aus: Rokko´s Adventures #11
(erschienen im Juli 2012)
Text: Rokko
Fotos: Kurt Prinz
Wie viele erfolgreiche Musiker hat Österreich? Nicht viele. Waterloo gehört seit Jahrzehnten zu ihnen: Hit-Singles, Millionenverkäufe, der "Eurovision Song Contest", die Winnetou-Rolle bei den Karl-May-Festspielen, ein Platz in Helmut Zenkers "Tohuwabohu", Hundemodeschauen - seine Werkliste verlängert sich bis heute. Rokko traf die Alpenrothaut zum Pow-wow. 06.03.2014
Rokko´s Adventures ist - so steht es im Impressum - eine "unabhängige, überparteiliche sowie übermenschliche Publikation" und "setzt sich mit Leben, Kunst, Musik und Literatur auseinander". Der EVOLVER präsentiert (mit freundlicher Genehmigung) in regelmäßigen Abständen ausgewählte Beiträge.
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Will man Waterloo kennenlernen, dann am besten dort, wo er sich wohlfühlt: bei sich zu Hause, in seiner kleinen Welt. Seit zehn Jahren wohnt er abseits des Städterummels in Schleißheim in Oberösterreich. Vor dem rustikalen Holzhaus stehen die zwei Waterloo-Tour-Autos und eine menschengroße indianische Skulptur. Die Tür geht auf, und ein bestens gelaunter Waterloo mit Indianerkette und schulterlangem Haar steht da, gefolgt von seinem Hund Max.
"Griaß eich, kummts eina!" empfängt uns der 66jährige, der um mindestens 20 Jahre jünger aussieht. Schon gehen wir in das üppig mit Indianerschmuck aller Art gefüllte Haus: bunte Fenster mit Rothautkonterfei, ein Lederwams, ein Gewehr und Waterloo-Porträts dienen als Dekoration. Er wohnt hier mit seiner dritten Frau und Managerin Andrea, die gerade Kaffee kocht. Kennengelernt haben sich die beiden 1999, als Waterloo bei den Karl-May-Festspielen den Winnetou verkörperte. Bald darauf folgte die Hochzeit im Schloß Orth am Traunsee - und zwar auf indianisch, mit Tipi, Adlerfedern und heiligem Rauch, weil: "Indianerehen halten bis in die Ewigen Jagdgründe", so Waterloo. Sieben Krapfen hat er für dieses Treffen gekauft - sieben Krapfen, die in den nächsten Stunden voller Erzählungen, Musikaufführungen und Aha-Erlebnissen vertilgt werden sollen.
"Früher waren so gut wie keine Nachbarn da", sagt Waterloo während eines Blicks aus der großzügigen Fensterfront, der eine Handvoll Einfamilienhäuser offenbart. "Das war früher alles Augebiet. Mir tut es ja immer wieder weh, wenn einer so wie ich Land verbaut, das machen ja Tausende, Millionen! Ich weiß, daß ich da dazugehöre - aber ich habe es so klein gehalten, wie es geht, auf 120 Quadratmeter Wohnfläche. Ich hab´ nirgends im Haus Türen gemacht, es gibt nur eine Haustür und eine Klotür, und aus. Alles andere ist offen - weil ich auch ein offener Mensch bin. Das richtet sich immer nach dem Menschen selber. Wenn einer verschlossen ist, dann braucht der ... viele Türen! Ich brauch´ nur eine: eine in das Glück, das ist da herinnen; und eine nach draußen - dann seh ich´s auch draußen. Ich bin da sehr optimistisch, zuversichtlich und fast noch kindlich naiv, aber das lasse ich mir nicht nehmen. Das ist dann die Logik des Menschen, woaßt? Wenn du dir heut eine Logik nehmen läßt oder herausoperieren, dann ... Eine Logik und die Wurzel, wo du hergekommen bist, darfst du nicht wegschmeißen, nicht leugnen, gar nichts."
Sein Haus ist Hort seiner Logik. Vieles hat Waterloo, gelernter Tischler, selbst gebaut. "Ich bin froh, daß ich den Beruf gelernt hab´, weil die Verbindung zur Natur ist da eine ganz eine andere. Weil du weißt, wenn du heute einen Baum anschneidest, wie der riecht. Wenn du ihn umschneidest, daß man das nicht tun soll. Daß ein Baum ein Lebewesen ist und du gar nicht das Recht hast, einfach rauszugehen und einen für Weihnachten umzuschneiden - das ist ein Wahnsinn!"
Die Hausführung des ewig frohen Waterloo führt uns nun ins Untergeschoß. Auch hier bestimmt Zierwerk in barockem Ausmaß das Raumgefühl: Photos von früher, Federschmuck, Waterloo als geflügelter Indianer, Indianerstatuetten, Indianermasken, Indianerstiefel. So hat angeblich auch Russ Meyer gelebt: mit Postern, Bildern und verschiedensten Artefakten um sich selbst, in seinem eigenen Museum, in seiner eigenen kleinen Welt. Und die ist genau so, wie sie für Waterloo richtig ist. Auf einem riesigen Gemälde sieht man sein stolzes Gesicht, die zweite Seite ist von einer Ami-Flagge überdeckt. Kurz lüftet er das Geheimnis und hebt die Fahne zur Seite - darunter: Robinson, sein ehemaliger Musikpartner.
Indianer im Herzen
Waterloos Karriere erstreckt sich mittlerweile über Jahrzehnte. Davor hieß er Hans Kreuzmayr, kam 1945 in Altheim zu Welt und wuchs in einfachen Verhältnissen auf. Er führte mit seiner ersten Frau eine Damenmodeboutique in Linz, bis er dort Anfang der 1970er Robinson kennen lernte, mit dem er Welthits wie "Baby Blue" (1974), "Hollywood" (1974) und "My Little World" (1976) fabrizieren sollte. 1981 trennte sich das Duo. Es gab zwar immer wieder Reunions, doch Waterloo konzentrierte sich auf seine Solokarriere.
Seit den 70ern hat sich einiges geändert. Trug er damals noch bunt glitzernde Disco-Anzüge, die ihm seine Schwester genäht hatte, so kennt man ihn heute nur noch im Indianerkostüm. Ob diese Entscheidungen von ihm ausgingen oder ob es je Zeiten gegeben hat, in denen er künstlerische Kompromisse eingehen mußte? "Ich habe es mir immer freigehalten. Du verlierst dann zwar gewisse Rechte, aber das war mir wurscht. Das Wichtige war mir, daß ich meine Persönlichkeit nicht verlier´ - das ist immer wichtig! Schon damals, in meinen jungen Jahren, habe ich geschaut, daß ich authentisch bin, und das hat funktioniert. Das hat mir mein Vater weitergegeben ... und mein Großvater. Die haben gesagt: Schau her, Bua, so ist es, so ist das Leben! Helfen wir zusammen, machen wir was gemeinsam! Schauen wir, daß die Familie intakt ist. Wenn jemand krank ist, dann helfen wir zusammen - und dann brauchen wir niemand anderen. Nur den Himmelvater, sonst niemand. Überhaupt niemand!' " Wobei dieser Zugang auch seine paradoxen Schattenseiten hat: "Wenn du so ein freier Mensch wie ich bist und du bist für alle da, eckst du natürlich bei wem anderen an, weil du für den da warst. Und der andere sagt: 'Wieso bist du für den da? Das darfst du ja gar nicht sein! Der ist ja schlecht!' Sag´ ich: 'Wieso ist der schlecht? Kennst du den?' Ich hab´ ja keine Vorurteile, dadurch bin ich schon in viel reingerutscht - es hat mir aber viel Glück gebracht! Ich habe viel gelernt. Und wenn ich wieder mal Geld verloren hab´ ..." Waterloo schüttelt den Kopf: "Geld ist sowieso Scheiße! Das ist die wahre Scheiße, wirklich! Du brauchst es nicht." Zumindest nicht zu viel ... Doch wie er zu der Menge Schotter kommt, die er braucht? Immerhin spielt Waterloo auf vielen Charity-Festivals, und auch von den CD-Einnahmen geht oft der Großteil an wohltätige Zwecke wie Kinderkrebshilfe. "Ah, es geht sich so aus, wenn ich im Monat drei, vier Konzerte hab, daß ich gerade schön davonkomme. Ich hab´ mir nicht was weiß ich gespart, aber ich will gar nicht mehr Geld, das belastet."
Sein Glück findet er eher im Indianerwesen als im finanziellen Reichtum. 2007 ist Waterloos Buch "Das geheime Wissen der Lakota. Die 7 Wege zu einem besseren Leben" erschienen". Es geht um die sieben Tugenden der Lakota: Großzügigkeit, Standhaftigkeit, Tapferkeit, Weisheit, Liebe, Respekt, Bescheidenheit. Ein Kapitel trägt den Namen "Ich bin ein Indianer!", ein anderes "Test: 'Wie indianisch sind Sie?' ", in dem man 15 Entscheidungsfragen beantworten muß. Das Buch ist im renommierten Ueberreuter-Verlag erschienen. Wie ist er dazu gekommen? "Bei 'Dancing Stars' kommt irgendeine Journalistin von dem Verlag zu mir, und wir reden über Farben. Ich hab´ gefragt, ob wir nicht mit einem Buch etwas machen könnten, und ihr hat es getaugt - so hat das begonnen. Meine Frau hat die ganzen Photos gemacht. Da ist viel drin von meiner Logik, von meinem Leben."
Waterloos erste Begegnung mit einem Indianer war eine nicht vorhersehbare. "1990 war ich eine Woche in South Carolina zum Aufnehmen, aber es kommt niemand daher. Eine schwarze Mama hat mich da betreut, a ganz a liabe, a ganz a liabe! Ich bin dann spazieren gegangen und seh´ dort jemanden sitzen, zu dem sag ich: 'Ich bin aus Österreich!' und das und das - und der hat überhaupt kein Wort gesagt. Dann ist mir ein bißchen komisch geworden und ich bin weitergegangen. Nach ein, zwei Stunden bin ich zurückgegangen, grüß´ ihn wieder, und plötzlich war er total freundlich. Er hat seinen Hut abgenommen, und da hab´ ich gemerkt, daß das ein Indianer war, ein unkolorierter, und eigentlich ein guter Typ. Und dann hab ich die Bestätigung gehabt: 'So, jetzt warst richtig! Es ist zwar nichts weitergegangen mit der Produktion - aber du hast einen Indianer kennengelernt.' Dann bin ich nach Hause und habe ein indianisches Album aufgenommen, Indio. Das Treffen war der Auslöser, aber ich tu´ das ja seit Kind schon, das ging nicht von heut auf morgen: Da waren zehn Cowboys und nur ein Indianer - und der war ich!", lacht Waterloo. "Ich war immer der Indianer, im Herzen!"
Später hat Waterloo eine Zeitlang in einem Indianerreservat gelebt. Die Sprache der Lakota hat er nicht erlernt, "aber ich hab mich unterhalten können, weil sie eh teilweise fast alle Englisch reden, eh kloar! Jetzt werden indianische Sprachen wieder an Schulen unterrichtet, und da bin ich sehr stolz drauf! Man kann ja eine Kultur nicht einfach auslöschen. Vor 30 Jahren – das mußt du dir vorstellen! – sind Indianerkinder unter Drogen gesetzt worden. Sind sie dann direkt über einen Zebrastreifen gegangen, ist nichts passiert, aber sind sie nur einen Meter daneben gegangen, haben sie sie eingesperrt! Und die Eltern gleich mitgenommen, damit die weniger werden! Das war noch vor 30 Jahren! Das ist Wahnsinn, was der Mensch macht, wenn er sagt: 'Das Gold und das Silber, das brauchen wir! Und schauma, daß die 300, die jetzt dort sind, verschwinden!' So denkt der Weiße. Der Indianer denkt mit dem Herzen und der Weiße mit dem Hirn. Und das sind dann einfach zwei paar Schuhe, woaßt?"
Doch Indianer ist nicht gleich Indianer, wie Waterloo feststellen mußte. "Ich war in einem Teilgebiet zwischen den Apachen und den Lakota - ich hab´ gar nicht gewußt, daß die auch so verfeindet sind, so wie die Oberösterreicher mit was weiß ich wem. Ein Freund von mir, der Apache ist, hat gesagt: 'Du, ich will in deinem Buch nicht auf dieser Seite von dem Lakota-Indianer sein - sonst zahlst du Strafe." Da denk´ ich mir: Was bist du für ein kleinkarierter Indianer?!"
Zur Fortsetzung ...
aus: Rokko´s Adventures #11
(erschienen im Juli 2012)
Text: Rokko
Fotos: Kurt Prinz
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