Stories_Halloween revisited, Pt. I
Kleiner Mann - ganz groß
Er ist der längstdienende Serienkiller der Filmgeschichte. Angetan mit einer Gesichtsmaske und versehen mit spitzen Gegenständen aller Art, schlitzte sich Michael Myers in die Herzen der Zuseher. Anläßlich Rob Zombies aktueller "Halloween"-Variante erzählt Thomas Fröhlich, was bisher geschah - in der Nacht des Grauens.
22.10.2007
Michael Myers: Pleased to meet me ...
Man sagte mir, er sei ein hoffnungsloser Fall, kein Verstand, kein Gewissen und auch nicht das elementarste Differenzierungsvermögen. Ich traf ein sechsjähriges Kind mit einem blassen, farblosen, emotionslosen Blick ...
Nein, das ist keine Beschreibung des durchschnittlichen westeuropäischen Nachwuchses - auch wenn der Verdacht naheliegt. Und weiter: "Ich habe acht Jahre lang versucht, mit ihm Kontakt zu bekommen, dann nochmal sieben Jahre, um zu verhindern, daß er jemals wieder auf freien Fuß gesetzt wird. Ich wußte zu gut, was sich hinter diesen Augen verbirgt: das absolut ... Böse."
Womit wir es hier zu tun haben, sind Aussagen des Psychiaters Dr. Samuel Loomis (gespielt von Donald Pleasence) über den filmisch nachhaltig wirksamsten Serienkiller überhaupt: Michael Myers. Oft kopiert, hymnisch verehrt, selten erreicht (auch von ihm selbst nicht). Obwohl: Die intellektuelle Abgefeimtheit eines Hannibal Lecter besaß er nie. Die alptraumhaft-selbstironische Alles-ist-möglich-wenn-du-schläfst-Variante eines Freddy Krueger ist ihm fremd. Aber er ist auch kein tumber Volltrottel à la Jason aus dem "Halloween"-Rip-off "Freitag der 13." - von den kaputten Großfamilien-Freaks diverser Kettensägenmassaker ganz zu schweigen.
Michael hält überhaupt nicht viel von Familienwerten. Am liebsten killt er lästige Verwandte, und erst dann interessiert ihn der Rest der Welt. Das ist ein Charakterzug, den man ja zumindest verstehen kann; Myers ist sozusagen ein Serienmörder wie du und ich.
Michael erblickte 1978 das Licht der Zelluloidwelt. In der Low-Budget-Produktion "Halloween" (die gerade einmal 300.000 Dollar kostete) des damals noch mäßig bekannten Jungregisseurs John Carpenter tauchte er zum ersten Mal auf. Mit einer - William "Captain Kirk" Shatner nachempfundenen - Gesichtsmaske angetan, schlitzte er sich durch seine Geburtsstadt Haddonfield und in die Herzen der Zuschauer. Bislang sieben Fortsetzungen unterschiedlicher Qualitätsstufen folgten, eine achte (mehr ein Remake) läuft derzeit an.
Aber der Reihe nach ...
Halloween: Die Nacht des Grauens
Unter Halloween, das bekanntlich am 31. Oktober stattfindet, versteht der Zeitgenosse heutzutage beinahe weltweit einen Tag beziehungsweise Abend, an dem entmenschte Bälger an Türen hämmern, Kleingartenzäune ruinieren und unter den gerührten Augen ihrer stolzen Eltern gar putzige Sach- und Nervenbeschädigung betreiben. Ihr einziges Ziel: Süßigkeiten von hilflosen Erwachsenen zu lukrieren, um diese umgehend in ihren Junkfood-geblähten Bäuchen zu versenken.
Abgeleitet von All Hallows´ Eve (Vorabend der Heiligen) läßt sich Halloween auf das am gleichen Tag gefeierte keltische Fest Samhain, die Nacht der Toten, zurückverfolgen, das - wie viele heidnische Feiertage - im Laufe der Zeit einfach niederkatholisiert wurde. Irische Auswanderer brachten dieses Brauchtum inklusive des von innen beleuchteten, ausgehöhlten Kürbisses (zurückgehend auf die Gestalt des Jack O´Lantern, der aufgrund eines Fluchs hungrig umherstreifen muß) dann in die Vereinigten Staaten mit, wo sich - wie üblich - eine kommerzialisierte Variante durchsetzte.
Inzwischen steht Halloween auch in unseren Breiten in Konkurrenz zum Reformationstag, der ja am selben Tag von den Protestanten begangen wird. Doch mit ungezogenen, um Süßzeug (oder Watschen) bettelnden Bälgern obgenannter Provenienz hat unser Michael weniger am Hut. Sein Ziel ist ein höheres.
Haddonfield, USA, 1963: Der erst sechsjährige Michael Myers ermordet am 31. Oktober, zu Halloween also, seine Schwester Judith mit einem Küchenmesser. Er wird daraufhin in die psychiatrische Anstalt Smith Grove eingewiesen, in der sich Dr. Loomis (Donald Pleasence) mit dem Buben, der seit jener Tat kein Wort mehr über seine Lippen gebracht hat, beschäftigt.
15 Jahre später: Wieder ist Halloween. Myers, nun erwachsen, bricht nach einer langen Zeit offensichtlichen Wartens aus der Anstalt aus und macht sich auf den Weg in seine Heimatstadt Haddonfield, um dortselbst weitere Morde zu begehen. Sein Hauptziel ist die junge Laurie Strode (Jamie Lee Curtis in ihrer ersten Hauptrolle). Michaels Beweggründe liegen im Dunkeln - erst in "Halloween II" werden sie ein wenig beleuchtet. Dr. Sam Loomis, der in ihm kein unschuldiges Menschlein mit einem schweren Kindheitstrauma sieh,t sondern schlichtweg das absolut Böse, verfolgt Michael. Im finalen Showdown zwischen Michael, Laurie Strode und Sam Loomis wird einiges über die Natur des bogeyman Myers offenbar. Daß dieser Kerl fünf Kugeln abbekommt und dennoch wieder auf(er)steht, ist nur ein Aspekt davon.
John Carpenters Halloween ("Halloween - Die Nacht des Grauens", USA 1979) ist mehreres in einem: ein überaus spannender, langsam und effizient Spannung aufbauender Thriller; die Geburtsstunde des Teenie-Slasher-Films gängiger Prägung; die Inthronisation des wahnsinnigen Serienmörders als schaurige und dennoch akklamierte Figur der Popkultur - und Startschuß zu insgesamt (bis jetzt) neun "Halloween"-Vehikeln, von denen in acht Herr Myers im Mittelpunkt steht.
Zugleich ist der Streifen auch Carpenters Meisterstück, mit dem er sich nach dem Kurzfilm "The Resurrection Of Bronco Billy" (USA 1970) sowie den beiden abendfüllenden Spielfilmen "Dark Star" ("Finsterer Stern"; USA 1974) und "Assault On Precinct 13" ("Das Ende"/"Assault - Anschlag bei Nacht"; USA 1976) in die erste Liga der damals jungen Generation amerikanischer Filmregisseure hochkatapultierte.
John Carpenter: Altamont - nicht Woodstock!
Allerdings nicht ganz unumstritten: Man warf Carpenter - nicht zuletzt seiner scheinbaren Glorifizierung harter Einzelgänger wegen, die nach ihrem eigenen, bisweilen brachial anmutenden Kodex leben (wie etwa Kurt Russell in Carpenters späteren "Escape From ..."-Filmen) wie auch aufgrund seiner endzeitlich determinierten Weltsicht - mitunter massive Rechtslastigkeit vor. Doch das gehörte in den linksideologisch verliebten 70ern und frühen 80ern ohnehin beinahe zum guten (Kritiker-)Ton.
Carpenter selbst distanzierte sich stets von derlei Anschuldigungen und bezeichnet sich bis heute gerne als Alt-Hippie (im Gegensatz zu Russell, der ein bekennender Konservativer ist), machte jedoch aus seiner Ablehnung gesellschaftlicher (Zwangs-)Gemeinschaften kein Hehl. Zudem schlachtete Carpenter nicht nur gern die heiligen Kühe der damaligen Gegenkultur, sondern weidete sie noch dazu regelrecht aus.
Die ziemlich dick aufgetragene Esoterik von "2001 - A Space Odyssey" ("2001 - Odyssee im Weltall"; USA 1969; Regie: Stanley Kubrick) konterte er mit "Dark Star", einer dreckigen und illusionslosen Variation "bewußtseinserweiternder" Weltraumabenteuer; in "Assault On Precinct 13" ließ er eine gewalttätige (und bei ihm völlig gesichtslose) Jugendbande eine Polizeistation belagern; und in "Halloween" wird das mißratene Kind nicht mittels gutmeinender Psychologen auf den richtigen Weg zurückgebracht - im Gegenteil: Das ultimativ Böse pfeift auf Freud, Ringel, Otto Mühl und Supernannies. Statt mit pädagogisch wertvollen abgerundet-knuddligen Bauklötzen spielt der kleine Michael lieber mit spitzen Gegenständen (was er auch in späteren Jahren nicht bleiben läßt). All dies stellte zur Hochblüte sozial- und gesellschaftskritischen Filmemachens einen ordentlichen Affront dar. Am treffendsten drückte es damals vielleicht der Filmkritiker Robert C. Cumbow aus, wenn er über einen seiner geifernden Berufskollegen meinte: "... [he], it seems, wants Woodstock, and can´t forgive Carpenter for giving him Altamont."
Letztendlich ging es und geht es Carpenter in seinen Filmen (auch) um eine Form von Verehrung, um eine persönliche Respektsbezeugung gegenüber dem klassischen Hollywood der "goldenen Ära" der großen Studios der 40er und 50er Jahre. Carpenter liebt die Möglichkeiten von Genres - und zugleich deren vorgegebene Beschränkung auf Wesentliches. Die Western und Horrorfilme von Howard Hawks ("Rio Bravo"), John Ford ("She Wore A Yellow Ribbon" - "Der Teufelshauptmann") oder Jacques Tourneur ("Cat People" – "Katzenmenschen") hatten und haben es ihm angetan: deren ökonomische Schilderung eigenwilliger Charaktere, die nicht selten nach ihren eigenen Regeln leben - Außenseiter, für die kein Platz in einer durch und durch verwalteten Welt mehr ist.
Doch anders als Klugscheißer wie Tarantino & Co., denen es nur um die Ausstellung der eigenen vermeintlichen Coolness geht, nähert sich John Carpenter seinen Vorbildern mit Respekt und Liebe zum Detail an. In "Halloween", einem formal elegant durchkomponierten Suspense-Streifen (mit dem nicht mehr aus dem Kopf zu kriegenden Soundtrack von Carpenter persönlich), der nicht selten ein wenig an Hitchcock erinnert, nehmen ebenfalls zwei Außenseiter den Kampf auf: der desillusionierte Psychiater Dr. Sam Loomis, der nicht mehr an seine eigene Profession glaubt, und die junge Laurie Strode, die nicht ausschließlich ans Jungsrumkriegen und den nächsten Joint denkt, im Gegensatz zu vielen ihrer Mitschülerinnen.
Klarerweise warf man Carpenter daraufhin wieder vor, ein reaktionäres Weltbild auf die Leinwand zu bringen. Er selbst meinte dazu, die Kritiker hätten den Punkt komplett verfehlt. "Das eine Mädchen, das sexuell das aufrichtigste ist, sticht diesen Kerl mit einem langen Messer ... Sie ist diejenige, die ihn tötet. Nicht, weil sie Jungfrau ist, sondern weil all diese unterdrückte sexuelle Energie aus ihr herausbricht. Sie benutzt all die Phallussymbole gegen ihn." An einer anderen Stelle meinte Carpenter jedoch, man möge da überhaupt nichts hineininterpretieren, es handle sich einfach um einen Horrorfilm ohne irgendeine aufgesetzte Botschaft.
Daß John Carpenter damit, gleichsam als Kollateralschaden, die Blaupause für unzählige Teenie-Slasher-Filmchen geliefert hat, darf man ihm sicher nicht über Gebühr ankreiden. Daß er damals auf jede Art von graphic violence, also auf eine filmische Präsentation übermäßigen Blutvergießens verzichtete, mutet heute vielleicht ein wenig befremdlich an (man ist ja zwischenzeitlich anderes gewöhnt), doch trotz all dieser Einwürfe war "Halloween" ein Riesenerfolg.
Daß ein durchschlagender Geldbringer wie "Halloween" einen zweiten Teil ermöglichen würde, war ja beinahe zu erwarten, selbst in einer Zeit, als Sequels die Ausnahme und nicht - wie heute - die Regel waren. Mit gleich sieben (bzw. nun acht) Fortsetzungen mit wechselnden Michael-Myers-Darstellern hatte allerdings niemand gerechnet.
The Continuing Adventures Of Michael Myers
Halloween II ("Halloween 2 - Das Grauen kehrt zurück"; USA 1981) setzt zu jenem Zeitpunkt ein, an dem das Original endet: Es ist dieselbe Nacht, und die verletzte, unter Schock stehende Laurie Strode (wieder Jamie Lee Curtis) wird ins Spital verfrachtet. Michael Myers, der trotz aller Stich- und Schußwunden am Ende des ersten Teils entkommen konnte, taucht ebenfalls im Krankenhaus auf und killt auf der Suche nach Laurie einen nicht unwesentlichen Teil des Personals. Und wie im Vorgänger eilt Dr. Loomis (Donald Pleasence ein zweites Mal in seiner "Lebensrolle") zu Hilfe. Im Showdown sprengt sich Loomis gemeinsam mit Myers in die Luft. Beide verbrennen. Zumindest darf man dies vorerst annehmen.
Unter der Regie von Rick Rosenthal wurde das Credo des ersten "Halloween" auf besonderen Wunsch von John Carpenter geändert. Da spritzt das Blut, Spritzen werden in Augäpfel gerammt, Hämmer auf und in Schädel gedroschen, daß es eine Freude ist. Das hatte unter anderem zur Folge, daß die ungeschnittene Originalfassung in Deutschland als einziger der "Halloween"-Einträge nicht nur indiziert, sondern bundesweit beschlagnahmt wurde - was bis heute gilt.
In diesem Film wird auch der Grund für Michaels Fixiertheit auf Laurie offenbar: Die ist nämlich in Wirklichkeit seine Schwester. Und da er ja erwiesenermaßen Verwandte nicht leiden kann ... Sie wissen schon. Das mit Blut an eine Spitalswand geschriebene Wort Samhain läßt das Ganze auch noch hübsch mystisch ausfallen - eine Ausrichtung, die später speziell in den Teilen 5 und 6 noch ausgiebig gepflegt werden sollte.
Halloween III - Season Of The Witch ("Halloween 3 - Die Nacht der Entscheidung"; USA 1982) ist die große Ausnahme der Reihe. Da Carpenter und der ausführende Produzent der "Halloween"-Reihe, Moustapha Akkad (der bei einem Terroranschlag in Amman 2005 ums Leben kam), zu diesem Zeitpunkt vorhatten, Michaels verbrannten Körper tatsächlich unter den Verstorbenen weilen zu lassen und eine neue Geschichte zu erzählen, entstand mit "Halloween III" ein mißglücktes, aber irgendwie (im nachhinein betrachtet) würdig gescheitertes Projekt.
Der Film erzählt von einem jungen Arzt (Tom Atkins, souverän wie immer), der einem verbrecherischen Spielzeugfabrikanten auf die Schliche kommt. Der versucht, mittels ferngesteuerter und präparierter Halloween-Masken Tausende von Kindern zu töten (was man zu Halloween ja irgendwie nachvollziehen kann). Dieses Massaker will man mit Hilfe eines Werbespots in der Halloween-Nacht auslösen. Das offene Ende klärt jedoch nicht darüber auf, ob der junge Arzt es schafft, rechtzeitig alle TV-Sender von der Ausstrahlung des Spots abzubringen.
Nun ja. Die Idee Carpenters war es, jedes Jahr einen neuen "Halloween"-Film in die Kinos zu bringen, jeweils mit einer neuen, unverbrauchten Story. Da "Halloween III" nicht zuletzt aufgrund dieser Prämisse floppte, entschloß er sich, den Gedanken nicht mehr weiterzuverfolgen. Schade eigentlich ...
Der von Tommy Lee Wallace inszenierte dritte Teil ist sicher kein Meisterwerk, aber ein funktionierender und über weite Strecken spannender SF-Horror-Verschnitt, der auf charmante Weise ein wenig an die Hochblüte der "Mad Scientist"-Filme in den 50er Jahren erinnert. Doch das Publikum goutierte das überhaupt nicht, und so hieß es sechs Jahre später: Michel Myers kehrt zurück!
Halloween IV - The Return Of Michael Myers ("Halloween 4 - Michael Myers kehrt zurück"; USA 1988) - ob darauf die Welt gewartet hat? Die gute Nachricht zuerst: Michael Myers hat überlebt! Schwerverletzt (no na!), mit übelsten Verbrennungen übersät, brachte man ihn vor Jahren in eine psychiatrische Klinik in Richmond, wo er unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen bewacht wird. Die zweite gute Nachricht: Dr. Sam Loomis hat ebenfalls überlebt. Donald Pleasence hatte nämlich wieder Lust, mitzuspielen. Die schlechte Nachricht: Laurie Strode hatte in der Zwischenzeit einen tödlichen Unfall. Jamie Lee Curtis hatte nämlich keine Lust mehr, mitzuspielen (zumindest nicht bis zu Teil 7, "Halloween H20").
Die interessante Nachricht für Michael: Seine Nichte, die kleine Jamie, lebt. Und zwar bei Stiefeltern, da ja ihre Mutter Laurie - angeblich - nicht mehr unter den Lebenden weilt. Als Michael, der regungslos in einem Transportgefährt liegt, das ihn zum Smith-Grove-Sanatorium bringen soll, aus dem Gespräch zweier Sanitäter von seiner Nichte erfährt, ist er plötzlich wieder ganz der alte. Er tötet die Sanitäter und flüchtet Richtung Haddonfield. Im Visier: die kleine Jamie. Doch bis er die und deren Stiefschwester Rachel in die Enge getrieben haben wird, metzelt er sich wieder einmal stillvergnügt durch die Stadt, mit Dr. Loomis auf den Fersen.
Müßig zu sagen, daß Michael auch diesmal wieder von Kugeln zersiebt wird; müßig zu sagen, daß das wieder gar nichts zu bedeuten hat; müßig zu sagen, daß sich die Produzenten mit diesem Teil endgültig von jeglicher Schlüssigkeit und Glaubwürdigkeit verabschiedet hatten - was dem ganzen Projekt aber keinerlei Abbruch tut. Klar haben wir es in Dwight H. Littles brav inszeniertem "Halloween IV" mit keinem wie auch immer gearteten Original, schon gar keinem Klassiker zu tun. Doch Michaels Einfallsreichtum, was die Dezimierung von Verwandtschaft betrifft (und allen, die ihm dabei in die Quere kommen), sowie Pleasences Darstellung des immer mehr in offene Hysterie abgleitenden Dr. Loomis ermöglichen in Summe ein unterhaltsames B-Movie, das sich selbst wohl nicht all zu ernst nimmt. Daß sich John Carpenter davon allerdings völlig distanziert hat (übrigens auch von allen weiteren Folgen), verwundert allerdings auch nicht. Ein guter Schlußschock, der die kleine Jamie involviert, läßt den Film adäquat enden - und macht tatsächlich Appetit auf mehr.
Halloween V - The Revenge Of Michael Myers ("Halloween 5 - Die Rache des Michael Myers"; USA 1989) versucht diesen Appetit zu stillen. Daß Michael auch sein letztes "Ende" formvollendet überlebt hat, überrascht ja sowieso niemanden mehr. Daß die kleine Jamie aufgrund ihrer Erlebnisse mit dem bösen Onkel ziemlich traumatisiert ist, scheint ebenfalls verständlich. Seit der Attacke im Vorgängerfilm hat sie kein Wort mehr gesprochen. Doch steht sie offenbar seitdem in telepathischer Verbindung zu Michael, was wiederum Dr. Loomis (Donald Pleasence, wer sonst?) auf den Plan ruft und auf die glorreiche Idee bringt, die kleine Jamie gleichsam als Köder zu gebrauchen, um Myers endgültig den Garaus zu machen.
Doch der Mensch denkt, der Drehbuchautor lenkt. Zudem wird der gebannte Zuseher Zeuge der Tatsache, daß es (abgesehen vom Produzenten, der schließlich auch seine Miete zahlen muß) offensichtlich Menschen gibt, denen am Überleben des Herrn Myers einiges liegt. Ein geheimnisvoller Mann in Schwarz taucht auf und heftet sich schattengleich an Myers´ Fährte. Steht da womöglich ein uralter, abscheulicher, keltischer Kult hinter allem? Fragen über Fragen ...
Inszenatorisch weit hinter den Vorgängern zurückliegend, versucht Regisseur Dominique Ottenin-Girard ein etwas halbgares Drehbuch umzusetzen, das nicht nur durch übergroße Langatmigkeit, sondern auch durch ein wenig zuviel "Verträumtes" à la Freddy Krueger unangenehm auffällt. Einige gepflegte Splatter-Sequenzen reißen den Zuseher zwar aus seinem wohlverdienten Schlaf, aber alles in allem ist die Ausbeute an filmischem Lustgewinn bei Michaels viertem Streich reichlich matt. Diesmal endet er - beinahe - totgeprügelt in einem Gefängnis. Doch da nähert sich der Mann in Schwarz - ein Cliffhanger, der in letzter Sekunde die Spannungsschraube noch ein wenig anzieht und sowas wie schaumgebremste Vorfreude auf den nächsten "Halloween"-Eintrag aufkommen läßt.
Halloween VI - The Revenge Of Michael Myers ("Halloween 6 - Die Rache des Michael Myers"; USA 1989) ist wahrscheinlich der eigenwilligste "Halloween"-Streifen (abgesehen vom Michael-losen dritten Teil). Michaels Nichte Jamie, inzwischen zur Frau herangewachsen, lebt in den Klauen einer Sekte, die mittels ruchloser Experimente Michaels Samen in sie einpflanzte; sie ist also dazu verdammt, sein Kind auszutragen. Jamie schafft es jedoch, zu entkommen und das Kind zu verstecken, bevor Michael sie erneut attackiert. Dr. Loomis (Pleasence in seinem letzten Filmauftritt) und Tommy Doyle, der als kleiner Junge (im Original-"Halloween") einst Michaels Mordanschlag überlebt hatte, versuchen das Kind zu beschützen. Dabei geraten auch sie an jene Sekte (den Thorn-Kult), die Michael für ihre eigenen Zwecke benutzen will.
Klingt wirr? Gut, um noch eins draufzusetzen: Es existiert ein inoffizieller sogenannter Producer´s Cut, der bisher nur als Bootleg erschienen ist. Hier wird eine etwas andere Geschichte erzählt, bei der man verstärkt auf die Handlung (und den erwähnten Kult) und weniger auf die - allerdings ziemlich gelungenen - Mordszenen setzt. Und auch der Mann in Schwarz bekommt mehr Showtime ...
Trotz der offensichtlichen Schwächen von "Halloween 666" (so der Alternativtitel) weiß der Regisseur Joe Chapelle durchaus spannend zu unterhalten. Genau die "Überraschungen" des Plots waren aber offenbar dazu angetan, nicht wenige Zuseher nachhaltig zu verärgern. Klar, daß Michael auch diesmal sämtliche Anfechtungen übersteht. Ein zum geringeren Teil begeistertes, zum Großteil aber verärgertes, auf jeden Fall aber verwirrtes Publikum stellte sich daraufhin die Frage, wie das denn weitergehen sollte.
Die Antwort erhielt es 1998: Es ging weiter - aber anders.
Halloween H20 - Twenty Years Later ("Halloween: H20"; USA 1998) - schon der Titel macht klar: Back to the roots! Zudem hatte man mit dem Drehbuchautor Kevin Williamson den "Scream"-Konzeptionisten an der Angel. Und das bedeutete: gediegenes Handwerk, Zitateküche galore, alles mit ein wenig Ironie abgeschmeckt und nicht zu weit weg vom vordefinierten Mainstream. Fürs Multiplex-Publikum wie auch für "Halloween"-Afficionados, für Arthouse-Filmstudenten genauso geeignet wie für jene, die 70/80er-Jahre-Horror nur durch ihre "Übersetzung" durch Tarantino oder Rodriguez kannten und unter Teenie-Slasher Wes Cravens "Scream" verstanden. Und (was ja erfreulich war): ein Comeback von Jamie Lee Curtis als Laurie Strode.
Wie das geht? Man nehme die beiden Teile 1 und 2, ignoriere die weiteren Abenteuer des Herrn Myers, lasse Jamie Lee Curtis als Laurie Strode ihren tödlichen Unfall, der in Teil 4 erwähnt wird, nur vorgetäuscht haben und sie selbst mit ihrem 17jährigen Sohn John (Josh Hartnett) als Schuldirektorin unter dem falschen Namen Keri Tate in Kalifornien leben. Klar taucht Michael nach 20 Jahren auf, um sie zu töten. Wozu gibt´s schließlich Jubiläen? Dr. Loomis fällt diesmal aus, da er das Zeitliche gesegnet hat (Donald Pleasence ist noch während der Dreharbeiten zu "Halloween VI" verstorben). Keri/Laurie muß sich diesmal also ganz allein dem Dämon ihrer Jugendzeit stellen.
"Halloween H20", von Regisseur Steven Miner recht anständig in Szene gesetzt, ist ein durchaus gelungenes Sequel. Daß Kevin Williamson ein glatter, ein wenig zu clever-zitierfreudiger Reißbrettautor ist, stört dabei nicht. Was stört, ist vielmehr die Tatsache, daß man in den Teilen IV bis VI eine - wenn auch inkonsequente - Privatmythologie aufgebaut hatte, die nun "nicht einmal ignoriert" wurde. Lose Ende blieben lose. Das Geheimnis des Herrn Myers, des Mannes in Schwarz und des Thorn-Kults war nicht einmal mehr auch nur eine Erwähnung wert.
Als eigenständiger Film funktioniert "Halloween H20" jedoch ausgezeichnet. Und er ist neben dem Original-"Halloween" der einzige der Folgefilme, der nicht den Eindruck einer - ein wenig sorglos angelegten - Nummernrevue erweckt.
Über Halloween - Resurrection ("Halloween: Resurrection"; USA 2002) wollen wir, trotz eines Cameo-Auftritts von Jamie Lee Curtis, endgültig den Mantel des Schweigens breiten. Die Idee einer Reality-Show, gesendet aus dem alten Myers-Haus in Haddonfield, mit einem Haufen komplett talentfreier Teenie-Hopser und dem unsäglichen Busta Rhymes als dauergrinsendem Minstrel-Nigger des 21. Jahrhunderts ist an sich schon schlimm genug. Die Inszenierung durch den - eigentlich "Halloween II"-erprobten - Rick Rosenthal spottet überhaupt jeder Beschreibung. So ähnlich darf man sich ein von RTLPRO7VOXORF produziertes "Halloween"-Rip-off-"TV-Movie" vorstellen; es fehlen bloß die Gesichter der üblichen verdächtigen österreichisch-bundesdeutschen Knallchargen (nein, wir nennen jetzt keine Namen wie Ferch, Moretti oder Kruse). "Halloween - Resurrection" ist der einzige "Halloween"-Film, der von A bis Z eine einzige filmgewordene Katastrophe darstellt.
Deshalb: nicht anschauen! Niemals! Dagegen ist jeder Haneke-Streifen eine Studie in Suspense. Ehrlich. Nach diesem "Halloween" kann´s eigentlich nur noch besser werden. Denkt man. Doch was meint eigentlich Michael Myers dazu? Und sein brother in crime - Rob Zombie?
Fortsetzung folgt ...
Thomas Fröhlich
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