Stories_The Horror Anthology Vol. 1 & 2
Das Grauen aus dem Babyphon
Wo die Ami-"Masters of Horror" eher dilettieren, zaubern die Spanier ein ähnliches Serienformat gelungen aus der Paella. Hier klopft das Grauen wirklich an die Tür.
21.11.2006
Als der US-Sender Showtime Networks ein Serienformat startete, in dem Genre-Altmeister wie John Carpenter, Tobe Hooper oder Dario Argento ohne Zensur ihre Lieblingsgruselgeschichten erzählen konnten, schlug das Herz der Horror-Fans höher.
Inzwischen ist die erste Staffel von "Masters of Horror" schon wieder Schnee von gestern, die zweite bereits abgedreht und eine dritte im Gespräch. Doch leider ist "Season One" der auch hierzulande auf DVD (wenngleich verstümmelt und ohne vernünftige Extras) vorliegenden Reihe alles andere als berauschend. Abgesehen von der einen oder anderen guten Idee (wie beispielsweise Joe Dantes sehenswerter Zombie-Variation "Homecoming") und ein paar netten Momenten sind die einstündigen Episoden - vor allem in Anbetracht ihrer Regisseure - eher oberflächlich.
Die Spanier zeigen mit ihrer Kopie der TV-Serienidee, daß sie eindeutig mehr draufhaben: Wo die altgedienten "Masters" enttäuschen, begeistern spanische Filmemacher - wieder einmal - mit subkutanem Grauen und feinstem Herzkasperlmaterial, das an Zeiten vor dem platten Teenie-Horror erinnert. (Für die längst fällige Kino-Trendumkehr sorgen derzeit bekanntlich Regisseure wie Alexandre Aja und Eli Roth.)
Mit Alex de la Iglesias The Baby´s Room liegt nun der erste Eintrag der "Peliculas para no dormir"-Reihe (die bei uns in bestem deutsch "The Horror Anthology" heißt) auf DVD vor. Spätestens seit "Allein unter Nachbarn" ist dieser begabte Regisseur auch bei uns kein Geheimtip mehr; ein Teil seines sehenswerten Œuvres ist ebenfalls bei e-m-s erschienen.
"The Baby´s Room" erzählt die Geschichte eines glücklich verheirateten jungen Pärchens mit Kleinkind, das äußerst günstig ein soeben renoviertes Haus erstanden hat. Juan und Sonia ziehen ein und freuen sich auf die erste Nacht im neuen Haus - dank Babyphon haben sie das kleine Biest ja stets im Ohr. Doch leider ist niedliches Gebrabbel nicht das einzige, was sie zu hören bekommen.
Natürlich ist die Geschichte von alternativen Realitäten und längst vergangenen respektive paranormalen Ereignissen, die sich nur mittels elektronischer Hilfsmittel wie dem Babyphon oder der in späterer Folge benutzten Hi-Tech-Variante inklusive Infrarotkamera offenbaren, ein schon oft verwendetes Motiv. Richtig erzählt sorgt es jedoch immer wieder für eine ordentliche Gänsehaut - und natürlich Herzflattern, wenn man sich den Sehgenuß nach Einbruch der Dunkelheit gönnt. Und weil de la Iglesia weiß, was er tut, würde "The Baby´s Room" - im Gegensatz zu den Werken der US-Kollegen - auch auf der großen Leinwand bestens funktionieren.
Teil zwei der Horror-Anthologie geht auf das Konto von Amenábar-Spezi Mateo Gil, der mit Streifen wie "Tesis" oder "Abre los ojos" bereits des öfteren sein Talent als Autor unter Beweis gestellt hat. Mit "Nadie conoce a nadie" lieferte er übrigens auch sein Regiedebüt ab (erhältlich unter dem deutschen Titel "Bruderschaft des Todes" bei epix). Während de la Iglesia für "Baby´s Room" erneut mit seinem bewährtem Mitstreiter Jorge Guerricaechevarria am Drehbuch arbeitete, bediente sich Gil diesmal Igor Legarretas als schreiberischer Schützenhilfe.
In Spectre dreht sich alles um den erfolgreichen Autor Tomás, der freiwillig dem Eremitendasein frönt. Als er eines Tages eine Tarotkarte erhält, wird er an ein feuchtfröhliches und höchst dunkles Kapitel seiner Vergangenheit erinnert, von dem eigentlich bis auf eine Person niemand wissen dürfte. Und weil besagte Person längst verstorben ist, verläßt Tomás sein Exil, um dem Geheimnis in seiner Heimatstadt auf den Grund zu gehen.
Nachdem klassische Hexen bekannterweise nichts anderes zu tun haben, als Männer durch wollüstige Avancen in ihren Bann zu ziehen, auf Besen zu reiten oder es nächtens mit Papa Klumpfuß zu treiben, wundert es keineswegs, daß der junge Tomás seinerzeit einer solchen bösen Kreatur verfallen ist. Und jetzt bekommt er als alter Mann die Rechnung dafür präsentiert.
Auch in "Spectre" finden wir viele altbewährte Motive wieder - wie etwa die außerhalb der Stadt wohnende mysteriöse Frau oder die schwer katholische und auf Tugend bedachte Mutterfigur. Doch während uns de la Iglesia in "Baby´s Room" stets auf Messers Schneide tänzeln läßt, lullt uns Gil lieber lange Zeit in harmonische Bilder ein und läßt nur hin und wieder einen Funken zartes Grauen durchschimmern, bevor er dann doch - naturgemäß - die Klinge reintreibt. So gehört sich das. Einziger Makel: Statt dann noch etwas in der Wunde herumzustochern, gleicht die Schlußszene eher einem Coitus interruptus. Aber schön war´s trotzdem.
Als nächstes stehen die Episoden "Blame" und "A Real Friend" auf dem Programm; bis Ende des Jahres sollen alle sechs Folgen der Anthologie auf DVD vorliegen. Wir sind mehr als gespannt, ob es die anderen Filmemacher mit den beiden Kollegen aufnehmen können - und Spaniens grausige Blüten wieder blühen.
PS: Noch ein interessantes Detail am Rande: Elemente beider Episoden finden sich unter anderem auch in Vertretern der erst kürzlich auf DVD erschienenen "Hammer House of Horror"-Reihe. Manche Stoffe sorgen halt auch in der x-ten Variation - handwerkliches Geschick vorausgesetzt - für wohlige Schauer.
Sollte übrigens jemand Vergleiche zu den österreichischen "8x45"-Produktionen ziehen wollen, verbieten wir das auf der Stelle. Die sind zwar auch grauenhaft, aber nur zum Anschauen ...
Jürgen Fichtinger
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