Stories_Compart-Fortsetzungskrimi #2
Die Lucifer-Connection #2
Vor acht Jahren veröffentlichte Martin Compart seinen ersten Roman "Der Sodom-Kontrakt" rund um den Privatdetektiv und Ex-Söldner Gill. Das Sequel zum "politisch inkorrekten Anti-EU-Thriller" gibt´s ab sofort exklusiv im EVOLVER. "Die Lucifer-Connection" handelt von verschwundenen Katzen und okkulten Menschenopfern - von Dortmund über Sierra Leone und London bis Wien. Schnallen Sie sich an!
04.09.2009
Während andere Ferien machen, beglückt der EVOLVER seine Leser mit einem wahren Noir-Schatz. Martin Comparts neuer Roman "Die Lucifer-Connection" erscheint ab jetzt und in kurzen, konsumentenfreundlichen Abständen als Fortsetzungskrimi auf unseren Web-Seiten.
In Kapitel 1 (zu finden hier) kriegt Privatdetektiv Gill den Auftrag, eine verschwundene Katze zu suchen. Diesmal aber kommt die "richtige" Polizei zum Einsatz - in Gestalt des abgeklärten Ermittlers Domogalla, der seinen freien Tag in Ruhe in diversen Stammkneipen verbringen will. Aber erstens kommt es anders ...
Domogalla stand mitten im Bermuda-Viereck von Witten. Hier waren mehr Schicksale versenkt worden als Schiffe in der Karibik. Die Straßenkreuzung war aufgerissen, um Kanalisationsröhren zu verlegen. Das war zwar nicht nötig, brachte aber einigen Unternehmen einen Batzen Geld. Domogalla hatte einen dienstfreien Tag und überlegte, wo er ihn versaufen könnte. Unten rechts, vor der Kirche, war das "Old House". Ein paar Schritte weiter links die "Marktschänke", aus Tradition Wittens schlimmste Absturzkneipe. Da ging man besser erst später hin. Nüchtern unter Zugeknallten machte wenig Freude. Die Hochburgen Wittener Ruchlosigkeit, funkelnde Diamanten in der Jauchegrube des Lebens.
Er drehte sich um. Oben rechts war "Bei Ulla", schräg gegenüber die "Alte Zeit". Die Wahrscheinlichkeit, um diese Uhrzeit hier auf Lutz zu treffen, war leider nicht gering. Domogalla wollte Lutz auf keinen Fall treffen. Seitdem der aus dem Krankenhaus raus war, nervte er die zivilisierte Welt mit seiner Leidensgeschichte. Er hatte Blasen- oder Gallensteine oder irgendsowas Ekliges. Egal. Trotzdem riskierte Domogalla "Bei Ulla".
Als anständiger Polizist mußte er dort nicht bezahlen. Er soff auf Deckel, und Ulla mußte sie dann wegschmeißen. Dafür gab es aber auch den unbezahlbaren Schutz durch Domogalla und seine Freunde von der Exekutive. Er setzte seinen schweren Körper in Bewegung. Domogalla war groß, hatte einen unglaublichen Brustumfang und war gebaut wie ein Block. Und er war heute schlecht drauf. Der Job machte ihn mürbe - nach fast zwanzig Jahren. Keiner hatte mehr angemessenen Respekt vor der Polizei. Und er hatte eine blöde Fußballwette gegen Igel verloren. Für einen Schalke-Fan, der nach Dortmund versetzt worden war, gab es immer Ärger oder Spott. Er schlenderte an der Baustelle vorbei durch einen schmalen Durchgang, eingegrenzt von einem Türkenladen und dem Bretterverhau. Der Türkenladen machte ihn erst recht sauer. Hier war früher das "Café Annette" gewesen, sein bevorzugter Aufenthaltsort bei Schulstunden, deren Niveau ihm nicht zugesagt hatte. Stundenlang wurde dort und in der Milchbar über dem Hallenbad Skat gekloppt. Die ewige Skatrunde der Schulschwänzer. Scheiße, das Hallenbad mit seiner wunderbaren Fünfziger-Architektur hatten sie auch abgerissen - um noch ein geschmackloses Altersheim hinzuknallen, das sich sowieso kaum ein alter Wichser leisten konnte.
Diese Stadt war einmal richtig nett gewesen. Nicht wirklich schön, aber mit idyllischen Plätzen und einem angenehmen Zentrum. Aber die letzten Jahrzehnte mit einem verdächtig wohlhabenden Bürgermeister, der Posten gesammelt hatte wie Onkel Dagobert Taler, hatten sich absolut ruinös ausgewirkt. Ungebildete Planer ohne das geringste ästhetische Empfinden hatten Witten zum typischen Ruhrpott-Slum umgestaltet. Der Verfall dehnte sich aus wie Schimmelpilz. Eine verlorene Stadt, fast verlassen und voller Leere. Die Menschen in den Mietshäusern lebten in einem bedeutungslosen Kreislauf. Sie wurden geboren, kämpften ums Überleben, wurden müde und starben. Das Selbstvertrauen der Stadt war zutiefst erschüttert. Dabei floß natürlich immer reichlich Geld. Lange vor der Ausrede von der Globalisierung hatte man den Mittelstand plattgemacht, Fußgängerzonen ohne jede Identität hineingeklatscht, schöne Häuser abgerissen, um Schrottbauten zu errichten, die schon beim Hochziehen vom Verfall bedroht waren. Einige wenige hatten sich bei all diesen Projekten auf Kosten der Allgemeinheit bereichert. Das übliche Verbrecherkonzept der SPD in Nordrheinwestfalen, dem Bundesland, dem man Koryphäen wie Wolfgang Clement oder Bodo Hombach verdankte, dachte Domogalla wütend. Seine Laune tendierte mehr und mehr zum Nullpunkt.
***
"Alle in die Ruhr schmeißen", murmelte er vor sich hin, als er die Tür öffnete und die Kneipe betrat. Dabei zog er ein Gesicht, als käme er in eine Leprastation. Prima, Lutz war nicht da! Die Kneipe war ein Wartesaal für Leute ohne Zukunft und mit bemitleidenswerter Vergangenheit. Ein trockener Alkoholiker brauchte nur tief einzuatmen, um sofort wieder drauf zu sein. Keine Pflanze konnte diese Atmosphäre ohne seelische Schäden überleben. An einer Ecke des Tresens würfelten zwei Stammgäste mit einer angetrunkenen Blondine. Die kannte Domogalla noch nicht. Er musterte sie. Irgendwen mußte er heute noch abführen und mit Handschellen ans Bett fesseln. Mal sehen. An der langen Seite des L-förmigen Tresens lallten voll ausgebildete Trinker über künftige Herrlichkeit. An einem Tisch brabbelte ein Alkoholiker mit zugefallenen Augen auf eine Frau ein, die schon längst gegangen war. Domogalla bestellte ein Pils und rückte neben die Würfler und die Blondine mit dem hirnamputierten Blick. Er lauschte dem Sanskrit der Betrunkenen.
"Mach aus, mach ihn aus."
"Ich hab´ den schwarzen Gurt im Knobeln."
"Guck mal hier. Die laß ich stehen."
"Das läßt du stehen? Ich bitte dir!"
"Nicht zu fassen: Mit Schock verliert er."
"Wo hat sie das gelernt?"
"Hat mit Hütchenspielen angefangen."
"Mit der kannst du nicht spielen. Die metzelt alles nieder."
"Da stimmt doch was nicht! Schicken wir sie zum Dopingtest."
"Mußt du schon wieder pinkeln?"
"Der Alkohol gehört uns nie ganz. Wir mieten ihn nur."
"Ich war mal Meßdiener. Hatte gute Noten in der Schule. Bis ich vierzehn war und die Weiber entdeckte."
"Und den Alkohol."
"Nee, der Alkohol hat mich gerettet."
"Du solltest Sport treiben."
"Ich jogge jeden Abend von einer Kneipe zur anderen."
"Ich wußte nicht, was Glück bedeutet, bis ich geheiratet habe. Dann war es zu spät."
"Frauen haben auf der Kanzel nichts zu suchen. Auch nicht im Vatikan. Jesus hatte auch keine Frau."
"Er hatte auch kein kugelsicheres Auto."
"Keith Richards hat gesagt, er stirbt erst, wenn die Atombehörde einen sicheren Platz für die Endlagerung seiner Leber gefunden hat."
Die Tür ging auf, und zu Domogallas Entsetzen marschierte Lutz herein. Er hatte im Krankenhaus tatsächlich abgenommen. Über die Hamsterbäckchen grinsend brüllte er in die Kneipe: "Ihr seht ja aus wie frisch gefickte Eichhörnchen." Für einen Moment hielten alle mit ihrem sinnlosen Treiben inne und stöhnten zur Tür.
"Ich mußte gerade noch zur Nachuntersuchung", setzte er an und schob sich zwischen zwei verzweifelt dreinschauende Tresenbewohner, die sich in ihr Schicksal fügten, als der Kleine loslegte. Dank jahrzehntelangem Engagement an den Tresen der Welt hatte er sich Respekt und Autorität erwildert. Außerdem hatte ihm jeder hier schon oft genug mit eigenen Ehedramen oder anderen Behördenproblemen geschwollene Ohren gequatscht. Lutz faßte der Bedienung, die gerade Bier zapfte, an den Busen. Sie reagierte gelangweilt, aber schnell, und schlug ihm auf die Hand.
"Wie? Du schlägst die Hand, die dich füttert?"
Domogalla versuchte seine massige Figur hinterm Tresen zu tarnen. Bis Lutz reihum seine Story verbraten hatte und bei ihm landete, mußte er weg sein. Eigentlich haßte er dieses Kneipen-Machotum, das mit Freundschaft verwechselt wird. Es beschränkt sich auf das gegenseitige Spendieren schlechter Getränke, gemeinsame Puffbesuche und das Tieferlegen geschmackloser Mittelklasseautos.
"Die beste Krankheit taugt nichts", meinte eines von Lutz´ Opfern im Versuch, den Redeschwall kurz zu unterbrechen.
***
Wieder flog die Tür auf, und eine junge Frau von etwa achtzehn Jahren trat ein. Sie hatte hier mal bedient, konzentrierte sich aber jetzt auf eine Model-Karriere. Ihre Augen waren fast so dumm wie die von Claudia Schiffer, was sie wohl zu Hoffnungen veranlaßte. Sie war zu grell geschminkt, und ihr debiles Dauergrinsen hatte sich bereits in das junge Gesicht eingemeißelt. Seit Jahren wünschte sie sich zum Geburtstag Schönheitsoperationen, die den Rest rudimentärer Individualität ausradierten. Daß sie mit ihrer Körpergröße, zwei Hände höher als ein Dackel, für diesen Idiotenjob nicht geeignet war, sagte ihr keiner. Dumm wie sie war, stellte sie sich auch gleich neben den begeisterten Lutz.
"Haaiii, Lutzi. Ich komme gerade vom Posen am Beach und will noch etwas chillen, bevor ich mich morgen bei 'Germany´s Next Top Model' vorstelle. Und nächste Woche supporte ich einen Event."
"Das wird doch sowieso nichts", vergaß Lutz seinen Krankenreport. "Besser, du bläst mir einen. Dann kommt wenigstens mal Leben in deinen Schädel."
Die Hirnentkernte lachte hysterisch. "Dir einen blasen? Du bist mir viel zu mature."
"Du bist so klein, da kann ich mein Bier auf den Kopf abstellen, wenn du mir einen bläst. Wenn wir das als Public Viewing machen, wird das bestimmt ein Event."
Domogalla bestellte ein weiteres Bier, drehte sich vom Tresen weg und wollte sich diesen Scheiß nicht länger anhören. Er starrte auf die Wanduhr, die die vorüberziehenden Momente seines Lebens unbarmherzig ausradierte. Er überlegte, ob er seinen kranken Vater im Pflegeheim besuchen sollte, entschied sich aber dagegen. Meistens war der so weggetreten, daß er die Besuche gar nicht mitbekam. Es schmerzte ihn, den alten Mann so zu sehen. Bevor er sich in Wut trauern konnte, setzte sich ein fetter Mann neben ihn auf dem Barhocker. Er grinste. Sein Gesicht sah gleichzeitig nichtssagend, dumm und heimtückisch aus. Die Augenbrauen waren über der knorpeligen Nase zusammengewachsen.
"Wie geht´s denn, Herr Polizeipräsident?"
"Bin immer noch Kommissar, du Wichser."
"Das wird schon noch. Tu mal lieber was gegen die Feinde unserer Demokratie. Geh gegen die islamistischen Verbrecher vor!"
"Ich habe schon genug mit den christlichen Verbrechern zu tun."
Domogallas Handy klingelte. Er drückte dem Dicken seine mächtige Hand auf den Mund. "Ja? Igel ... Was willst du Penner? Ich baue Überstunden ab."
Am anderen Ende spulte sich das aufgeregte Frettchen auf. Igel war hörbar erregt. "Ich versuche schon die Bloch zu erreichen. Geht nicht ans Telefon. Fahr bei ihr vorbei. Aber du mußt auch kommen. Könnte sowas wie ein Massengrab sein, das da so ein Wünschelrutengänger entdeckt hat. Ich weiß nicht, was ich machen soll."
"Hast du die Spurensicherung geholt?"
"Die kommen gerade. Aber ich brauche Alexa und dich."
"Jetzt weißt du mal wieder, warum aus dir nichts wird." Domogalla ließ sich die genaue Ortsbeschreibung geben - selbst damit war Igel beinahe schon überfordert. Dann sah er bedauernd auf sein halbvolles Bier und schüttete es dem Dicken über den Kopf. "Man kann sich nicht oft genug taufen lassen, um den Gefahren des Islam zu begegnen." Er verließ die Kneipe.
"Im Schlagstock eines Polizisten steckt mehr Recht als in einem Urteil des Obersten Gerichts", zitierte er murmelnd Inspector Alexander S. Williams vom NYPD.
Während Kommissar Domogalla zum Schauplatz eines ultrabrutalen Gewaltverbrechens fährt, macht sich Gill auf die Suche nach der vermißten Katze - und schließt dabei Bekanntschaft mit einem militanten Tierschützer, der ihm einiges über Catnapper beibringt. Mehr erfahren Sie im dritten Kapitel - demnächst auf diesen Seiten.
Martin Compart
Kommentare_
Da werden wohl frühkindliche Erfahrungen aufgearbeitet- hoffentlich hilft das dem Autor weiter.