Stories_Interview Uwe Boll, Pt. I
Love, peace & harmony
Uwe Boll hat die Schnauze voll. Mit seinem auf der gleichnamigen Spielereihe basierendem Film "Postal" wollte er einen Rundumschlag in Sachen "political correctness" abliefern, mit "Dungeon Siege" auf den Fantasy-Putz hauen. EVOLVER traf den deutschen Regisseur zum Gespräch.
28.11.2007
In "Postal" soll jeder gehen, dem Filme wie "Das Leben des Brian", "Der Sinn des Lebens" oder "Die nackte Kanone 1" fehlen. Wer diese Filme vermißt, sollte sich "Postal" ankucken - und wer gleichzeitig politisch gesättigt ist von diesem ganzen Scheiß, der uns im Endeffekt seit sieben oder acht Jahren umgibt, sollte auch in den Film gehen. Das ist mein Pitch.
Obwohl den französischen Dichter François Villon und den deutschen Filmemacher Uwe Boll gut 600 Jahre trennen, beschreibt die Zeile "Verehrt und angespien" aus Villons "Die Ballade von den Vogelfreien" Bolls Ruf wohl am besten. Seit seiner Adaption des "House of the Dead"-Arcade-Games 2003 hat sich die Internet-Community gegen ihn verschworen, "Boll bashing" avancierte zum Volkssport, und seine Filme werden oft schon vor Erscheinen mit miserablen Bewertungen in der IMDb in Grund und Boden gestampft.
Auch vor persönlichen Anfeindungen schreckten die Web-Nerds nicht zurück, was den promovierten Literaturwissenschaftler schließlich dazu veranlaßte, seinen schärfsten Kritikern einen Boxkampf anzubieten. Zur Freude seiner eingeschworenen Fan-Gemeinde schickte er sie alle auf die Bretter ...
Jetzt startet die teutonische Einmannfilmfabrik zum Großangriff und liefert mit "Schwerter des Königs - A Dungeon Siege Tale", "Postal" und "Seed" gleich drei Filme für die große Leinwand. Dazu erscheint in Kürze "Bloodrayne 2" auf DVD, "FarCry" und "Tunnel Rats" sind bereits abgedreht, weitere Projekte längst in Vorbereitung.
Bezeichnungen wie "der schlechteste Regisseur der Welt" hat der Workaholic definitiv nicht verdient; immerhin erntet selbst filmischer Sperrmüll wie die "Fluch der Karibik"-Sequels derzeit gute Kritiken, und halbgare Genrekost wie "Wächter der Nacht" oder das "Saw"-Franchise findet ebenso ihre Abnehmer. Außerdem vertreten ja manche Leute die Ansicht, man solle zwischen schlecht und schlecht keine Abstufungen vornehmen - zumal Boll tatsächlich von Film zum Film besser wird.
EVOLVER interviewte den sympathischen Regisseur anläßlich des Kinostarts von "Postal".
EVOLVER: Du hast ja auch an der Wiener Filmakademie studiert - wie kam es dazu?
Boll: Da ich in München auf der Filmhochschule nicht genommen wurde, bin ich nach Wien gegangen und habe dieses Horror-Aufnahmeszenario durchgespielt. Es kam dann einer der Professoren und hat gesagt, er will mich gerne hier haben. Ich bin mehrere Wochen geblieben und dann wieder abgereist. Das war nicht mein Ding, das war mir zu theoretisch, zu künstlerisch. Ich habe auch zuallererst einen kleinen Equipment-Check gemacht und - da war ja nix. Die hatten gerade einmal eine 16-mm-Kamera zu dem Zeitpunkt. Danach war ich in München Gasthörer, das war auch nix. Dann bin ich nach Köln zurückgekehrt und habe weiter Kurzfilme gemacht, auf Video gedreht und im Endeffekt learning by doing Filme gemacht.
EVOLVER: Hast du versucht, das Förderungssystem in Deutschland zu nutzen?
Boll: Ich habe bestimmt 15 Produktionen eingereicht und nie Geld bekommen. Dann akquirierte ich mit einem Kumpel zusammen 60.000 Mark, Kameramann, Schauspieler - alles umsonst bekommen - und drehte "German Fried Movie".
EVOLVER: Wie ist der angekommen?
Boll: Gar nicht schlecht. Wir sind mit vier Kopien getourt, also meistens selbst zu den ganzen Kinos gefahren. In Berlin, München oder Köln ist er beispielsweise vier bis fünf Wochen gelaufen, und wir haben mehr als unsere 60.000 Mark wieder reingekriegt. Das war für uns das Wichtigste. Die Ufa hat dann die Videorechte gekauft und mir auch Geld gegeben, 150.000 Mark, für "Barschel - Mord in Genf", diesen Polit-Thriller, den ich dann über den Fall Barschel gedreht habe, der jetzt wieder in der Presse ist.
EVOLVER: Wann und warum kam nach "Barschel" der Entschluß, es in Amerika zu probieren?
Boll: UIP brachte meine Komödie "Das erste Semester" ins Kino und reduzierte im letzten Moment von 250 auf 50 Kopien - damit kann man einfach keinen richtigen Erfolg haben. Das führte dazu, daß ich mir gesagt habe: "Jetzt hab´ ich eine Komödie gemacht, mit Guildo Horn, Sissy Perlinger und so, und dann wird die einfach verheizt. Dafür habe ich jetzt zwei Jahre gearbeitet".
Da war mir klar, wenn ich in Englisch drehe, habe ich zumindest den Weltmarkt. Wenn er nicht in Deutschland funktioniert, funktioniert er vielleicht in England oder Spanien. Das war 1995, und dann hat´s fünf Jahre gedauert, bis ich das Geld zusammen hatte für den ersten amerikanischen Film, "Sanctimony". Das war natürlich nicht einfach. Ich bin nach Amerika gegangen und habe versucht, Koproduzenten zu finden. 80 Prozent der Leute, die in Los Angeles leben, sind einfach Verbrecher, anders kann man das nicht sagen. Die leben davon, daß irgendwelche Typen mit Geld kommen, die werden ausgenommen und können wieder nach Hause gehen. Das ist ja auch Jahre später den deutschen Medienfonds passiert.
Es war nicht einfach, hat aber interessante Erfahrungswerte gebracht - und so kam es zu dem Film mit Regent Entertainment, die zumindest mit mir die Produktion gut durchgezogen haben. Danach haben sie mich auch betrogen. Jedenfalls war der Film im Kasten und hat sich auch ganz gut verkauft, danach ging es eben weiter. Ich habe in Deutschland Klinken geputzt und Geld eingesammelt.
EVOLVER: Und dann "House of the Dead" ...
Boll: Zuerst kamen zwei kleinere Filme, "Blackwoods" und "Heart of America". Dann wurde "House of the Dead" von der Firma Mindfire an mich herangetragen, schon mit Script, Sega-Vertrag, alles unter Dach und Fach - ein Teil der Finanzierung -, und der lief dann eben gut.
EVOLVER: Wie sind die beiden Filme davor noch angekommen? Mir zum Beispiel war der Name Uwe Boll vor "House of the Dead" kein Begriff.
Boll: Also "Blackwoods" und "Heart of America" haben zwar in den USA auch Video- und Fernseh-Deals bekommen - ich glaube, auch die Filme sind nicht schlecht -, aber sie haben natürlich nicht den Cast und die Aufmerksamkeit bekommen wie "House of the Dead". Ich finde nach wie vor, daß die Filme gut sind. Wir versuchen natürlich, auch sie in die Länder zu verkaufen, die wir bisher noch nicht haben, mit den anderen Filmen zusammen, zum Beispiel mit "Schwerter des Königs" noch einen kleinen Film mitzuverkaufen. Aber die richtige Aufmerksamkeit ging erst mit "House of the Dead" los.
EVOLVER: Und die war negativ - oder gab es anfänglich auch positive Reaktionen?
Boll: Es ist natürlich so, daß die, die lautstark im Internet loslegen, immer die negativen sind. Man hat aber trotzdem viele, die sagen "Ich find´ den geil, ja." Vor drei Wochen stand ich in den USA beim Zoll, da kuckt mich der Beamte an - ich hatte meine "Postal"-Kappe auf - und fragt "Haben Sie irgendwas mit dem Film 'Postal' zu tun?" Und ich "Wieso?" (lacht) Ich will erst mal wissen ... Dann hat er in meinen Paß geschaut, "Sie sind ja Uwe Boll", und ich "Na und?" Darauf sagt er " 'House of the Dead' war geil!" So Sachen hab´ ich eben auch, daß viele Leute mit ihren "Alone in the Dark" oder "House of the Dead"-DVDs kommen, die ich unterschreiben soll. Also, es gibt auch Leute, die finden den gut, so ist das nicht.
Ich habe auch gesagt, daß man in so einen Film nicht zuviel reininterpretieren darf, das sind eben Filme, die unterhalten wollen. Ich kann nicht "House of the Dead" drehen und glauben, da kommt der geniale Twist wie in "Die üblichen Verdächtigen" oder so - der ist straightforward und ein Splatter-Zombie-Film.
EVOLVER: Was hat es mit der "funny version" auf sich?
Boll: Während der Dreharbeiten habe ich viele Szenen, die ich relativ absurd fand, nochmals witzig variiert gedreht. Dann hatte ich diese 30 Minuten jahrelang und beschloß irgendwann, wir machen so eine Art "Mystery Science Theater" daraus. Wir holten zwei Boll-Gegner, Internet-Basher von mir, und die durften den Film kommentieren, wie sie wollten. Danach machten wir noch Comic-Pop-ups, schnitten die witzigen Szenen rein - das kommt bald auf DVD raus.
EVOLVER: Jetzt zu "Postal": Wir leben ja mittlerweile in dieser politisch korrekten Welt, in der du dich über niemanden mehr lustig machen darfst, ohne daß du geklagt wirst. Sämtliche Autoren haben die Schere im Kopf. War "Postal" jetzt dein Rundumschlag - kommt wieder zur Vernunft und traut euch was?
Boll: Ja, ich finde, "Postal" ist einerseits eine total anarchische Komödie, die im Endeffekt jedem aufs Maul haut, aber gleichzeitig kann man sie eben auch nicht von mir trennen. Als ich dasaß nach "Bloodrayne", wo wir noch nicht mal die Kinos bekamen, die wir buchen wollten, und dadurch schlechte Kritiken bekommen haben - da dachte ich: So, jetzt ist mir alles scheißegal. Jetzt schreib´ ich mal was, was ich gerne sehen würde, was ich witzig finde. Wenn ich dann dafür fertiggemacht werde, von mir aus. Aber dann stehe ich auch voll dazu und sage nicht: Ach, das Drehbuch hab´ ich ja nicht geschrieben, wie bei "House of the Dead" oder so.
Dann hab´ ich echt die Keule rausgeholt. Es war nicht einfach, auch die Crew, die Schauspieler - da die Richtigen zu finden, die voll dahinterstehen; da hatten schon manche Bedenken. Dem Produktions-Designer von "Schwerter des Königs" und "Bloodrayne" habe ich das angeboten, und der sagte "Nein, kann ich nicht machen, verstößt gegen meinen religiösen Kodex." Da habe ich mit dem Diskutieren begonnen, wo dieser Kodex überhaupt herkommt. Dafür wollte ich ja "Postal" machen, damit man anfängt zu hinterfragen.
Wieso rege ich mich überhaupt auf, wieso rege ich mich nicht über die Wirklichkeit auf, sondern über irgendeinen Filmemacher? Das erlebe ich auch bei manchen Kritikern, die jetzt auf den Film eindreschen und sich damit zum Handlanger von Leuten wie Bush und so weiter machen, die natürlich auch kein Interesse haben, daß solche Filme gedreht werden ... Es ist schon bedenklich, und es gibt ja den alten Spruch "In Gefahr und höchster Not bringt der Mittelweg den Tod". Genau die Filme machen wir, die sind alle irgendwo in der Mitte oder beschäftigen sich mit Problemen, die die Leute einen Scheiß interessieren. Das ist einfach so, sagen wir mal, weltfremd. Auch viele Festival-Filme, wo man denkt, das sieht zwar im ersten Anlauf irgendwie kritisch oder sozialkritisch aus - das sind doch Thematiken, die uns eigentlich gar nichts angehen, die uns auch gar nicht wirklich interessieren.
EVOLVER: Machst du dir Gedanken darüber, daß du wegen des Films angefeindet werden könntest? Einerseits die Terroristen, andererseits 9/11 - und dann noch die Geschichte mit den Hakenkreuzen, Dr. Mengele und so weiter ... Stichwort Vergangenheitsbewältigung: Kamen da schon Reaktionen, rechnest du noch mit welchen? Du wurdest ja im vergangenen Jahr bei einem Interview mit einer österreichischen Web-Plattform recht schnell auch in die Antisemitenecke geschoben.
Boll: Ja mit CHiLLi, das fand ich natürlich auch ´nen Witz, weil die haben ja dann auch das Interview im kompletten Wortlaut veröffentlicht, aber trotzdem überall weiter ihr gekürztes Ding gefeatured, auch bei Wikipedia. Da dachte ich dann auch, "Freunde, ihr habt es einfach nicht begriffen." Ich bin einfach der Meinung, man braucht keine Zivilcourage mehr, wenn man "Sopie Scholl" zum fünften Mal verfilmt. Sophie Scholl hat Zivilcourage gehabt, aber es ist ja in Deutschland und auch Österreich so: Wenn man einfach diese Altthematiken weiterverfolgt, da hacke ich doch auf Tote ein, sagen wir´s mal so.
Natürlich war Hitler ein Verbrecher - nur kann es ja auch nicht so sein, daß wir nichts anderes machen, um unsere Vergangenheit aufzuarbeiten, als diese Hitler-Zeit darzustellen. Und umso mehr Preise und Oscar-Nominierungen bekommen doch die, die zeigen, wie beschissen die Deutschen waren. Das kotzt mich irgendwo auch an, bis man dann einfach sagt, so, jetzt mache ich mal Auschwitz-Gags und so weiter. So tabulos lief das - klar, daß sich Leute aufregen.
Ich war gestern in Stuttgart, da hat sich auch einer total aufgeregt. "Das kann man doch nicht machen, als Deutscher und so weiter." Und da hab´ ich gesagt: "Gerade als Deutscher. Ich bin 1965 geboren. Ich hab mit Scheiß-Hitler überhaupt nichts zu tun - genausowenig wie der Rabbi von New York. Und nur weil er der Rabbi von New York ist, muß ich dem nicht in den Arsch kriechen." Weil das ist ja unsere gesamte Mentalität, die wir auch nicht aus uns rauslösen können ... Egal, was für Verbrechen begangen werden, auch von den Israelis und so weiter, die sich das Land einfach mit amerikanischer Unterstützung angeeignet haben ... daß die machen können, was sie wollen, und wir müssen alles gutheißen. Man muß einfach auch mal sagen: "So ist es, und auch Juden können Verbrecher sein."
Und das war diese Sache mit dem CHiLLi-Interview, wo ich gesagt habe, wenn ein Tom Ortenberg von Lions Gate sagt "Die Deutschen haben´s ja auch nicht anders verdient, daß sie von uns betrogen werden" - also in Erlösabrechnungen, Lions Gate hat "Alone in the Dark" und "House of the Dead" rausgebracht -, nach dem Motto "Wir bescheißen die Deutschen wegen der Nazi-Zeit ... Da muß ich doch sagen: "Was ist denn das, entweder ist man Verbrecher oder nicht." Das ist für mich ein Rassismus in die andere Ecke, und daß der Typ von CHiLLi das nicht verstanden hat, ist ein absoluter Witz. Das zeigt einfach, wie die einen kategorisieren wollen.
Fortsetzung folgt ...
Jürgen Fichtinger
Kommentare_
Mögliche Gründe dafür, dass einen (fast) jeder scheiße findet:
a) Eine weltweite Verschwörung der Internet-Nerds hat sich zusammengetan, um einem grundlos das Leben schwerzumachen.
b) Man *ist* scheiße.
Suche sich jeder seine Antwort selbst.
Dass es aber nicht bloß "a" und "b" gibt, bzw. schwarz und weiß ist dir aber schon bewusst, gell?
grossartig. danke.