Stories_Compart-Fortsetzungskrimi #1

Die Lucifer-Connection

Vor acht Jahren veröffentlichte Martin Compart seinen ersten Roman "Der Sodom-Kontrakt" rund um den Privatdetektiv und Ex-Söldner Gill. Das Sequel zum "politisch inkorrekten Anti-EU-Thriller" gibt´s ab sofort exklusiv im EVOLVER. "Die Lucifer-Connection" handelt von verschwundenen Katzen und okkulten Menschenopfern - von Dortmund über Sierra Leone und London bis Wien. Schnallen Sie sich an!    20.08.2009

Während andere Ferien machen, beglückt der EVOLVER seine Leser mit einem wahren Noir-Schatz. Martin Comparts neuer Roman "Die Lucifer-Connection" erscheint ab jetzt und in kurzen, konsumentenfreundlichen Abständen als Fortsetzungskrimi auf unseren Web-Seiten. Weil wir nicht nur die ersten waren, die im deutschen Sprachraum Online-Romane veröffentlichten (aber dazu bald mehr) - sondern auch heute noch für spannende Überraschungen gut sind. Wir hatten den Lesegenuß bereits, Ihnen wünschen wir anregende Lektüre.

Jürgen Fichtinger & Peter Hiess (Red. EVOLVER)

 

 

Aber nun überlassen wir das Wort unserem geschätzten Autor Martin Compart:

 

Für Ludwig Haarmann und Bernd W. Holzrichter: Old soldiers never die, they just fade away.

 

 


1. TEIL: DAS BÖSE

 

 

Sich Satan verschreiben, was heißt das?

Charles Baudelaire

 

1.

Die verweinten Augen des kleinen Jungen sahen Gill skeptisch und hoffnungsvoll zugleich an. Gill hielt die Tür auf und sah zu ihm herunter. Den Kleinen umgab etwas Trauriges - nicht nur, weil er weinte.

"Na, was kann ich für dich tun?"

"Ich komme von der Polizei. Generalhauptkommissar Igel schickt mich ... er sagt ... also ... Sie müssen mir helfen."

"Generalhauptoberkommissar Igel, aha. Das muß dann wohl sehr wichtig sein. Komm erstmal rein."

Der Kleine ging an Gill vorbei durch den Gang, blieb unsicher stehen und folgte Gill dann in sein Büro. Er setzte sich in den Sessel vor dem Schreibtisch und sah sich interessiert um.

"Ist das ein richtiges Privatdetektivbüro?"

"Ich bin kein richtiger Privatdetektiv. Ich bin Sicherheitsberater. Aber du weißt ja hoffentlich, wer ich bin. Und wer bist du?"

"Ich heiße Michael Heimkann."

"Sehr erfreut. Warum warst du eigentlich bei der Polizei?"

"Weil Henry weg ist."

Gill sah ihn fragend an.

"Henry ist mein Kater. Er ist noch ganz jung. Nicht mal ein Jahr alt und noch nicht kastriert. Er ist der liebste Kater der Welt und mein bester Freund. Er würde nie von alleine weglaufen. Jemand hat ihn entführt."

"Wie lange vermißt du ihn denn schon?"

"Seit gestern nacht."

"Und er ist vorher nie so lange fort gewesen?"

"Kein einziges Mal. Er läuft nie aus dem Garten. Manchmal legt er sich unter einen Busch. Aber er ist ja noch so klein. Er hat viel zuviel Angst, um wegzulaufen."

"Irgendwann fangen sie alle zu streunen an."

"Weiß ich doch. Aber Henry noch nicht. Henry bleibt immer im Garten oder im Haus. Manchmal setzt er sich in die Hecke zur Straße. Aber er geht nie weiter, weil ihm die lauten Autos Angst machen."

Gill zündete sich eine Reval an.

"Rauchen ist ungesund."

"Was geht dich das an? Bist wohl ein Klugscheißer, was? Ich kann Klugscheißer nicht ausstehen ..."

"Tschuldigung. Finden Sie Henry für mich?"

"Immer langsam, Junge."

 

***

 

Der Kleine zog hundert Euro aus der Tasche und legte sie auf den Schreibtisch. "Das ist alles, was ich habe. In zwei Monaten habe ich Geburtstag. Ich kann mir Geld wünschen und Ihnen dann mehr bezahlen."

Gill blickte auf den zerknitterten Geldschein. "Dafür kriegt man ja nicht mal vernünftige Skates."

Michael rutschte verzweifelt auf dem Sessel herum. Er sah Gill aus melancholischen Augen ängstlich an. Das berührte Gill. Seine eigene Kindheit war auch von Einsamkeit geprägt gewesen.

"In zwei Monaten ... Ich kriege bestimmt fünfhundert Euro ..."

Gill musterte den Jungen ernst. "Das ist eine harte Nuß. Ich habe sowas noch nie gemacht."

"Aber Generalhauptkommissar Igel hat gesagt, Sie sind der berühmteste und beste Katzenfinder von ganz Dortmund."

"Igel ist ein Arschloch und hat dich belogen."

Schockiert starrte ihn der Junge an.

"Er hat dich belogen, um dich loszuwerden. Und weil er mich nicht mag, hat er dich zu mir geschickt. Um mir einen Streich zu spielen."

Neue Tränen sammelten sich in den Augenwinkeln. "Einen Streich hat er mir gespielt ... Aber zu wem soll ich denn jetzt gehen? Henry ist bestimmt schon ganz krank vor Angst und wartet, daß ich ihn hole."

Der Kleine schluchzte bitterlich. Gill stand auf, legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter.

"Willst du was zu trinken?"

"Ist mir egal." Der kleine Körper in den teuren Markenklamotten zuckte. Gill ging in die kleine Küche, nahm eine Flasche mit Direktsaft aus dem Bergischen Land aus dem Kühlschrank. Während er zwei Gläser eingoß, sprang eine schwarze Katze mit weißen Pfötchen und weißer Blesse von außen auf die Fensterbank. Sie blieb im geöffneten Fenster sitzen, kratzte sich hinter dem Ohr und sah Gill freundlich an. Ein paar schnurrende Laute.

"Na, Kuching. Da hast du dir ja den richtigen Moment ausgesucht."

Die Katze schnurrte, als sie ihren Namen hörte, sprang von der Fensterbank und stupste ihr Köpfchen gegen Gills Unterschenkel.

"Du meinst, ich soll mal was Sinnvolles tun, was? Die Welt sicherer machen für mittlere Raubtiere."

Kuching setzte sich vor ihren Napf und sah ihn erwartungsvoll an. Seufzend öffnete Gill eine Dose Katzenfutter, was ihm ein beifälliges Miauen einbrachte.

"Heute wieder Fisch. Endgültig vorbei mit Rind. Wenn ich schon kein Fleisch mehr esse, mußt du dich gefälligst auch mit Fisch begnügen."

Die Katze schnüffelte an dem Fisch und schien etwas ungehalten. Dann biß sie kräftig zu und tröstete sich mit den Gedanken an ein paar saftige Mäuse, die es inzwischen in der Dortmunder Innenstadt reichlich gab. An Gill hatte sie momentan kein weiteres Interesse. Also ging er mit der Flasche und zwei Gläsern ins Büro zurück.

 

***

 

"Verdammt viel schwieriger, als einen Menschen zu finden. Aber ich habe eine Idee, die man vielleicht ausprobieren könnte ..."

"Wie lange dauert das?"

"Weiß ich noch nicht. Hast du ein Foto von Henry?"

Der Kleine zog ein Bild aus der Jacke. Es zeigte einen vor Lebensfreude und Energie nur so strotzenden kleinen, pechrabenschwarzen Kater mit großen Augen. Er saß auf Michaels Kopf.

"Hört er auf seinen Namen?"

"Ja ... das heißt ..."

"... wenn er will."

Der Junge sah Gill begeistert an. Vielleicht war der Superdetektiv ja doch kein Trottel.

"Stimmt. Wenn er nicht will, hört er überhaupt nicht."

"So sind Katzen. Ich habe da auch so ein paar Erfahrungen. Hunde haben Herrchen, Katzen Personal."

Auf dieses Stichwort schnürte Kuching herein und betrachtete Gills Besucher interessiert. Sie kam näher und beschnüffelte Michaels Beine.

"Sie riecht Henry."

"Und vieles andere. Das ist Kuching. Sie wohnt gelegentlich hier, nimmt gnädig von mir Futter entgegen und achtet auf meine geistige Gesundheit."

"Aha."

"Mußt du nicht verstehen."

"Tu ich aber."

"Du liebst Katzen."

"Henry liebe ich mehr als alles andere auf der Welt."

"Mehr als deine Mutter?"

"Ja."

"Das ist eine ziemlich merkwürdige Ansicht für ein Kind."

"Mir doch egal."

"Liebst du denn deine Mutter nicht?"

"Doch. Aber nicht so sehr wie Henry. Henry ist immer bei mir. Henry braucht mich."

Wieder der alte Scheiß von einem Kind, das sich vernachlässigt fühlt. Gill hatte keine Lust, weitere Details zu hören. Das würde ihm auch nicht helfen. Er sollte eine Katze finden und sich nicht um die mies laufende Sozialisation eines Kindes kümmern. Ersteres konnte er - vielleicht. Letzteres scherte ihn einen Dreck.

"Gib mir den Hunderter."

Michael überreichte ihm den zerknüllten Schein.

"Ich übernehme den Fall. Eine Erfolgsgarantie gibt es natürlich nicht. Die Chancen sind eher schlecht. Mach dir nichts vor. Gut möglich, daß Henry längst tot ist."

Der Kleine begann wieder zu weinen.

"Er lebt. Ich weiß es, ich fühle das."

 

***

 

Gill dachte daran, wie er eines Nachts aufgewacht war und gewußt hatte, daß mit Kuching etwas nicht stimmte. Er hatte sich angezogen und Hinterhöfe, Keller und Hauseingänge durchsucht. In einem alten Kohlenkeller hatte er die Katze schließlich gefunden, eingeklemmt zwischen Gerümpel, tief im Bauch der Stadt. Sie hätte sich nie selbst befreien können. Die Chancen, daß sie jemand gefunden hätte, waren gering. Das Tier war abgemagert und mußte mehrere Tage und Nächte in dieser mißlichen Lage verbracht haben. Wenn der Kleine sagte, er fühle, daß seine Katze noch lebe, dann konnte Gill das nachvollziehen.

"Wie kann ich dich erreichen?"

"Ich habe ein Handy."

Gill ließ sich Adresse und Telefonnummer geben und schickte seinen Klienten nach Hause. Als er in sein Büro zurückkam, hatte Kuching es sich in seinem gepolsterten Schreibtischsessel gemütlich gemacht. Sie starrte ihn intensiv an.

"Aufgestanden, Platz vergangen. Ich weiß."

Begeistert leckte sich die Katze den Hintern, als Gill sich in den Besuchersessel fallen ließ und die spartanische Einrichtung betrachtete. Dies war seine Wohnung und sein Büro. Was ein Zuhause war, hatte er nie gelernt. Er war weit gereist und nirgends angekommen.

"Hilf mir mal beim Nachdenken", sprach er die Katze an, die das für keine ernstgemeinte Aufforderung hielt und sich weiterhin putzte. Gill überlegte, wo er ansetzen könnte ...

 

 

Nächstes Mal geht´s weiter - mit dem Auftritt eines "echten" Polizisten namens Domogalla, einem Kneipenbesuch im Bermuda-Viereck von Witten, Betrachtungen über den deutschen Aufdeckerjournalismus und einer grauenhaften Entdeckung. Freuen Sie sich auf Kapitel 2 von "Die Lucifer-Connection"!

Martin Compart

Martin Compart


Martin Compart ist unter Genreliebhabern spätestens seit Herausgabe der legendären DuMont-Noir-Reihe bekannt und beliebt. Der 1954 in Witten/Ruhr geborene Alleskönner engagierte sich bereits während seines Studiums der Politikwissenschaften für die vielgelesene Gattung und gründete die "Arbeitsgemeinschaft Kriminalliteratur". Neben zahlreichen journalistischen Tätigkeiten betreute er unter anderem das Krimiprogramm für Ullstein und Bastei-Lübbe, wobei man stets sein Faible für die "schwarzen Schafe" erkennen konnte.

 

Der Sodom-Kontrakt


Als Krimileser wird man oft an ferne Schauplätze entführt - seien es die düster verregneten Straßen New Yorks, das verruchte New Orleans oder vielleicht die Randbezirke von Paris. Martin Compart hingegen siedelte seinen Romanerstling "Der Sodom-Kontrakt" (der übrigens den Untertitel "ein politisch inkorrekter Anti-EU-Thriller" trägt) in seiner Heimatstadt Witten an und lädt den Leser mit viel Pulp-Herzlosigkeit ein, seinen Protagonisten Gill von dort aus durch den europäischen Großstadtsumpf zu begleiten. Verfolgt von zwei psychopathisch veranlagten Killern und der Polizei, versucht der ehemalige Söldner den Mord an einem seiner besten Freunde aufzuklären und stößt dabei auf ein politisches Pulverfaß. In der EU-Hochburg Brüssel treffen sich nämlich Päderasten und Geldvernichter auf ein Tänzchen mit der Unschuld. Lesen Sie dazu die ausführliche EVOLVER-Besprechung.

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