Stories_Zur filmischen Konstruktion von Ikonen, Pt. 4

Der Messias der Neo-Barbarei

Erfahren Sie im vierten und letzten Teil das Endergebnis von Marcus Stigleggers spannender Analyse zur filmischen Konstruktion von Ikonen - und lernen Sie den fleischgewordenen Rachegott aus der Steiermark näher kennen.    25.11.2008

6. Beispiel: Arnold Schwarzenegger

 

Eine Ikone des Kinos der 80er Jahre ist zweifellos "hardbody" Arnold Schwarzenegger, der sich endgültig durch seine physische Präsenz in John Milius´ epischem Fantasy-Film "Conan the Barbarian" als Hollywood-Star etabliert hatte. Zuvor war er in den USA bereits als role model des Bodybuilding berühmt geworden und hatte einige kleine Filmrollen absolviert, die diese Funktion reflektierten. Der cimmerische Racheheros aus Robert E. Howards * Erzählungen erschien ihm wie auf den Leib geschrieben, und tatsächlich konnte er auf dieser Rolle seine folgende Karriere als Prototyp des Action-Kinos der Reagan-Ära begründen. Sein massiver österreichischer Akzent schien ihn umso geeigneter zum brachialen Gewaltkörper zu prädestinieren. Zugleich ging die von ihm mitgelegte Saat auf, die den Körperkult in Kalifornien (Bodybuilding, Aerobic) zur Manie werden ließ. Der von Muskelmassen gepanzerte Männerkörper, den Schwarzenegger mit Sylvester Stallone, Dolph Lundgren und Jean-Claude van Damme gemeinsam hatte, wurde zum männlichen Ideal der hochgerüsteten Zeit der zweiten Kalten Krieges.

In "Conan the Barbarian" nahm Schwarzenegger die Stereotypen des Hardbody-Action-Kinos vorweg: das Stählen des eigenen Körpers, das Training, Wettkämpfe (hier: Gladiatorenkämpfe), verlustreiche Schlachten und das Nahtoderlebnis unter der Folter. Die Körperhelden der 80er Jahre sind vulgäre Messiasfiguren und daher religiöse Surrogat-Ikonen. Wie seine Geisteskollegen John Rambo oder Mad Max muß er durch die Hölle gehen, um triumphal wiederzukehren. Dafür integriert die Inszenierung jeweils performative und selbstverweisende Sequenzen des Show-off: In einer kargen Steppenlandschaft schwingt Conan mit ölig glänzendem nacktem Torso kunstvoll sein Schwert. In Grubenkämpfen erweist er sich als gnadenlose Killermaschine, und schließlich wird er gekreuzigt und darf auferstehen.

Conan ist der der Messias der Neo-Barbarei auf der Suche nach der unmittelbaren, meist kriegerischen Lösung - ein fleischgewordener Rachegott. Regisseur John Milius, der diesen Gott erstmals beschwor, dürfte diese Kategorisierung gefallen.

 

7. Fazit

 

Zusammenfassend läßt sich über filmisch konstituierte Ikonen sagen:[1]

 

1.) Im Medium Film entspricht die Ikone meist dem Filmstar oder aber der von ihm etablierten Persona.

2.) Ikonen im Film stehen für spezifische elementare Werte.

3.) In Ikonen verdichtet sich eine Pose oder Geste, die vom Zuschauer als Bild erinnert wird und so weiterlebt.

4.) Ikonen bzw. ikonische Momente im Film sind als Geste oder Pose zitierbar und werden vom medienkompetenten Publikum erkannt.

5.) Die gesamte physische Erscheinung einer ikonischen Persönlichkeit kulminiert oft an einem bestimmten Punkt im Film, meist in Form einer performativen, aus dem Kontext gelösten Sequenz (Monroe auf dem U-Bahnschacht, Schwarzenegger beim Schwerttraining).

6.) Die ikonische Qualität von Stars kann verjähren, wenn ihre Bilder und Posen nicht mehr reproduziert werden und aus der Mode kommen (so geschehen mit Mickey Rourke, einem Sexsymbol der 80er Jahre).

7.) Ikonische Attribute können in aktuelle Stoffe transferiert und somit verjüngt werden (John Travoltas Tanzszene in "Pulp Fiction", die auf seinen Erfolg als Discotänzer in "Saturday Night Fever"/ "Nur Samstag Nacht", 1978 verwies).

8.) Das Publikum entscheidet über den ikonischen Status. Mit dessen Akzeptanz steht und fällt die Ikone.

9.) Filmische Ikonen können ihre kontextuelle Bedeutung wechseln; wurden sie einst bewundert, erscheinen sie später als Parodie oder gar als Feindbild, wie etwa der Hardbody-Held der 80er Jahre, der heute in gebrochener und ironisierter Form wieder auftritt.

Marcus Stiglegger

Zur filmischen Konstruktion von Ikonen, Pt. 4

Fußnoten


[1] Diese Befunde ähneln der Auflistung zum Filmstar, die Lowry/Korte 2000, S.21f., geben.

Links:

Literaturliste


Béla Balázs: Der sichtbare Mensch (1924), Frankfurt am Main 2001

Roland Barthes: Mythen des Alltags (1957), Frankfurt am Main 2003

Jean Baudrillard: Von der Verführung, München 1983

Hans Belting: Bild-Anthropologie. Entwürfe für eine Bildwissenschaft, München 2001

Horst Bredekamp: Kunstgeschichte im Iconic Turn. Interview mit Hans Dieter Huber und Gottfried Kerscher, in: Kritische Berichte 26, Nr. 1, 1999, S. 85-93

Jonathan Crary: Techniques of the Observer. On Vision and Modernity in the Nineteenth Century, Cambridge 1999

Richard Dyer: Heavenly Bodies. Film Stars and Society, London 1986

Richard Dyer: Stars, London 1979/1992

Werner Faulstich/Helmut Korte (Hg.): Der Star. Geschichte - Rezeption - Bedeutung, München 1997

Vilém Flusser: Digitaler Schein, in: Florian Rötzer (Hrsg.): Digitaler Schein. Ästhetik der elektronischen Medien, Frankfurt am Main 1991, S. 147-159

Stephen Lowry/Helmut Korte: Der Filmstar, Stuttgart 2000

Lev Manovich: The Language of New Media, Cambridge 2002

Paul McDonald: The Star System. Hollywod ´s Production of Popular Identities, London 2000

Marshall McLuhan: Die Gutenberg-Galaxis. Das Ende des Buchzeitalters, München 1968

Thomas Meder: Produzent ist der Zuschauer. Prolegomena zu einer historischen Bildwissenschaft des Films, Berlin 2006 (CD-ROM)

William J. Mitchell: Picture Theory. Essays of Verbal and Visual Representation, Chicago 1995

Mulvey, Laura: Visual Pleasure and Narrative Cinema (1973), in: Baudry, Leo und Marshall Cohen (Hrsg.): Film Theory and Criticism. Introductory Readings (1974]). Fifth Edition, Oxford 1999, S. 833-845

Erwin Panofsky: Ikonographie & Ikonologie, Köln 2006

Marcus Stiglegger: Ritual & Verführung. Schaulust, Spektakel & Sinnlichkeit im Film, Berlin 2006

Yvonne Tasker: Spectacular Bodies. Gender, Genre, and the Action-Cinema, London 1993

* They´ ll be back

(Anmerkung der Redaktion)


Bei Crom! Zur Zeit stehen die Zeichen gleich für drei Helden aus dem Universum des großen Robert E. Howard auf Wiedergeburt: 2009 steckt Robert Rodriguez Rose McGowan in den Kettenhemd-Bikini und schickt sie als rothaarigen Racheengel Red Sonja auf Abenteuerreise. Endlich darf man den kläglichen Brigitte-Nielsen-Streifen vergessen.

Auch für den berühmtesten Barbaren aller Zeiten sieht die Zukunft beinahe rosig aus. Nachdem sämtliche Pläne von John Milius, "King Conan: Crown of Iron" doch noch zu verwirklichen, ebenso gescheitert sind wie eine angedachte Wachowski-Variation, soll Brett Ratner 2010 Hyperborea auf die große Leinwand bringen. Deshalb: "beinahe".

Last but not least: Auch Thulsa Doom bekommt einen eigenen Film - mit Djimon Hounsou in der Hauptrolle. Darin will man die Vorgeschichte des Conanschen Gegenspielers (James Earl Jones in "Conan - The Barbarian") erzählen. Das wird mit Sicherheit ein spannendes Unterfangen für die Drehbuchautoren, weil Doom in Wirklichkeit dem "Kull"-Universum entstammt.

Links:

Kommentare_

cp - 25.11.2008 : 17.06
brett ratner? warum nur? warum?

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