Stories_Rokko´s Adventures im EVOLVER #3/Pt. 1
Lichtscheiben über Neuschwabenland
Oops, he did it again - ein neues Abenteuer von Rokko und seinen Brüdern.
Diesmal meldet sich Daniel Krcal anläßlich des David Tibet Project beim letztjährigen Donaufestival zu Wort: ein Versuch über Neofolk.
30.05.2008
Ja, ja, ein Statement
Eines vorweg: Ja, ich höre Death in June und Von Thronstahl, ja, ich halte Hakenkreuz und Wolfsangel für interessante Symbole, ja, in mir schlummert der eine oder andere Wertekonservatismus, aber nein, ich esse keine Asylantenkinder zum Frühstück, verbrenne keine Bücher im Sonnwendfeuer und habe auch keine blonde und blauäugige Maid zum Kindergebären am Herd angekettet. Obwohl, die, die mich besser kennen, behaupten ...
Nein, ganz im Ernst und ohne zynisches Gewitzel: als Musikfeinschmecker und im eigenen Schaffen den so genannten Neofolk Streifender gestehe ich Affinität zum Thema und Mangel an Objektivität ein, wenn ich im folgenden in die Welten der verqueren Weltuntergangsschrammelei hinabtauche.
The Schwanz of Douglas
Also tauche ich und begebe mich hierfür an einen idyllischen Strand, irgendwo in Australien. Dort steht - das Pseudonym Röhm benutzend - jener Mann, der mehr oder weniger auch am Beginn dieses Musikgenres steht, und fächelt mir, in der Hoffnung, ich sei ein älterer, für allerlei Spielchen zu habender Uniformfetischist, mit seinem Mannesteil entgegen. Wahrlich, so habe ich mir den Tod im Juni nicht vorgestellt: als Offenbarung in und der Schwanzesform. So geschehen auf einer Schwulen-Kontakt-Seite, deren Link Douglas Pearce unlängst seinen Yahoo-Newsgroupies zukommen ließ. Warum er sich seinen Adoranten und wahrscheinlich auch Adorantinnen in eindeutigen Peinlichkeiten zeigen muß, wird der gute Herr wohl wieder nur einmal selbst wissen. Und das scheint auch das Gute und Faszinierende am Konzept von DIJ: Obwohl oder gerade weil durchtränkt mit Symbolik, wird nicht erklärt. Keine Propaganda, kein Intellektualisieren, sondern ein symbolisches Geflecht mit Fixpunkten. Einer ist Offenheit in alle Richtungen, und wenn ein Skinhead zum Konzert kommt, um voller Neid auf die mit Nazisymbolik verhangene Bühne zu stieren, soll er eben stieren. Ein anderer Fixpunkt ist Schwulsein, und wenn dann ein Skinhead während des Konzerts auf die Bühne springt und die bunte Schwulenfahne herunterreißt, kann er sich sicher sein, vom Meister persönlich den Arschtritt zu verpaßt zu bekommen.
Ein Fixpunkt, der ob des bedeutungsschwangeren Gehabes stets vernachlässigt wird, ist Spaß. Jawohl, Spaß. Nicht umsonst bekennt Douglas P. in einem Interview mit KFCF Radio, daß er auf alte Motown-Hadern steht, "much to most people´s shock, I´m sure". Überhaupt ein hörenswertes Gespräch, in dem Boyd Rice und Douglas ausnahmsweise einmal nicht die Berufsprovokateure spielen müssen. Frei von der Leber weg geht es da (nine/eleven ist gerade erst gewesen) den America-Bashern an den Kragen, und Heino erfährt endlich seine Würdigung. Ja, und war da nicht aktuellerweise noch die Ankündigung einer Kollaboration mit den Pet Shop Boys?
Looking for Krems
Getrost kann man annehmen, daß Douglas seinen kleinen (eigentlich aber sehr großen, ehrlich!) Röhm nur zum Spaß in den Wind hängt, kann aber auch, seinem überbordenden und stets doppeldeutigen Symbolismus folgend, annehmen, daß er ihn raushängen läßt, weil ein Teil seiner musikalischen Mitstreiter ebenjenen einzieht.
Dernière Volonté wollen nichts von der eisernen Faust mehr wissen. Belborn lösen sich nach reumütigen Bekundungen, mit dem Feuer gespielt und sich verbrannt zu haben, auf. An der Neuauflage von "Lords of Chaos" fällt auf, daß, vom sonst wertfreien Tonfall des Buches abweichend, eine deutliche Distanzierung vom Antisemitismus Burzumscher Prägung stattfindet. Boyd Rice glaubt neuerdings entdeckt zu haben, ein direkter Nachkomme Jesu zu sein. Blood Axis verteilen auf ihren Konzerten Flyer, auf denen sie sich von jeglichen Rassismen distanzieren. Tony Wakeford verurteilt den Antisemitismus seines großen Vorbildes Ezra Pound. Lichttaufe.de läßt seinen germanophilen Namen hinter sich und heißt nun nonpop.de.
Beispiele, die eigentlich nur die Entwicklung der Szene selbst, angesiedelt zwischen Rückbesinnung, Positionierung und Öffnung zu anderen Bereichen hin, wiedergeben. In die Aufgeregtheit rund um das Thema Neofolk ist inzwischen, nicht zuletzt auch nach dem schon etwas länger zurückliegendem Erscheinen des profunden Szenebuches "Looking for Europe" - einem Werk, das sich von der Antifa-Hysterie des schon älteren Werkes "Ästhetische Mobilmachung" angenehm abhebt -, wieder eine Portion Unaufgeregtheit eingekehrt. Nach der ideologischen Verstoßung durch die institutionalisierten Poptheorie-Feuilletons rund um "Testcard" und "Spex" durfte beispielsweise David Tibet sogar ein eigenes Projekt für das diesjährige Donaufestival in Krems zusammenstellen. Wobei: Ganz ohne Zensur geht es dann doch nicht, der vom partipassionistischen Tibet abgelieferte Text war den Veranstaltern zu religiös und wurde nicht veröffentlicht. O Gott, möchte man sagen, in fortschrittlichen Kreisen löst selbiger Identitätskrisen aus, es ist dann scheinbar schon wurscht, ob Kreuz oder Hakenkreuz.
Wenn wir schon bei David Tibet sind: Tauchen wir doch wieder, weiter ein in die Vergangenheit der gothisch-industriellen Tiefgräben des subkulturellen Musikozeans, in die Gnosis uralter Zeiten.
Ein kleiner historischer Rückblick
Wenn man so möchte, könnte man natürlich schon viel früher als bei Tibet und Konsorten einsetzen. Etwa bei Joy Division, denen Dresscode und vereinzelte Aussagen den Faschismusvorwurf durch die Presse einbrachten. Ganz zu schweigen davon, daß deren "little drummer boy" Pate für das Logo von Albin Julius´ HauRuck!-Label stand. Oder bei einem ganz anderen Träger des Faschismusvorwurfes, Leonard Cohen, Vorreiter in Sachen gitarrenuntermalter und dunkler Poesie. Oder bei den Stranglers, die schon frühzeitig eurozentristische Gedanken äußerten und sich mit dem Autor Yukio Mishima beschäftigten. Oder beim satanischen Folk von Charles Manson. Oder bei Kenneth Anger und seines wegen Mordes einsitzenden Filmhofkomponisten Bobby Beausoleil. Oder bei mittelalterlicher Lyrik und altdeutschen Minnesängern. Oder, oder, oder ... Dutzende andere Querverweise fielen mir noch ein, aber machen wir es nicht zu kompliziert, gehen wir zurück nach vor zu David Tibet.
Grob vereinfacht, entspringt der Neofolk dem "Apocalyptic Folk", der im wesentlichen auf das Kollektiv rund um Death in June und Current 93 zurückgeht.
C93 entstanden im Industrial-Umfeld von Psychic TV, 23 Skidoo und Artverwandten und zelebrierten Crowley-beeinflußte Lärmcollagen, ergänzt und perfektioniert durch Tibets lieblich-bissigen Stimmeinsatz. Death in June waren das Nachfolgeprojekt der linksradikalen Crisis und spielten einen an Post Punk, New Wave und Joy Division angelehnten Stil, vereinzelt schon den später charakteristischen akustischen Purismus andeutend. In ihrer Enttäuschung über die extreme Linke beginnen sie ein Spiel mit nationalsozialistischer Symbolik, während sich C93 von ganz anderer - esoterischer - Seite dem Hakenkreuz nähern.
Ungefähr ab dem bahnbrechenden C93-Album "Swastikas for Noddy" eröffnen sich bis dahin so nicht gehabte Klangwelten, angesiedelt irgendwo zwischen Incredible String Band, Runenmagie, Kinderreimen und Apokalypse. Bei dem Album sind damals viele Protagonisten der Szene vereint: Douglas Pearce, die Runenmagierin Freya Aswynn, Boyd Rice von NON, Ian Read von Fire & Ice, Rose McDowall von Sorrow und den wohl bekannteren Strawberry Switchblade, Steven Stapleton von Nurse with Wound, John Balance von Coil. In ein Klischee gegossen wird das, was später Neofolk heißen soll, durch C93s "Thunder Perfect Mind" und DIJs "But, what ends when the symbols shatter".
Rund um erwähntes Personal entwickelt sich ein Gemisch aus zirka diesen Zutaten: Satanismus/Christentum, nordisches Heidentum, sexuelle Obsession, dekadente Literatur, Weltuntergang, Abendland, Military Pop, esoterischer Elitarismus, Folklore, Chaosmagie, Neoklassik, Industrial und das in einer abgestumpften und einer falsch verstandenen political correctness anheimgefallenen Medienkultur wohl letzte verbleibende Tabu, die Benutzung und teilweise positive Rückdeutung nationalsozialistischer, heidnischer und völkischer Symbolik.
Zwischenspiel
Josef Klumb, Gottseibeiuns und Jan van Helsing des Neofolk, mag die vermeintlichen Relativierungen von "Looking for Europe" offensichtlich überhaupt nicht:
Ich sagte EUROPA und HEIMAT, die anderen bogen sich krumm.
Und wo ich DEUTSCHLAND sage, bitten Sie um Entschuldigung.
Gerten und Diesel schaun nach Europa, oder schaun an Europa vorbei.
Sie pissen sich in ihre Neofolk Hosen und fühlen sich sauber dabei.
Ein Volk von Zwergen schaut nach Europa, aber Wir - sind vogelfrei.
Wir sind nicht verboten, wir sind nur verpönt.
Und LOOKING FOR EUROPE klingt mehr als nur geschönt.
Auszug aus "Sie suchen nicht, sie schauen nur" - Von Thronstahl
To be continued ...
Rokko’s Adventures
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