Stories_Festa Crime
Es wird ernst
Freunden der phantastischen Literatur ist der Name Frank Festa längst ein Begriff. Verdientermaßen, wie wir von EVOLVER finden. Jetzt startet der deutsche Herausgeber eine Crime-Reihe. Grund genug für Martin Compart, ein paar kriminelle Takte mit Festa zu plaudern und das Programm vorzustellen.
03.12.2012
2012 war kein schlechtes Jahr für Crime-Fans: Heyne Hardcore veröffentlichte neben anderen Highlights drei (!) Jim-Thompson-Erstausgaben, Zsolnay legte einen weiteren Tony Black nach, und die Random-House-Verlage setzten bewährte und hochgeschätzte Autoren - von Nick Stone über Simon Kernick bis Peter Temple - fort. Cross Cult wiederum begann mit einer ungekürzten Neuausgabe von Ian Flemings Bond-Romanen (über deren Übersetzungen und Lektorat man leider nur Schlechtes hört). Man könnte diese Aufzählung sicherlich noch eine Weile fortführen.
Für mich ist das Highlight des Jahres jedoch die erste innovative Reihengründung seit Heyne Hardcore: Der nicht mehr wirklich als Kleinverlag zu bezeichnende Festa-Verlag startet gerade eine Crime-Reihe, die ebenso gnaden- wie kompromißlos daherkommt.
Der 1966 in Düsseldorf geborene Frank Festa gründete nach einem Gastspiel beim BLITZ-Verlag im Jahre 2001 sein eigenes Unternehmen und machte sich schnell einen Namen mit Weird Fiction, auf die er sich geschickt konzentrierte. Indem er diese Subkultur ernsthaft und zur Freude der Fans auch kompetent bediente, wurde er selber zum deutschen Horrorpapst und sein Verlag zur Nummer eins im Genre. Ob Klassiker (Lovecraft, Smith) in definitiven Luxusausgaben oder jüngere Autoren (Laymon bis Bryan Smith) - an Festa kommt kein Dark-Fiction-Fan vorbei. Und nun wagt er sich also an den Start einer Crime-Reihe, die sich ebenfalls auf die düsteren Werke des Genres zu konzentrieren scheint. Grund genug für ein paar Fragen an den profilierten Verleger.
EVOLVER: Seit Jahren heißt es in der Branche: keine Reihen, schon gar keine Krimireihen (obwohl sich ja wohl bei Suhrkamp sowas entwickelt). Rotbuch hat´s versucht und ist mit Hard Case gescheitert. Was veranlaßt Sie dazu, eine Crime-Reihe zu starten?
Festa: Eine Laune, ein Instinkt ... Wenn die Großen keinen Markt mehr sehen, öffnet sich für die Kleinen eine Marktnische. Dies gilt übrigens auch umgekehrt: Wenn etwas im Handel gut läuft - nehmen wir das Thema Vampire -, hat ein Kleinverlag wenig Chancen.
EVOLVER: Slade und die Simmons-Trilogie habe ich seit Jahren erfolglos Verlagen nahegelegt. Wie sind Sie auf diese Autoren gestoßen?
Festa: Was soll ich darauf antworten? Ich informiere mich, wähle aus ...
EVOLVER: Goldmann hat Anfang der 80er Jahre bereits einmal Slade auf den deutschen Markt gebracht. Der zweite Roman wurde von der Bundesprüfstelle indiziert. Ich nehme an, daß Sie nicht mehr mit derartigen Problemen rechnen bzw. sie marketingtechnisch umgehen könnten.
Festa: Ach, das ist ja nun 20 Jahre her. Heute erscheint uns das relativ harmlos, weil wir immer mehr verhärten. Da sehe ich keine Probleme, nein. (Anmerkung von Martin Compart: Durch die Neuübersetzung entsteht ein neues Werk, urheberrechtlich gesehen, auf das eine frühere Indizierung nicht angewendet werden kann.)
EVOLVER: Welche Art Kriminalliteratur mögen Sie?
Festa: Ich persönlich mag das Psychologisch-düstere. Aber mein Geschmack spielt immer weniger eine Rolle in der Programmauswahl. Ich bin kein Verleger mehr, sondern Dienstleister. Das ist sehr entspannend!
EVOLVER: Ich nehme an, daß die Reihe an Festa-Traditionen anschließt und in Richtung Dark Crime abzielt. Aber was genau ist das Konzept der Reihe?
Festa: Das Konzept von FESTA CRIME ist ganz einfach: purer Lesespaß. Nur die besten angloamerikanischen Krimis. Spitzenautoren mit Romanen, die so spannend sind, daß man mit dem Lesen nicht aufhören kann.
Naja, welcher Verlag will das nicht ...
Der Name Michael Slade beinhaltet seit 1984 mit das Aufregendste, das die kanadische Kriminalliteratur zu bieten hat. Der 1947 geborene Jurist und Historiker Jay Clarke legte damals mit Der Kopfjäger den ersten Band seiner "Special X"-Serie vor. Dabei handelt es sich um eine Abteilung der RCMP, die sich mit Serienkillern und okkulten Verbrechen beschäftigt. Das klingt mittlerweile zwar so ausgelutscht wie ein alter Kaugummi von Elvis, war es damals aber nicht und ist es heute immer noch nicht. Dem Historiker Clarke gelingt es nämlich ebenso spannend vergessene Ereignisse der Geschichte (besonders der kanadischen) als Hintergründe einzuarbeiten, wie unglaublich bizarre Figuren und erschreckende Szenen zu beschreiben. Inzwischen haben sich einige Koautoren zu Clarke gesellt, die sich aber bestens in das Slade-Konzept einfügen. Und das heißt ganz einfach: Bei der Lektüre sollte man Beruhigungsmittel bereitlegen. Eine komplette Würdigung muß an anderer Stelle erfolgen.
Der Goldmann-Verlag hatte Mitte der 1980er Jahre mit der deutschen Veröffentlichung der Serie begonnen. Doch der zweite Roman wurde damals von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften indiziert, weshalb man wohl von einer Fortsetzung absah. Ghoul, den zweiten Roman der Serie, bezeichnete Alice Cooper einmal als einen seiner Lieblingsromane.
Über Dan Simmons muß man nicht mehr viel sagen. Das Chamäleon ist in vielen Genres zu finden und hat bleibende Spuren hinterlassen. Mit seiner Joe-Kurtz-Privatdetektivtrilogie hat Simmons so eine Art Kreuzung aus Mickey Spillane und Richard Stark hingelegt. "Mein Ziel war, als ich Hardcase - den ersten Joe Kurtz - schrieb, daß kein Kapitel länger als fünf Seiten sein sollte. Und ich wollte einen Protagonisten, der so gemein ist, daß ihn nicht mal seine Mutter lieben kann. Ich schrieb den Roman in zwei Monaten." Der Bodycount ist genauso hoch wie das Tempo dieser schwarzen Thriller. Drei sind bisher erschienen, und der vierte, in dem Joe Kurtz ins Gras beißt, wird wohl nicht mehr das düstere Licht der Noir-Welt erblicken ...
Trotzdem: Mit den beiden ersten Festa-Crime-Bänden kann man den Feiertagen beruhigt entgegensehen.
Martin Compart
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