über filmisch konstituierte Ikonen sagen:[1]
1.) Im Medium Film entspricht die Ikone meist dem Filmstar oder aber der von ihm etablierten Persona.
2.) Ikonen im Film stehen für spezifische elementare Werte.
3.) In Ikonen verdichtet sich eine Pose oder Geste, die vom Zuschauer als Bild erinnert wird und so weiterlebt.
4.) Ikonen bzw. ikonische Momente im Film sind als Geste oder Pose zitierbar und werden vom medienkompetenten Publikum erkannt.
5.) Die gesamte physische Erscheinung einer ikonischen Persönlichkeit kulminiert oft an einem bestimmten Punkt im Film, meist in Form einer performativen, aus dem Kontext gelösten Sequenz (Monroe auf dem U-Bahnschacht, Schwarzenegger beim Schwerttraining).
6.) Die ikonische Qualität von Stars kann verjähren, wenn ihre Bilder und Posen nicht mehr reproduziert werden und aus der Mode kommen (so geschehen mit Mickey Rourke, einem Sexsymbol der 80er Jahre).
7.) Ikonische Attribute können in aktuelle Stoffe transferiert und somit verjüngt werden (John Travoltas Tanzszene in "Pulp Fiction", die auf seinen Erfolg als Discotänzer in "Saturday Night Fever"/ "Nur Samstag Nacht", 1978 verwies).
8.) Das Publikum entscheidet über den ikonischen Status. Mit dessen Akzeptanz steht und fällt die Ikone.
9.) Filmische Ikonen können ihre kontextuelle Bedeutung wechseln; wurden sie einst bewundert, erscheinen sie später als Parodie oder gar als Feindbild, wie etwa der Hardbody-Held der 80er Jahre, der heute in gebrochener und ironisierter Form wieder auftritt.
Zur filmischen Konstruktion von Ikonen, Pt. 4
Fußnoten
[1] Diese Befunde ähneln der Auflistung zum Filmstar, die Lowry/Korte 2000, S.21f., geben.
Literaturliste
Béla Balázs: Der sichtbare Mensch (1924), Frankfurt am Main 2001
Roland Barthes: Mythen des Alltags (1957), Frankfurt am Main 2003
Jean Baudrillard: Von der Verführung, München 1983
Hans Belting: Bild-Anthropologie. Entwürfe für eine Bildwissenschaft, München 2001
Horst Bredekamp: Kunstgeschichte im Iconic Turn. Interview mit Hans Dieter Huber und Gottfried Kerscher, in: Kritische Berichte 26, Nr. 1, 1999, S. 85-93
Jonathan Crary: Techniques of the Observer. On Vision and Modernity in the Nineteenth Century, Cambridge 1999
Richard Dyer: Heavenly Bodies. Film Stars and Society, London 1986
Richard Dyer: Stars, London 1979/1992
Werner Faulstich/Helmut Korte (Hg.): Der Star. Geschichte - Rezeption - Bedeutung, München 1997
Vilém Flusser: Digitaler Schein, in: Florian Rötzer (Hrsg.): Digitaler Schein. Ästhetik der elektronischen Medien, Frankfurt am Main 1991, S. 147-159
Stephen Lowry/Helmut Korte: Der Filmstar, Stuttgart 2000
Lev Manovich: The Language of New Media, Cambridge 2002
Paul McDonald: The Star System. Hollywod ´s Production of Popular Identities, London 2000
Marshall McLuhan: Die Gutenberg-Galaxis. Das Ende des Buchzeitalters, München 1968
Thomas Meder: Produzent ist der Zuschauer. Prolegomena zu einer historischen Bildwissenschaft des Films, Berlin 2006 (CD-ROM)
William J. Mitchell: Picture Theory. Essays of Verbal and Visual Representation, Chicago 1995
Mulvey, Laura: Visual Pleasure and Narrative Cinema (1973), in: Baudry, Leo und Marshall Cohen (Hrsg.): Film Theory and Criticism. Introductory Readings (1974]). Fifth Edition, Oxford 1999, S. 833-845
Erwin Panofsky: Ikonographie & Ikonologie, Köln 2006
Marcus Stiglegger: Ritual & Verführung. Schaulust, Spektakel & Sinnlichkeit im Film, Berlin 2006
Yvonne Tasker: Spectacular Bodies. Gender, Genre, and the Action-Cinema, London 1993
* They´ ll be back
(Anmerkung der Redaktion)
Bei Crom! Zur Zeit stehen die Zeichen gleich für drei Helden aus dem Universum des großen Robert E. Howard auf Wiedergeburt: 2009 steckt Robert Rodriguez Rose McGowan in den Kettenhemd-Bikini und schickt sie als rothaarigen Racheengel Red Sonja auf Abenteuerreise. Endlich darf man den kläglichen Brigitte-Nielsen-Streifen vergessen.
Auch für den berühmtesten Barbaren aller Zeiten sieht die Zukunft beinahe rosig aus. Nachdem sämtliche Pläne von John Milius, "King Conan: Crown of Iron" doch noch zu verwirklichen, ebenso gescheitert sind wie eine angedachte Wachowski-Variation, soll Brett Ratner 2010 Hyperborea auf die große Leinwand bringen. Deshalb: "beinahe".
Last but not least: Auch Thulsa Doom bekommt einen eigenen Film - mit Djimon Hounsou in der Hauptrolle. Darin will man die Vorgeschichte des Conanschen Gegenspielers (James Earl Jones in "Conan - The Barbarian") erzählen. Das wird mit Sicherheit ein spannendes Unterfangen für die Drehbuchautoren, weil Doom in Wirklichkeit dem "Kull"-Universum entstammt.
Er beförderte mit "Rashomon" das japanische Kino zurück auf den Radar der internationalen Filmszene, sein "Die Sieben Samurai" feiert heuer 60jähriges Jubiläum, und sein Todestag jährt sich bald zum 16. Mal. Genau der richtige Zeitpunkt für Marcus Stiglegger, den Großmeister mit "Kurosawa - Die Ästhetik des langen Abschieds" zu würdigen. EVOLVER präsentiert auszugsweise die Einführung zum Buch.
Die Hamburger Ausnahmeregisseurin bewegt sich seit den 70er Jahren zwischen Videokunst, Spielfilm und dokumentarischem Essayfilm. Markus Stiglegger hat sich eine Kollektion ihrer Werke angesehen.
Egal, wie man seine Vertreter nennt - ob "Pinku eiga", "roman porno" oder "ero guro": Das Reich des japanischen Erotikfilms ist hierzulande fernab Nagisa Oshimas und der Tokugawa-Streifen immer noch weitgehend unerforscht. Dabei stellt es unter anderem ein Sprungbrett für viele junge Filmemacher dar. Marcus Stiglegger berichtet über die Revolte des Fleisches unter der Roten Sonne.
Das B-Movie "Street Fighter: The Legend of Chun Li" haben wir Gott sei Dank schon wieder vergessen. Mit "Prince of Persia" aus dem Hause Bruckheimer/Disney steht 2010 jedoch die nächste große Spieleverfilmung mit dazugehöriger Marketing-Maschinerie an. Marcus Stiglegger nimmt den anhaltenden Trend zum Anlaß und setzt sich mit dem Einfluß von Computerspiel-Ästhetik auf die Inszenierung von Spielfilmen auseinander.
Gerade erst zogen die Heiligen Drei Könige durchs Land, doch wir widmen uns zum verspäteten Jahresbeginn noch einmal der berühmtesten weiblichen Anhängerin Jesu: Marcus Stiglegger über ihre Darstellung im Film - von Abel Ferraras "Mary" bis zu "The Da Vinci Code".
Rechtzeitig zu Jesu Geburtstag beschäftigt sich Marcus Stiglegger mit der Darstellung Maria Magdalenas in der Populärkultur: vom deutschen 80er-Jahre-Pop über die Theorien von "Der heilige Gral und seine Erben" bis hin zum "Magdalena-Evangelium".
Kommentare_
brett ratner? warum nur? warum?