aus: Ketzerbriefe Nr. 157/158
Bund gegen Anpassung/Ahriman-Verlag
(erschienen Dezember 2009/Januar 2010)
"Das schändliche Unrecht an Roman Polanski" wurde in der Titelgeschichte der zensurbedrohten Nummer 157/158 der "Ketzerbriefe" abgehandelt. Wir veröffentlichen den offenen Brief der KB-Redaktion an den zum Schauprozeß vorgesehenen Star-Regisseur. 06.04.2010
Deutsche Übersetzung des englischen Originalbriefes:
Sehr geehrter Herr Polanski,
als erstes möchten wir Ihnen mitteilen, wie ungeheuer schändlich und abstoßend wir Ihre Verhaftung und Behandlung durch die Schweizer Justizbehörden finden, und Ihnen unsere tiefste Solidarität aussprechen! Nicht nur, weil wir Sie als Regisseur seit langen Jahren außerordentlich schätzen, sondern in erster Linie, weil Sie Opfer eines so ekelerregenden neuen Hexenwahns geworden sind, unter dessen Diktat jegliche authentische sexuelle Regung erstickt werden soll und langsam, aber sicher auch wird. In Europa heißt das Stichwort "Kinderschändung" oder auch "Kinderpornographie", um das höllische US-Sexualstrafrecht durchzusetzen, dem in den USA bereits Zehntausende Kinder, Jugendliche und Erwachsene zum Opfer gefallen sind - der mißhandelte 10jährige Raoul, der seiner kleinen Schwester beim Pinkeln helfen wollte, von einer geifernden Nachbarin mit dreckiger Phantasie denunziert wurde, verhaftet und an Händen und Füßen gefesselt abtransportiert wurde und 3 Monate im Gefängnis leiden mußte, ist nur ein kleines Beispiel hierfür.
Ein Land, in dem sich jemand, der um halb 6 Uhr morgens nackt in seiner eigenen Wohnung einen Kaffee macht, wegen Exhibitionismus verantworten muß und mit einem Jahr Gefängnis bedroht wird, ein Land, in dem Jugendliche nach einvernehmlichen sexuellen Handlungen lebenslang auf öffentlich zugänglichen "sex-offender"-Listen gebrandmarkt und ihrer Freizügigkeit beraubt werden, da sie nur noch unter demütigendsten Bedingungen eine Wohnung finden können, beispielsweise etliche Kilometer entfernt von Kindergärten, Schulen oder Bushaltestellen, an denen Kinder stehen könnten, unterscheidet sich moralisch in keiner Weise von der Inquisition und ihren Henkern. Denn selbst wenn die Opfer körperlich überleben, tragen sie nach einer solchen Behandlung schwerste seelische Schäden davon, wenn sie nicht völlig zerbrechen.
Um einem Menschen das Rückgrat zu brechen, gibt es fast nichts Wirkungsvolleres als die Beeinträchtigung seiner körperlichen Integrität, insbesondere seiner angstfreien Selbstwahrnehmung als sexuelles Wesen, durch Drohung und Gewalt. Sie stehen als Künstler und als Mensch für das genaue Gegenteil: Sie haben das Streben nach Freiheit unübertroffen in Ihren Filmen, u. a. "Was?", zum Ausdruck gebracht - dort herrschen Unbeschwertheit, Witz und Streben nach Genuß vor -, Eigenschaften, die weder unter den Nazis noch unter dem US-Weltkaiser erwünscht waren noch sind. Als künstlerisches Genie, das diese Eigenschaften feiert, und als Repräsentant der Besseren - weil angstfreien - Zeit wird an Ihnen nun dieses grausame Exempel statuiert. Um es mit einem weiteren Beispiel aus Ihrem großartigen Schaffen auszudrücken: Auf der ganzen Welt soll eine Atmosphäre wie in Ihrem Film "Der Mieter" herrschen. Für dieses menschenfeindliche Ziel haben die USA seit langem ihr finsteres Sexualstrafrecht erfunden und zwingen es jetzt der ganzen Welt auf.
Für die Schweiz gibt es keine Entschuldigung ihrer ekelhaften Erfüllungsgehilfenrolle für einen Staat, der das Völkerrecht mit Füßen tritt und die Schweiz seit über 20 Jahren erpreßt. Aber diese würdelose Andienerei wird der Schweiz nichts nützen, sie wird so oder so unter den US-Stiefel geknechtet werden, und das nicht auch nur einen Tag später, auch falls sie Sie als Opfer auf dem Altar der Arschkriecherei darbieten werden.
Sie haben Ihr ganzes Leben lang die Öffentlichkeit erfolgreich gesucht, und wir können uns mühelos vorstellen, wie entsetzlich es für Sie ist, mit ansehen zu müssen, wie ein großer Teil des Sie einst feiernden Publikums diesem neuen Hexenwahn verfällt (bei dem mit Sicherheit auch ein guter Teil Neid mitschwingt: "Spucke deinem Nächsten in die Suppe, wenn du deine eigene hast anbrennen lassen", das ist das miese Prinzip aller Denunzianten und Moralapostel) und sich feige abwendet, nur weil der Große Bruder die Peitsche schwingt. Unserer Ansicht nach wurden Sie gerade wegen Ihrer Prominenz als Opfer herausgegriffen, damit die USA demonstrieren kann: "Seht her, wir vergehen uns nicht nur an unseren Amerikanern wie Michael Jackson, sondern verschaffen uns auch Zugriff auf europäische Staatsbürger; unserem Sexualstrafrecht, unserer Macht kann keiner entgehen. Und wir machen auch keinen Halt vor Opfern des Nationalsozialismus." Darüber hinaus stehen Sie mit Ihren Filmen wie dem großartigen "Pianisten" im berechtigten "Verdacht", beispielsweise die Geschichte des Nationalsozialismus verstanden zu haben, und sind auch noch in der Lage, diese Erkenntnis einem breiten Publikum vermitteln zu können. Das können die neuen Weltherrscher USA gar nicht gebrauchen, die Strukturanalogie zu ihren eigenen Verbrechen liegt zu nahe.
Leider haben wir nicht sehr viel Einfluß, aber wir versuchen alles in unserer Macht stehende, damit Sie so rasch wie möglich freikommen und in Ihre Wahlheimat Frankreich zurückkehren können. Wir haben sofort nach Ihrer Verhaftung bei der Schweizer Justizbehörde protestiert und haben auf der Frankfurter Buchmesse 2009 zahlreiche Unterschriften gesammelt, die wir ebenfalls an die Justizbehörde geschickt haben. Beiliegend finden Sie einige Photos und die Briefe in englischer Übersetzung.
Lieber Herr Polanski, wir hoffen sehr, daß Ihnen möglichst bald Gerechtigkeit widerfährt, daß Sie freigelassen werden und daß Sie ungehindert weiter an Ihrem großartigen Lebenswerk arbeiten können!
Mit herzlichen Grüßen
aus: Ketzerbriefe Nr. 157/158
Bund gegen Anpassung/Ahriman-Verlag
(erschienen Dezember 2009/Januar 2010)
Ein Interview mit Alexander Dorin am 3. Oktober 2015 - einen Tag nach seiner Haftentlassung.
Das "Ketzerbriefe"-Team meldet sich wieder zu Wort. Diesmal geht es um die neuerliche Verfolgung des Autors Alexander Dorin durch die Schweizer Behörden. Ob zu Recht oder Unrecht, darüber machen Sie sich - geschätze Leserin oder geschätzter Leser - am besten selbst ein Bild.
Schon einmal haben die "Ketzerbriefe" über die Hexenjagd auf Roman Polanski berichtet (auch im EVOLVER) - und wären dafür beinahe der Zensur zum Opfer gefallen. Hier berichten sie, wie der Angriff des Unrechtssystems abgewehrt wurde.
Die moderne Inquisition läuft reibungslos - ob in den USA oder in Europa. Im folgenden Gastbeitrag aus den KETZERBRIEFEN geht es um Neuigkeiten im Fall Kaitlyn Hunt, oder: So werden unschuldige Menschen zertreten, ganz wie bei den Hexenprozessen vor zwei und mehr Jahrhunderten.
Wir vom EVOLVER haben mit Politik bekanntlich nichts am Hut. Weil Alternativmeinungen und -ansichten zum Weltgeschehen jedoch immer spannend sind, übergeben wir das Wort wieder an die Kollegen vom Bund gegen Anpassung.
Dieses Mal dreht sich alles um das "Rätsel" der ISIS.
Kommentare_
Auf der Buchmesse in Wien im November 2009 wurde ich am Stand des AHRIMAN-Verlages – der die Ketzerbriefe herausgibt – aufgefordert, die Liste für die Freilassung Roman Polanskis zu unterschreiben. Tat ich nicht und daraus entwickelte sich eine längere Diskussion mit mehreren zum Teil kruden und unsinnigen Fragen/Punkten, die ich nicht mehr vollständig wiedergeben kann:
a.) Ob ich, weil ich gegen seine Freilassung bin, gegen selbstbestimmte Sexualität sei
Nein, bin ich nicht, aber im vorliegenden Fall geht es doch nicht um Selbstbestimmung. (Wir erinnern uns: Ein 43jähriger füllt eine 13jährige mit Alkohol ab, nähert sich ihr, das Mädchen ist den Tränen nahe, er vergewaltigt sie - mittlerweile lässt sich das Vernehmungsprotokoll des Opfers aus dem Jahr 1977 googeln)
b.) Aber die wollte das ja
Mein aus den Medien gewonnener Eindruck sieht anders aus
c.) Aber das ist doch so lange her
Und? Deswegen sollen wir es vergessen?
d.) Sie hätte ihm doch verziehen
So kann man dann mal jede Form der Rechtsprechung umgehen
e.) Der Prozess hätte einzig die Aufgabe, die Verschärfung des Sexualstrafrechts zu legitimieren, wir müssen jetzt ein Zeichen setzen!
Bitte? Die 2007 in Deutschland geführte Debatte bezüglich „Altersgrenzen“ (auf diese wurde seitens des Verlages angespielt) steht in keinerlei Verbindung mit dem vorliegenden Fall! Ein unter Strafe stellen von sexuellen Handlungen zwischen 17/18jährigen wurde laut der damaligem deutschen Justizministerin Brigitte Zypries auch gar nicht angedacht – aber was haben diese Überlegungen mit dem Fall Roman Polanski zu tun?
Ich kann kein Mitleid für den unter Hausarrest stehenden Polanski aufbringen.
@ Martin: Wie Sie richtig sagen - Ihr "aus den Medien gewonnener Eindruck" - da kann man gleich aus Tiereingeweiden die Zukunft lesen, wenn man den gleichgeschalteten Schmieranten glaubt. Polanski, so hieß es damals, hat das Mädchen gar nicht erst viel mit Alkohol abfüllen müssen; angeblich konsumierte sie das später dümmlich als "date rape drug" bezeichnete Quaalude (siehe Shel Silverstein:"She´s doin´ Quaaludes again"). Und natürlich stellt sich hier die große Frage: Was hat die mit dreizehn auf einer solchen Party verloren? Wo waren die Erziehungsberechtigten? Und warum glaubt jemand, daß das Mädchen bei seiner zu Tränen rührenden Aussage, die sich im Internet so schön nachlesen läßt, unbedingt die Wahrheit gesagt hat?
Aber egal: Die "Ketzerbriefe" mögen recht haben oder nicht, man kann das, was sie sagen und meinen, vollständig gelesen haben und wiedergeben können oder nicht; ich hatte jedenfalls nie den Eindruck, daß irgendjemand von den KB für Kinderschändung und Päodphilie eintritt, sondern sich ausschließlich dagegen wendet, daß mit derlei Begriffen eine neue Hexenjagd betrieben wird - im Prinzip kann es doch nur darum gehen, daß die Autoren der "Ketzerbriefe" ihre Ansichten und Argumente äußern dürfen müssen, ohne von Zensur, Verbotsgesetzen und ähnlich gefährlichem Schwachsinn (bitte, der hat Nikotin konsumiert, während er diesen Artikel schrieb ...) bedroht zu sein. Und das sollte in einem angeblich demokratischen System, das ja auch vorgibt, eine Meinungs- und Pressefreiheit verfassungsmäßig zu garantieren, eine Selbstverständlichkeit sein. Oder?