Stories_Nippon Connection 2005, Teil II

Faszination und Kirschblütenkitsch

Auf heuer wurde das japanische Kino in Frankfurt wieder in all seinen Facetten gefeiert. Zweiter Teil des Festival-Querschnitts von Michael Kienzl.    27.05.2005

Die Reihe Nippon Digital war überwiegend Kurzfilmen von jungen Nachwuchsregisseuren gewidmet. Während neue Kurzfilme alter Hasen wie Kyoshi Kurosawas Soul Dancing und Naomi Kawases peinlich exhibitionistischer Egotrip Shadow enttäuschten, stellte sich besonders Mariko's 30 Pirates von Newcomer Tetsuya Mariko als Glanzpunkt heraus. Das für den Wettbewerb der diesjährigen Kurzfilmtage in Oberhausen ausgewählte Werk wurde vollständig auf Super-8 gedreht und besticht durch seinen experimentellen Umgang mit dem Medium. Mariko erzählt darin von seinem universitären Abschlussritual, bei dem er, angeregt durch Nachforschungen über seine Vorfahren, die angeblich Piraten waren, halbnackt mit einer Super-8-Kamera und der Familienflagge bewaffnet, das Universitätsgebäude stürmt. Obwohl sich die Animationen und technischen Effekte auf niedrigem Niveau bewegen, kreiert der junge Filmemacher ein faszinierendes autobiographisches Dokument, dem man für Oberhausen nur die Daumen drücken kann.

Ein weiterer, zumindest ästhetisch beeindruckender Beitrag war Tsuboru von Masafumi Yamada. In atmosphärisch beleuchteten Bildern handelt das düstere Werk von einem jungen Mann mit Psychose, der in einem verwüsteten Krankenhauszimmer mit einer Schwester eingeschlossen ist. Die eindrucksvollen Körpermutationen und die surreale Bildsprache wirken zwar sehr ausgereift und erinnern streckenweise an Shinya Tsukamotos "Tetsuo", leider weicht die anfängliche Faszination durch die unbeholfene Dramaturgie und zu gewollten Kunstanspruch schnell einer gewissen Langeweile.

 

Parallel zum Festival wurde auch heuer wieder eine kleine Ausstellung japanischer Kunst präsentiert. Im Mittelpunkt stand das zweisprachig (japanisch-englisch) erscheinende Online-Design-Magazin "Shift", das mit vier Künstlern aus dem Illustrations-, Grafik- und Designbereich vertreten war. Obwohl es sich dabei um ein Gebiet handelt, bei dem die Werke in erster Linie nur gut aussehen müssen, gehen einige der Arbeiten doch über ihren rein dekorativen Charakter hinaus. Ein gutes Bespiel hierfür bieten die Illustrationen von Kinpro zu Schneewittchen: Erstaunlicherweise harmoniert das alte Märchen perfekt mit der comichaften Bildwelt aus leuchtenden Farben und vereinfachten Formen und bekommt dadurch eine völlig neue Facette. Die Künstlergruppe Wabisabi hat im Gegensatz dazu mit ihren aus ornamentalen Linien zusammengesetzten Bonsais die Grenze zum Kitsch eindeutig überschritten. Von Takora, der sogar schon Muster für Comme des Garcons entworfen hat, gab es eine Collage aus Flyern zu sehen, die in ihrer abgedroschenen Retro-Ästhetik heutzutage wirklich nichts Besonderes mehr sind. Der in London lebende Tomoaki Ryuh war sogar vor Ort und fertigte sowohl in der Ausstellung als auch im Festivalzentrum eine übergroße Zeichnung irgendwo zwischen Tuschemalerei, Graffiti und Kirschblütenkitsch an. Obwohl die meisten vorgestellten Arbeiten enttäuschten, kann man sich im Netz von der Vielseitigkeit der einzelnen Künstler überzeugen.

 

Bereits zum zweiten Mal brachte die Nippon Connection zusammen mit der Zeitschrift "Spex" eine CD mit dem Titel Exchanging Tracks heraus, die sich ganz dem kulturellen Austausch widmet. Auf dem Album finden sich Remixe traditioneller japanischer Stücke von westlichen elektronischen Musikern wie Beanfield, Kabuki oder Funckarma. Trotz des ambitionierten Konzepts erinnert das belanglose Ergebnis hauptsächlich an Fahrstuhlmusik.

Leider wird die japanische Musiklandschaft meist mit süßlich klebrigem Pop oder loungigem Gedudel in Verbindung gebracht, obwohl es dort besonders in den Bereichen experimentelle Musik und Noise eine relativ große und kreative Szene gibt. Aus dem krachigeren Lager kommen auch die zwei Mädels Oni und Pikachu von der Band Afrirampo, die, zusammen mit der Butoh-Tänzerin Mayumi Fukuzaki, ein mitreißendes Festivalkonzert bestritten. Ihre Soundcollagen aus lärmenden Klangflächen, infantiler Improvisation und fetzigen Punksongs bieten eine angenehme Abwechslung zu der Flut an größtenteils blutleer wirkenden Riot Girls, die in letzter Zeit mit etwas aufgezwungener Punk-Attitüde und feministischen Slogans den Indie-Markt überschwemmt haben. Afrirampo agieren da schon subversiver als ihre Kolleginnen, indem sie einerseits permanent ihre naive Mädchenhaftigkeit unterstreichen, aber gleichzeitig musikalisch weitaus radikaler und komplexer vorgehen. Derart spannende Ausnahmeerscheinungen hätten dem Festival sicher auch in der Filmauswahl gut getan. Na ja, vielleicht nächstes Jahr.

Michael Kienzl

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