Damit es nicht heißt, nur wir hätten ausschließlich Zombies im Kopf, übergeben wir diesmal das Wort an Team Rokko. Das würdigt in seinem aktuellen Abenteuer einen Meilenstein des phantastischen Kinos und seinen Schöpfer: George A. Romero und seine "Night of the Living Dead", die vergangenes Jahr ihren 40. Jahrestag feierte.
27.03.2009
1. Sie kommen und werden dich holen, Barbara!
(Aus: "Night of the Living Dead", dt. "Die Nacht der lebenden Toten")
2. 1968 war alles anders. In Paris prügelten sich linke Studenten aus der Mittelschicht mit der Polizei, in Deutschland gründete man versiffte Kommunen mit oder ohne Uschi Obermeier, in Österreich erlebte die lokale Weltrevolution im urin-, scheiße- und spermagetränkten Uni-Happening "Kunst und Revolution" ihre spannende Viertelstunde und in Übersee, sprich USA, hatte die psychedelisch angetriebene Hippie-Bewegung ihren Zenit längst überschritten - beziehungsweise war ein Jahr zuvor, in Haight Ashbury, von den Protagonisten der ersten Stunde zu Grabe getragen worden.
Love & Peace hatten ausgedient, auch wenn das bald folgende Woodstock-Schlammbad so tun sollte, als bestünde die Welt nach wie vor aus Friede, Freude, Eierkuchen und unverschnittenen Drogen. Stattdessen war der zu Beginn mit friedlichen Mitteln geführte Kampf der Bürgerrechtsbewegung um Gleichbehandlung von Weiß und Schwarz in einen zum Teil bewaffneten Kampf umgeschlagen, der eine ganze Nation nachhaltig verunsicherte und zumindest für ein Jahrzehnt spalten sollte. Black Panther-"Nigger" an der Seite der Yippies (also zumeist akademisch sozialisierter und radikalisierter Ex-Hippies mit Waffen) forderten "das Establishment" an der Heimatfront heraus, während "America´s Best", also die tapferen Jungs in Vietnam, für den American Way of Life und das Recht auf ein sauberes globales Suburbia-Glück mit weißem Zaun, lachenden Kinderaugen, glücklichen Hunderln, armed response und ohne störende Kommunistenschweine den Schlitzaugen die Schädel wegpusteten oder selbst erschossen, erstochen, gehäutet oder wenigstens traumatisiert wurden.
Der Rest der Bevölkerung ging einkaufen, sah fern oder - vor allem das jüngere Segment - besuchte das Autokino, um sich dort Western, Krimis oder Horrorfilme anzusehen, allesamt B-Produktionen und allesamt ein geeignetes Intro zum zumeist alkoholumflorten heavy petting im väterlichen oder bei guter beruflicher Führung eigenen Auto, um endlich einmal richtig zur Sache zu kommen und das zu tun, was Doris Day niemals getan hätte.
3. In diesen provinziellen Autokinos wurde er auch das erste Mal gezeigt: Night of the Living Dead!
4. Und danach war tatsächlich alles anders.
5. Die Erfolgsgeschichte dessen, was man heute unter "Zombiefilm" versteht, begann in diesem mythenumwobenen Jahr 1968: Untote, die in ein filmisches Universum hineinplatzten, das zum damaligen Zeitpunkt mit der umgebenden Welt nicht mehr sehr viel zu tun hatte und einer längst nicht mehr funktionierenden Traumfabrik nachtrauerte. Untote, die auch in unseren Tagen lebendiger sind als je zuvor und sich - im Gegensatz zu den meisten Alt-68ern - beim langen Marsch durch die Institutionen nicht von diesen vereinnahmen ließen, sondern ihrer Mission treu blieben: töten, fressen und keine Gefangenen machen. Und absolut untherapierbar sein.
6.Wenn in der Hölle kein Platz mehr ist, wandeln die Toten auf Erden.
(Aus: "Dawn of the Dead", dt. "Zombie")
7. In zum Teil wackeligen, semi-dokumentarisch wirkenden Schwarzweißbildern werden wir, die Zuseher, Zeugen einer Belagerung: Tote stehen wieder auf und machen mit schlurfenden, ungelenken Bewegungen Jagd auf die Lebenden. Konsequent aus der Sicht einer jungen Frau und in weiterer Folge eines jungen Schwarzen erzählt, zeigt der Film einen gesellschaftlichen Mikrokosmos der Eingeschlossenen in einem abgelegenen Einfamilienhaus: die Kleinfamilie mit Tochter, das Pärchen, die Frau, der Mann. Vor dem Haus formieren sich die lebenden Toten, um die tatsächlich Lebenden zu fressen. Und: Ein einziger Biß reicht, um selbst zum Zombie zu werden.
Warum sie das tun, ja, warum sie überhaupt als Untote wiedergekommen sind, bleibt ein Rätsel. Fernsehen und Radio geben im Film, so sie überhaupt funktionieren, nur unbefriedigende Antworten. Einmal ist von einem Meteoriteneinschlag die Rede, dann wiederum von "Strahlen". Doch letztendlich ist es gleichgültig. Keine Strafe eines rächenden Gottes, keine theologisch oder gar esoterisch verbrämten Botschaften, die uns ein religiös motivierter Filmemacher um die Ohren hauen will: Der Regisseur George A. Romero gewährt uns keine Erklärungen, weder in seiner "Nacht der lebenden Toten" noch in seinen weiteren, mittlerweile auf die Zahl fünf angewachsenen Zombiefilmen. Er zeigt nur das letzte Mittel, das die (noch) Überlebenden unter Umständen besitzen: "Du mußt sie in den Kopf schießen!"
Dies stellt (neben der vollständigen Zerstörung des Zombie-Körpers durch Feuer) die einzige Möglichkeit dar, sie, die Verstorbenen, endgültig zu töten. Und ist letztendlich die einzige Chance, sich selbst dieser grotesken Wiedergeburt, die keine ist, zu entziehen: der Selbstmord beziehungsweise die Sterbehilfe durch andere mittels eines gezielten Kopfschusses! Keine Erlösung und auf gar keinen Fall eine wie auch immer geartete Auferstehung harrt der Protagonisten, ja der gesamten Menschheit: Ein nachhaltiger Tod bleibt die einzige Hoffnung.
Doch auch der lebende Teil der Menschheit außerhalb des Hauses der Eingeschlossenen schläft nicht. Marodierende Vigilanten, Supersheriffs von eigenen Gnaden beziehungsweise denen der American Rifle Association, dürfen jetzt, nachdem Staat und Regierung völlig überfordert - out of order - sind, endlich so richtig vom Leder ziehen und auf alles ballern, was sich ihrer Meinung nach verdächtig bewegt. Und wenn dabei auch einmal ein Lebender getroffen wird: Kollateralschaden, was soll´s!
Und Romero zeigt die Gewalt: die der kannibalistischen Zombies, der Kinder, die ihre Eltern fressen, aber auch die der "anständigen" Bürgerwehren, die zur persönlichen Unterhaltung gehängte Zombies als zappelnde Zielscheiben benutzen. Doch im Gegensatz zu vielen seiner Epigonen ist Gewalt bei Romero immer dramaturgisch integriert und stellt keinen über den Plot gestülpten filmischen Bonus-Kick dar. Und auch die gesellschaftlichen und politischen Implikationen liegen bei Romero auf der Hand (obwohl er sie nie im Zentrum seines Schaffens sah): Die Art und Weise, wie eine mit der dünnen Tünche der Zivilisation überzogene, hochentwickelte Gesellschaft auf die Herausforderung durch die "lebenden Toten" reagiert, läßt den Schluß zu, daß sie nicht viel Mitleid verdient hat, ja, daß die gesamte Menschheit letztendlich an sich selbst gescheitert ist. Die "Monster" stammen nicht aus düster umwölkten Schlössern in den Karpaten oder pittoresken Forschungslabors verblendeter Wissenschaftler.
"Sie sind wir, mehr nicht!" meint einer der Überlebenden in Romeros Jahre später produzierter, apokalyptischer Fortsetzung zu "Night of the Living Dead", Dawn of the Dead, auf die Frage, wer oder was die "Dinger" wären.
Sie sind wir. Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen.
Doch trotz all der geschichtlichen und politischen Zitate, die Romero immer wieder anbietet, ist "Night of the Living Dead" auch eines: eine Blaupause für Kommendes, für den Zombiefilm schlechthin. Zugleich kreierte der Film im Laufe der vergangenen 40 Jahre seine eigene Geschichte. Aus Filmhistorie und Popkultur ist er nicht mehr wegzudenken - er ist wahr geworden: wie Donald Duck, Elvis Presley oder H. P. Lovecrafts kosmisches Grauen.
Aber wer oder was ist eigentlich dieser Romero?
8. George A. Romero, geboren am 14. Februar 1939, wuchs im New Yorker Stadtteil Bronx auf. Er besuchte eine katholische Schule und wurde, auch im Elternhaus, streng katholisch erzogen. Im Alter von 14 Jahren begann er mit einer Schmalfilmkamera Filme zu drehen und wurde im Zuge von Dreharbeiten auch einmal festgenommen, als er - nicht unbedingt zum Gaudium der Nachbarn - eine brennende Puppe von einem Hausdach warf. Nichtsdestoweniger gewann er einen Future Scientists of America Award für eine Dokumentation über Geologie, die er im Rahmen eines High-School-Projekts erstellt hatte.
Ein Studium im Fach Kunst und Design an der Carnegie Mellon University machte einen Ortswechsel nach Pittsburgh notwendig, wo er auch heute noch lebt. Nach drei Jahren wechselte er zum Studienfach Theaterwissenschaft, das er allerdings bald darauf abbrach. Über Wasser hielt er sich in jenen Tagen unter anderem als Hilfskraft bei der Produktion von Nachrichtenbeiträgen. 1961 gründete er mit einigen Freunden die Produktionsgesellschaft The Latent Image, mit der er zunächst Werbespots und Schulfilme drehte.
Sein erster Spielfilm, der Horrorfilm "The Night of the Living Dead", entstand in der Umgebung von Pittsburgh mit befreundeten Darstellern, zum Teil Laien, um - rückblickend gesehen - lächerliche 114.000 Dollar. Teure Effekte gab es nicht: Als Blut mußte Bosco Chocolate Syrup herhalten. Zum Zeitpunkt seines flackernden Erscheinens auf den Provinzleinwänden der USA von der vereinigten Kritikerzunft entweder geflissentlich übersehen oder als Schmuddelfilm gebrandmarkt (und damit in eine Reihe mit Pornographie gestellt), bot der Streifen seinem Publikum heftige Kost: kein Happy-End, kannibalistische Gewalt in Close-ups und eine Weltsicht, wie sie pessimistischer nicht sein könnte. Dennoch avancierte er rasch zum Geheimtip. "Night of the Living Dead" hatte mit seiner impliziten Thematisierung des Vietnamkriegs, von Rassismus und der alltäglichen Gewalt(-bereitschaft) der westlichen Welt offenbar genau den Nerv der Zeit getroffen. Vergleichbar mit dem, was "Deep Throat" (USA 1972) einige Jahre später für den Pornofilm erreichte, nämlich mittels eines politisch relevanten Subtexts ein wohlwollendes urbanes Mainstream-Publikum zu interessieren und zu begeistern, wurde es plötzlich auch im Bereich des Horrorfilms schick, sich in gebildet-liberalem Umfeld als Kenner von Zombiefilmen zu zeigen. Dies gipfelte Jahre später in der Aufnahme einer Kopie von "Night" in die Sammlung des New York Museum of Modern Art.
Auch seinen folgenden Filmen The Crazies (USA 1973) und Martin (USA 1977) lag eine relativ subtile gesellschaftskritische Message zugrunde - Kassenerfolge sahen allerdings anders aus. Erst als sich George A. Romero wieder mit den Zombies beschäftigte, stellte sich der Erfolg ein: Mit "Dawn of the Dead" schuf er 1978 einen Film, der heute als genuiner Klassiker anerkannt wird. Wieder spielt er mit dem Bild des Eingeschlossenseins, diesmal mit vier Menschen in einem aufgegebenen Einkaufszentrum, die sich vor den die Welt überlaufenden Zombie-Horden dorthin geflüchtet haben. Doch nicht nur die Zombies gilt es zu bekämpfen ...
Mit Dario Argento an seiner Seite schuf Romero den Horror/Splatter-Film der siebziger Jahre. Gleichgültig, welche Version man sieht (der Argento-Cut ist vor allem, was den Soundtrack betrifft, unglaublich laut!) - hier hilft kein Exorzist, der das Omen richtig zu deuten weiß, hier liefert uns Romero ein im wahrsten Sinne des Wortes von allen guten Geistern verlassenes apokalyptisches Szenario, das in der melancholisch anmutenden Surrogatwelt einer Shopping-Mall die adäquate Bühne vorgefunden hat.
Das alles half allerdings nichts gegen die zeitweilige Beschlagnahmung des Films "aufgrund exzessiver Gewaltdarstellungen". Speziell die deutsche FSK, die "Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft" (die hübscheste Umschreibung seit Erfindung der Zensur) war da federführend, was zu völlig verstümmelten Kopien einerseits und Indizierung andererseits führte. Eine Geschichte der Gewalt am Film würde in der Zwischenzeit wohl schon Bände füllen, die über die "Schnittparade" formidabler Gazetten wie "Splatting Image" weit hinausgingen.
1985 brachte Romero allen Widrigkeiten zum Trotz den dritten Teil seiner Zombie-Reihe heraus: Da er von den Investoren die Auflage erhalten hatte, diesmal auf explizite Gewaltdarstellungen zu verzichten, um das gewünschte R-Rating zu erreichen, und er den Investoren daraufhin was pfiff, bekam er nur die Hälfte des ursprünglich vereinbarten Kapitals zur Verfügung gestellt, was dem Film Day of the Dead (dt. "Zombie 2") leider auch anzumerken ist. Doch trotz der offensichtlichen Einsparungen bezüglich der production values haben wir es mit einer durchaus würdigen Fortsetzung zu tun: Die Erde ist von den Zombies überlaufen - nur einige wenige Überlebende haben sich in zum Teil unterirdische Bunker zurückgezogen. Ein Wissenschaftler erkennt, daß in manchen der lebenden Toten rudimentäre Erinnerungsfetzen an ihr früheres Leben vorhanden sind, und versucht, eine Art verzweifelter Koexistenz zwischen Menschen und Zombies zumindest anzudenken, was aber von einer militärischen Einheit - wieder einmal - zunichte gemacht wird. Die Idee, daß Zombies über eine - wenn auch völlig zerbrochene - Gedankenwelt verfügen, sollte Romero (nach Jahren der relativen Erfolglosigkeit, sieht man von der TV-Serie "Tales from the Darkside" ab) 2004 in seiner vierten Zombie-Story, Land of the Dead, weiterspinnen. Was wäre, wenn es manche unter ihnen gäbe, die sich tatsächlich als lernfähig erwiesen? Kein angenehmer Gedanke für Asia Argento und ihre Mitstreiter in diesem konventionell inszenierten, aber dennoch gelungenen Streifen ...
2008 dürfen wir seinen bisher letzten Eintrag in die Welt der lebenden Toten erwarten: Diary of the Dead, eine Fake-Dokumentation über die Dreharbeiten von "Night of the Living Dead". (Anm. d. EVOLVER-Red.: Mittlerweile arbeitet er an einer weiteren Fortsetzung namens "... of the Dead".) Der Kreis schließt sich: George A. Romero, der übrigens seit 1981 glücklich mit seiner Frau Christine verheiratet ist und mit ihr auch drei Kinder hat, ist im Film dem Mythos treugeblieben, den er selbst geschaffen hat.
Obwohl: Zombies im Film gab´s an sich schon früher. Und Splatter, zumindest in homöopathischen Dosen, auch.
Allerdings halt anders ...
9. Die ersten Film-Zombies erblickten 1932 in Victor Halperins White Zombie das fahle Licht der Zelluloidwelt, mit Bela Lugosi in der sinistren Hauptrolle eines klassischen mad scientist. Rund zehn Jahre später, nämlich 1943, folgte Jacques Tourneurs schwüles I Walked with a Zombie. Doch in beiden Filmen haben wir es mit dem traditionellen Voodoo-Zombie zu tun, also mit jemandem, der - mittels geheimnisvoller Tinkturen - von einem Voodoo-Priester in einen Zustand des Scheintods versetzt wird, um nach der Wiedererweckung, seines Denkens und bewußten Handelns beraubt, einer weiteren Person (dem Auftraggeber der schändlichen Tat) gleichsam als lebender Toter zu Willen zu sein.
Geht all dies auf tatsächlich vorhandene, vor allem auf Haiti lokalisierbare Legenden und Berichte zurück, so entspringen die Romero-Zombies keiner wie auch immer gearteten Überlieferung. Der moderne Zombie, der im Jahre ´68 sein Coming-out feierte, braucht keine Begründung (schon gar keine religiös ummantelte) mehr, um zurückzukehren und uns das Leben schwer zu machen oder gleich radikal zu verkürzen. Formal gab es da schon mehr Ähnlichkeiten: der schlurfende Gang, der leere Blick der lebenden Toten - vor allem "White Zombie" überrascht rückblickend mit Settings, bei denen der Verdacht naheliegt, daß Romero sie zumindest gekannt haben muß.
Auch Splatter gab es schon vor Romero. Der Pionier auf diesem Gebiet, Herschell Gordon Lewis, brachte 1963 mit Blood Feast und ein Jahr später mit Two Thousand Maniacs! billigst gemachte und höchst effiziente Lehrstücke in Sachen lustvollen, leinwandfüllenden Abtrennens verschiedenster Körperteile und Herauszerrens innerer Organe ins Autokino. Seine Exploitation-Kleinode hatten jedoch mehr mit einer burlesken Nummernrevue gemein als mit einer dramaturgisch schlüssigen Story. Gesplattert wurde eigentlich neben der Handlung - oder, besser gesagt, dazwischen (was dem Vergnügen keinerlei Abbruch tut). Bei Romero hingegen ist die Gewalt (ähnlich wie bei den gleichzeitig die Kinos erobernden Spätwestern von Sam Peckinpah) ursächlich notwendiger Bestandteil des Films.
Auch das war etwas, was Romeros Epigonen in den Siebzigern und Achtzigern zumeist relativ gleichgültig war.
10. Romeros Zombies hatten eingeschlagen - und zwar nachhaltig. Es dauerte nicht lange, bis die ersten Nachahmer auf den Plan traten. Stellten im Spanien der siebziger Jahre in La Noche del Terror Ciego (dt. "Die Nacht der reitenden Leichen", 1972) und den Folgefilmen die "reitenden Leichen" von Armando de Ossorio eine mögliche Antwort dar, so sollte in Italien der Regisseur Lucio Fulci zum Zombie-Übervater der 70er und frühen 80er Jahre heranreifen. Mit Zombi (!) 2 (dt. "Woodoo - Schreckensinsel der Zombies", 1979), Paura Nella Cittá die Morti Viventi (dt. "Ein Zombie hing am Glockenseil" alias "Ein Priester hing am Glockenseil", 1980) oder dem zum Teil surrealistisch anmutenden L´Aldilá (dt. "Geisterstadt der Zombies" alias "Über dem Jenseits", 1981) legte Fulci die so ziemlich brutalsten und in Sachen forcierter Grausamkeit originellsten Streifen vor. Wer je in den Genuß einer Uncut-Version von Zombi 2 gelangt ist und sich die Szene vergegenwärtigt, in der ein Zombie einer jungen Frau einen sehr langen Holzspan in Auge rammt, der weiß, wovon ich rede ...
Atmosphärisch dicht und visuell gleichzeitig holprig bis meisterhaft in ihrer Wirkung (jedenfalls im Vergleich mit der CGI-Leere unserer Tage), unter Einbeziehung jeder Menge Latex und echter (Tier-)Eingeweide, die die Damen und Herren Schauspieler mitunter auch zu schlucken hatten, um sie zum richtigen Zeitpunkt auskotzen zu dürfen, setzten Fulci-Filme durchaus Maßstäbe. Inhaltlich sah es da etwas anders aus: Die Zombies seiner Filme kamen nicht, wie bei Romero, einfach so zurück. Auch lag ihnen (und Fulci) jeglicher implizite gesellschaftspolitische Kommentar fern. Die Aufhänger waren meist diverse Flüche, Magie, Zauberei, oder, wie in "L´Aldilá", die Tatsache, daß ein Hotel über einem der sieben Tore zur Hölle errichtet worden war (was wieder einmal beweist, daß heute wirklich überall gebaut werden darf). Das änderte aber nur in den seltensten Fällen etwas am Endergebnis: Die Menschheit stand wieder einmal am Abgrund, beziehungsweise war jenen berühmten Schritt weiter.
Auch Wes "Scream" Craven setzte in den Achtzigern mit seinem leider sträflich unterschätzten Voodoo-Zombie-Thriller The Serpent and the Rainbow (dt. "Die Schlange im Regenbogen", 1988) nach, der - durchaus gelungen - die pittoreske Mystik der Vorlage mit der politischen Realität Haitis zusammenführte.
Auch die ersten Parodien ließen nicht lange auf sich warten: Mit Return of the Living Dead (dt. "Die Rückkehr der lebenden Toten", 1985) mit der Scream-Queen der Achtziger, Linnea Quigley, in der markerschütternden Hauptrolle legte US-Regisseur Dan O´Bannon eine wunderschöne, schwarzhumorige und zitierfreudige Hommage an die Romero-Zombies vor.
Und sogar in Österreich gab´s Zombies: Allerdings hießen sie in unseren Landen "Zabbadoings" und hatten ihren ersten und einzigen Auftritt in Carl Andersens Underground-Trash-Porno-Horror-Filmchen I Was a Teenage Zabbadoing Anfang der Neunziger. Der Unterschied zum handelsüblichen Zombie lag in der schlichten Tatsache, daß Zabbadoings nicht nur gefräßig, sondern auch dauergeil waren, was die Handlung wesentlich bereicherte.
11. Ansonsten verliefen die 90er Jahre, auf der Leinwand betrachtet, im großen und ganzen ziemlich zombiefrei. Die adeligen Emo-Vampire à la Anne Rice hatten Hochsaison; für die schmatzenden Zombie-Proleten war in dieser Welt toskanischer Rotwein-Connaisseure kein Platz mehr, sieht man von der damals gutsortierten Vororte-Videothek einmal ab. So wanderten die Horden der lebenden Toten in Computer-Games (Resident Evil) oder Comics (herausragend: The Walking Dead oder die wunderbare italienische Dylan Dog-Reihe) ab.
Doch auch hier mag gelten: keine Regel ohne Ausnahme!
Einer der letzten (und besten) Einträge dessen, was man in den Siebzigern und Achtzigern dank Regisseuren wie Mario Bava, Dario Argento oder Lucio Fulci ehrfurchtsvoll als Italo-Horror bezeichnet hat, bot zugleich einen der poetischsten (!) Zombiefilme aller Zeiten. In Dellamorte Dellamore (dt. "Cemetary Man", 1994) des gelehrigen Argento-Schülers Michele Soavi erleben wir mit Rupert Everett als Friedhofswächter Dellamorte im idyllisch gelegenen italienischen Ort Buffalora eine Liebesgeschichte, die über den Tod weit hinausgeht, und zwar mit allem, was zu einer guten Lovestory gehört: dunkle Romantik, Sex in Gebeinhäusern, ein Friedhof voller Zombies in spe und fachmännisch abgetrennte Köpfe (und das alles zugleich).
12. Im 21. Jahrhundert meldeten sich die Filmzombies wieder lautstark zurück: In Danny Boyles 28 Days Later (GB 2002) sorgt ein Virus für eine rasche Zombifizierung der großen Städte, in Zack Snyders Remake von Dawn of the Dead (USA 2004) wird wieder um die Mall gerauft - und in Edgar Wrights Shaun of the Dead (GB 2004) verteidigen britische lads ihr Lieblings-Pub. Neu ist: Die Zombies von hier und heute haben ihren schlurfenden Gang aufgegeben und legen ein nicht unbeträchtliches Tempo vor, was ein Entkommen noch schwieriger erscheinen läßt. Die globalisierte Zunahme von Geschwindigkeit macht halt nicht einmal vor den lebenden Toten halt - früher (in der guten alten Zeit) war sogar das Zombie-Dasein irgendwie gemütlicher. "Speed kills!" schreit uns da der Subtext entgegen - oder "It´s the economy, stupid!"
Willkommen also in der Nacht der lebenden Toten! Und: Happy Birthday zum 40er ... irgendwie!
13.Dies war der Berichterstatter aus Saigon, entschuldigen Sie, aus Washington!
Die im Text erwähnten Streifen in alphabetischer Reihenfolge
"28 Days Later" (GB 2002). R: Danny Boyle. D: Alex Palmer, Cillian Murphy u. a.
"L´Aldilá" (Italien 1981). R: Lucio Fulci. D: Katherine McColl, David Warbeck u. a.
"Blood Feast" (USA 1963). R: Herschell Gordon Lewis. D: William Kerwin, Mal Arnold u. a.
"The Crazies" (USA 1973). R: George A. Romero. D: Lane Carroll, Will MacMillan u. a.
"Dawn of the Dead" (USA 1978). R: George A. Romero. D: David Emge, Ken Foree u. a.
"Day of the Dead" (USA 1985). R: George A. Romero. D: Lori Cardille, Terry Alexander u. a.
"Dawn of the Dead" (USA 2004). R: Zack Snyder. D: Sarah Polley, Ving Rhames u. a.
"Deep Throat" (USA 1972). R: Gerard Damiano. D: Linda Lovelace, Harry Reems u. a.
"Dellamorte Dellamore" (Italien 1994). R: Michele Soavi. D: Rupert Everett, Anna Falchi u. a.
"Diary of the Dead" (USA 2007). R: George A. Romero. D: Joshua Close, Scott Wentworth u. a.
"I Walked With a Zombie" (USA 1943). R: Jacques Tourneur. D: James Ellison, Frances Dee u. a.
"I Was a Teenage Zabbadoing" (Österreich Anfang 90er). R: Carl Andersen. D: Carl Andersen u. a. [Sollte jemand der Lesenden eine Kopie dieses Films sein eigen nennen, bitte bei der Redaktion melden! Danke!]
"Land of the Dead" (USA 2005). R: George A. Romero. D: Asia Argento, Dennis Hopper u. a.
"Martin" (USA 1977). R. George A. Romero. D: John Amplas, Lincoln Maazel u. a.
"Night of the Living Dead" (USA 1968). R. George A. Romero. D: Duane Jones, Judith O´Dea u. a.
"Night of the Living Dead" (USA 1990). R: Tom Savini. D: Tony Todd, Patricia Tallman u. a. Remake.
"La Noche Del Terror Ciego" (Spanien 1972). R: Armando de Ossorio. D: Lone Fleming, Cesar Burner u. a.
"Paura Nella Cittá Morti Viventi" (Italien 1980). R: Lucio Fulci. D: Christopher George, Katherine McColl u. a.
"Return of the Living Dead" (USA 1985). R: Dan O´Bannon. D: Linnea Quigley, James Karen u. a.
"The Serpent and the Rainbow" (USA 1988). R: Wes Craven. D: Bill Pullman, Cathy Tyson u. a.
"Shaun of the Dead" (GB 2004). R: Edgar Wright. D: Simon Pegg, Kate Ashfield u. a.
"Two Thousand Maniacs!" (USA 1964). R: Herschell Gordon Lewis. D: William Kerwin, Connie Mason u. a.
"White Zombie" (USA 1932). R: Victor Helperin. D: Bela Lugosi, Madge Bellamy u. a.
"Zombi 2" (Italien 1979). R: Lucio Fulci. D: Tisa Farrow, Ian McCulloch u. a.
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