Böse Zellen
Ö 2003
120 Min.
Regie: Barbara Albert
Darsteller: Kathrin Resetarits, Georg Friedrich, Marion Mitterhammer u. a.
"Nordrand" verschaffte ihr den Durchbruch und dem österreichischen Film eine Frischzellenkur, ihr Zweitling "Böse Zellen" läuft derzeit in den Kinos: Barbara Albert im Interview. 16.12.2003
EVOLVER: "Böse Zellen" ist bereits seit zwei Wochen in den Kinos. Wie läuft er denn?
Barbara Albert: Interessanterweise hat er sich gesteigert und läuft immer besser. Wir hatten in der zweiten gegenüber der ersten Woche eine ziemliche Steigerung zu verzeichnen. Er wird jetzt noch über Weihnachten weiterlaufen. Ich hab´ den Eindruck, daß der Film sehr gut über Mundpropaganda läuft. Und jetzt ist es halt vor allem wichtig, die Leute zu halten.
EVOLVER: Woran liegt diese Entwicklung deiner Meinung nach?
Albert: Ich hab´ selber noch nicht kapiert, wie der Film funktioniert. Die Reaktionen sind sehr unterschiedlich. Das hat wahrscheinlich irrsinnig viel mit einem selbst als Zuschauer zu tun. Und damit, daß die Qualität des Films sehr von dir selbst abhängig ist und davon, wo du grad selber stehst, was dich grad beschäftigt.
EVOLVER: Ob und wie man sich in einer der Figuren wiederfindet?
Albert: Genau. Manche finden die eine Figur spannend, manche nicht. Manche finden alle interessant, manche gar keine - die kommen dann in den Film aber auch gar nicht richtig rein.
EVOLVER: Bei mir war das so: Gerade, als so etwas wie Sympathie für die Figur der Manu, also der Kathrin Resetarits, entstanden ist, stirbt sie weg. Dann ist man fürs erste einmal ziemlich orientierungslos...
Albert: Das finde ich ja so schön irritierend. Ich wollte schon, daß der Film diese Irritationen auslöst, diese Hilflosigkeit. Das wollte ich schon.
EVOLVER: Das, was da bei beinahe allen Protagonisten passiert, ist ja ein enormer Sicherheitsverlust. War das von dir als eine Art Metapher für gesellschaftliche Zustände geplant?
Albert: Nicht unbedingt. Ich wollte den Film nicht grundsätzlich als eine Metapher oder Parabel über die Gesellschaft machen, habe aber schon einige Dinge einfließen lassen: die Konsumgesellschaft, sekundäre Realitäten, Fernsehwirklichkeit. Und schon auch die Einsamkeit, obwohl die für mich eher etwas aus mir selber Kommendes bzw. etwas Psychologisches hat. Der Lösungsvorschlag: Kauft mehr, dann geht es euch auch besser - den mag ich nicht. Es kommen im Film aber auch andere Lösungsvorschläge vor: Religion, Psychotherapie bzw. diese Familienaufstellungen oder auch das Fernsehen, das manchen das Gefühl gibt, lebendiger und wichtiger zu sein.
EVOLVER: Hat deine Herangehensweise neben dem Psychologischen nicht auch etwas Soziologisches? Ist das Umfeld für die Protagonisten und ihr Handeln mitentscheidend? Oder könnte der Film überall spielen?
Albert: Zumindest in der ersten Welt, ja. Und doch bin ich immer mehr der Meinung, daß der Film etwas sehr Österreichisches hat. Aber auch nicht im Sinne von "Schon-wieder-österreichischer-Film"; vor allem bei der Premiere in Locarno gab´s da wieder diese Vergleiche mit Seidl und Haneke. Sowas ist ja legitim, aber nicht, daß man sagt: Das ist doch alles eins.
EVOLVER: Das "Pathologische" am österreichischen Film, wie die "Neue Zürcher Zeitung" schrieb?
Albert: Ja, genau. Das hab ich so nicht annehmen können. Anscheinend haben aber österreichische Filmemacher und -innen aus irgendeinem Grund das Bedürfnis, drauf zu schauen.
EVOLVER: Um noch einmal auf den Begriff der Sicherheit zurückzukommen: Ich hatte den Eindruck, daß bei allen Personen der Wunsch danach vorhanden ist, daß sie diese aber nie in dem Ausmaß erlangen, als daß das Bedürfnis nach Freiheit nicht doch wieder überhandnehmen kann.
Albert: Im Prinzip stimmt das. Ich glaube, es ist leider so, daß wir sehr unglücklich sind, wenn wir uns allein fühlen. Wenn wir den Halt verloren haben, taumeln wir irgendwie hilflos herum, bis wir gelernt haben, unsere Mitte zu finden.
Es ist auch eher so, daß die Leute eher nur reagieren. Dieses "Handlungsfähig-sein", einen Schritt nach dem anderen tun, das fehlt ihnen. Es stimmt schon, daß die Figuren, auch bei "Nordrand", eher reagieren als agieren. Aktiv etwas verändern zu wollen, darin sind wir Österreicher nicht so gut. Es wird einem aber auch ständig suggeriert, daß ohnehin alles so komplex sei, die Welt so schwierig, eigentlich weiß man ja gar nicht, wo man anfangen soll mit der Kritik. Also lassen wir´s lieber. Nach dem 11. September ist aber genau dieses Nicht-Auseinandersetzen, dieses Unpolitische der Leute gezielt benützt worden, um die Welt in Gut und Böse einzuteilen. Weil das politische Training ganz einfach gefehlt hat, haben da sehr viele mitgespielt.
EVOLVER: Wird sich das auch in deiner zukünftigen Arbeit auswirken?
Albert: Ich würde für den nächsten Film gerne eine echt aktive Figur ausprobieren. Dieses "Ich-möchte-etwas-verändern" ist aber immer auch verbunden mit einer Utopie. Und das ist sehr schwierig umzusetzen, wenn man es nicht ganz naiv machen will.
Böse Zellen
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