Stories_Nachruf: Michael Jackson

Wiedersehen in Neverland

Er war bekannter als Jesus und ein "verdammtes Genie". Jetzt ist der King of Pop mit noch nicht einmal 51 Jahren tot. Möge er in Frieden ruhen.    26.06.2009

Daß Michael Jackson tot ist, war für uns Außenstehende nicht zu erwarten. Außerhalb von L. A., wo er sich nach seinem produktiven Aufenthalt in Dublin zurückgezogen hatte, nahm man den King of Pop nämlich kaum bis gar nicht mehr wahr. Dieses Verschwinden aus dem Blickwinkel ist auch der Grund für die Wucht, mit der die Nachricht uns alle traf. Dabei ist das Ableben mit knapp 51 Jahren die logische Konsequenz seines Lebens. Eigentlich - und das muß an dieser Stelle betont werden - war Jackson eine arme Sau. Um das festzustellen, muß niemand in den Skandalen um Neverland, kleine Kinder oder Kuscheltiere herumwühlen. Auch der Hobbypsychologe kann getrost außen vor bleiben.

Michael Jackson war ein verdammtes Genie, mit der Betonung auf "verdammt". Sein unfaßbares Talent hat Vater Joseph früh entdeckt und schon gnadenlos ausgebeutet, als er im "Matchbox"-Alter war. Auch weil das Geld, das Joseph als Kranfahrer verdiente, nicht reichte, um zehn Kinder mehr als nur "durchzubringen", sorgte er dafür, daß die Söhne Jackie, Jermaine, Marlon, Tito und Klein-Michael als Jackson 5 berühmter wurden als Jesus. Bei der Gründung des Mini-Kinderchors im Jahre 1965 war Michael gerade mal sieben Jahre alt - und doch war er der Begnadetste und Talentierteste von allen. Mit Drill und harten Strafen sorgte Vater Jackson zum einen dafür, daß Michael sich explosionsartig entwickelte, zum anderen beendete er Michaels Kindheit abrupt. Dieser Umstand erklärt ziemlich viele der Eigenheiten des älteren, aber wohl nie erwachsen gewordenen Michael. So perfide das heute klingen mag: Wir verdanken Jackos altem Herrn und dem durchaus auch als Ausbeuter bekannten Motown-Boß Barry Gordy einige der schönsten Soul-Songs, die je aufgenommen wurden, etwa "The Love You Save", "I´ll Be There", "Doctor My Eyes" oder "I Want You Back". Gordy hat das Potential erkannt und ausgeschöpft, Michael wurde im zarten Alter von zehn Jahren nach Stevie Wonder schon der zweite Kinder-Superstar der Detroiter Hitfabrik.

Was dann kam, ist allgemein bekannt: Mit 13 Jahren hatte Michael seinen ersten Solohit mit "Got To Be There Maria". Viele weitere folgen, aber er blieb bis in die 80er Jahre hinein Teil des Familienkollektivs. Die letzten Sprossen zum absoluten Megastar erklomm er ab 1979. In diesem Jahr erschien das funkige Hitalbum "Off The Wall", das zur Blaupause für das wurde, was kommen sollte - für "Thriller". Dieses sechste Soloalbum wurde - wie "Off The Wall" - wieder vom Jazz- und Soundtrack-Guru Quincy Jones produziert. Es erschien am 1. Dezember des Jahres 1982 und veränderte die Pop-Welt nachhaltig. Nebenbei wurde es mit bislang rund 60 Millionen Stück zum meistverkauften Album aller Zeiten, wenn man den "Greatest Hits"-Sampler der Eagles ignoriert. Die Fakten sind immer noch einmalig: 37 Wochen stand "Thriller" an der Spitze der US-Charts, sieben der insgesamt neun Tracks des Albums marschierten als Single-Auskopplungen in die Top Ten - "This Girl Is Mine", "Billie Jean", "Beat It", "Wanna Be Startin´ Somethin´", "Human Nature", "P.Y.T. (Pretty Young Thing)" und "Thriller".

"Thriller" war und ist gigantisch groß - und genau das wurde zu Jacksons Verhängnis. Obwohl die Nachfolgealben megaerfolgreich waren und sich auch sehr ordentlich anhörten, maß ihn jeder an diesem absoluten Geniestreich. Wahrscheinlich wollte er selber ebenfalls immer an diese übermächtige Vorgabe herankommen. Er könnte an diesem vermeintlichen Scheitern auf höchstem Niveau endgültig zerbrochen sein. Auch deshalb wäre es sehr interessant, das von Will.i.am (Black Eyed Peas) produzierte Comeback-Album zu hören. Hoffentlich hat er damit Frieden mit "Thriller" und seinem Leben geschlossen ...

PS: Lesen Sie auch, was ZIB21-Kollege Eberhard Lauth zu Jacksons Ableben zu sagen hat.

Redaktioneller Hinweis: Lesen Sie auch Manfred Preschers E-Book für die Ewigkeit: Verdammtes Miststück! Die ersten 200 Pop-Kolumnen aus dem EVOLVER

Manfred Prescher