Stories_Two-Lane Blacktop
Cruisin´ U. S. A.
Reinhard Jud klemmt sich Seite an Seite mit Warren Oates und James Taylor hinters Steuer, um in Monte Hellmans legendärem Roadmovie die Route 66 entlangzubrettern - und läßt dabei ein Stück Kinogeschichte Revue passieren: "Two-Lane Blacktop" alias "Asphaltrennen" gibt´s endlich auch hierzulande auf DVD.
31.03.2008
Nie hatten Filme auf luzidere Weise zur Kenntnis genommen, daß die Einsamkeit, die sie romantisierten, Teil eines lähmenden Zustands der Isolation war. Und sehr gefährlich.
David Thomson
Die Reise führt von der Nacht in den Tag hinein. Sie beginnt mit einem Autorennen, dem Aufheulen von Motoren, einem Streckenwart, der den Wimpel schwenkt. Aufregung liegt in der Luft. Die Helden haben keine Namen. Der Folksänger James Taylor spielt den Fahrer, Dennis Wilson von den Beach Boys ist sein Kopilot. Sie werden mit einem mittelalten Mann, der nach seinem Auto, einem GTO, benannt ist, eine Wette eingehen: ein Rennen von Kalifornien ostwärts nach Tennessee. Unterwegs nehmen sie ein Mädchen mit, gespielt von Laurie Bird, der damaligen Freundin des Regisseurs Monte Hellman. Im Leerlauf der Geschwindigkeit verflüchtigt sich auch auch die Wette, die Figuren verschwinden in ihrem eigenen Nichts. Der Film löst sich auf, der letzte Kader bleibt stehen und versengt in der Hitze des Projektionslichts.
"Two-Lane Blacktop" entstand in der Übergangszeit zwischen dem Niedergang des Studiokinos und dem Aufstieg der Regisseure von New Hollywood. MGM hatte das Projekt in der Hoffnung auf eine Wiederholung des Erfolgs von "Easy Rider" übernommen, handelte es sich doch um ein Roadmovie mit Identifikationsfiguren aus der Subkultur. Monte Hellman war nach seinem Erstling "The Beast From The Haunted Cave", einem Exploitation-Film, mit zwei endspielhaften Western - "The Shooting" und "Ride in the Whirlwind" - aufgefallen, die zwar nie in amerikanische Kinos kamen, aber von der europäischen Kritik gefeiert wurden. Er fand das ursprüngliche Drehbuch inakzeptabel und beauftragte den jungen Literaten Rudolph Wurlitzer, einen Erben der Musicbox-Dynastie, mit der Überarbeitung.
James Taylor, der Darsteller des Fahrers, war Hellman auf einem Billboard in Los Angeles aufgefallen. Er konnte zwar nicht gut sprechen, faszinierte jedoch den Regisseur wegen seiner exponierten Nase, die Besessenheit im Reinsaugen von Kilometern versprach. Die Dialoge zwischen ihm und Dennis Wilson erschöpfen sich in Fachsimpeleien über Motoren, wärend Warren Oates als GTO bei jedem neu zugestiegenen Fahrgast, den er vom Straßenrand aufliest, mit der Musikkassette auch seine Biographie wechselt. Er hat längst vergessen, wer er ist und wohin er möchte, er weiß nur, daß er schon viel zu lange unterwegs ist.
Es gibt kaum Annäherungen unter den Figuren, vor allem keine Bekenntnisse und keine Selbstfindung, wie man es von Roadmovies aus dieser Zeit gewohnt ist. Kritiker sahen sich außerstande, den Film einer gängigen Kategorie - Kunst oder Genre - zuzuordnen; das Publikum fühlte sich angesichts der greifbaren Leere und Abwesenheit auf Amerikas Highways, im bis dahin mythisch überhöhten Unterwegssein, um seine Erwartungen betrogen. Das war nicht viel anders als in einer weiteren Umsetzug einer Vorlage von Rudolph Wurlitzer in diesem Jahr, "Glen und Randa" von Jim McBride - über die beiden letzten Menschen, die im postapokalyptischen Szenario nach der Stadt Metropolis suchen, von der sie im Comic "Wonder Woman" gelesen haben.
Hellman war übrigens auch für die Verfilmung eines dritten Drehbuchs von Wurlitzer, "Pat Garrett and Billy the Kid", vorgesehen. Aufgrund der schlechten Einspielergebnisse von "Two-Lane Blacktop" ging das Projekt jedoch an Sam Peckinpah. Dieser bezeichnete Hellman 1973 in der "Tonight Show" als "besten Regisseur, der heutzutage in Amerika arbeitet". Er zeigte sich wohl von der unauflöslichen Mischung aus Poesie, Authentizität und Professionalismus beeindruckt, einem ungebrochenen Herangehen an die Dinge, der Reibung am Physischen, dem Bloßlegen durch die Kamera, ohne Berücksichtigung einer Bedeutungsebene oder die linkische, nennen wir sie feige Perspektive aus dem ironischen Abseits, das später im Independent-Kino zur Norm werden sollte, der gestischen Anführung relativierender Gänsefüßchen.
Die Filme von Hellman und Peckinpah weisen nicht sehr weit in die Zukunft. Ab Mitte der 70er Jahre gab es für beide kaum noch Arbeit in den USA. 1973 drehte Hellman mit Warren Oates in der Hauptrolle "Cockfighter" nach dem Roman von Charles Willeford, 1976 ging er nach Europa und inszenierte mit Warren Oates an der Seite von Fabio Testi und einem Gastauftritt von Sam Peckinpah den Italowestern "I Pistoleri/China 7, Liberty 37". Nach mehr als zehn Jahren erhielt Hellman dann noch einmal Gelegenheit, eine Outllaw-Geschichte zu erzählen: "Iguana", über die Rache eines Harpuniers im 19. Jahrhundert - mit einem Kunstfilm als Resultat, dem es ebenso an Gesichtern wie an physischer Bewegung fehlt. Zuletzt drehte er den mehr als unerheblichen Genrefilm "Silent Night, Deadly Night 3"; das ambitionierte Projekt "Red Rain", das Quentin Tarantino produzieren wollte, erwies sich als heiße Luft.
Für einen guten Teil der Beteiligten an "Two-Lane Blacktop" nahm es ein böses Ende: Laurie Bird, die Darstellerin des Mädchens, das sich trotzig zwischen drei Männern einen Freiraum verschafft, starb den Drogentod, Warren Oates erlag 1982 mit 53 Jahren einem Herzinfarkt und ging als "the most human face" in die Filmgeschichte ein. Rudolph Wurlitzer schrieb das Drehbuch für Bernardo Bertoluccis "Little Buddha"; sein letzter Roman handelt von seiner verzweifelten Suche nach Spiritualität in den Ländern Südostasiens.
Anklänge an Hellman gab es in den späten 70ern bei John Carpenter und Walter Hill in der Atmosphäre verdichteter Einsamkeit und Verlorenheit, im zeitgenössischen amerikanischen Kino sucht man danach vergeblich. Dem Blick auf Figuren kommt Wong Kar-Wai in seinem bisher letzten Film "My Blueberry Nights" noch am nächsten: Begegnungen sind flüchtig, Biographien Fiktion.
Aus der Entfernung läßt sich das vielleicht leichter begreifen. Dazu kommt die Sexiness der Oberfläche, ohne die es kein wirkliches Kino gibt.
Reinhard Jud
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