Stories_Porträt Ian Fleming
Der Spion, den wir lieben
Dieses Jahr feierte ein Mann seinen 100. Geburtstag, dem wir einen der größten Pop-Mythen aller Zeiten verdanken: Ian Lancaster Fleming, der geistige Vater von 007 alias: Bond, James Bond.
22.10.2008
From London with Guts
Geboren wurde der Schöpfer der legendären Doppelnull am 28. Mai 1908 als zweiter von vier Söhnen in Mayfair in London. Einer seiner Brüder, Peter Fleming, wurde ein berühmter und kompetenter Reiseschriftsteller. Ian besuchte Eton und Sandhurst und fiel vor allem als guter Sportler auf. Anschließend begann er ein Studium der Psychologie in Genf und in München. Er lebte 1928 ein ganzes Jahr in München und lernte fließend Deutsch zu sprechen und zu lesen. In dieser Zeit entdeckte er den österreichischen Autor Leo Perutz. Fleming war so begeistert, daß er Perutz einen Brief schrieb und sich in England für die Übersetzung des Autors einsetzte.
Fleming war sowohl ein freundlicher, mitfühlender Mann als auch ein echter Snob, ohne jedoch zur Aristokratie zu gehören. Er hatte einiges mit Bond gemeinsam: Wie seine Romanfigur interessierte er sich vor allem für schöne Frauen, schnelle Autos, starke Drinks, Kartenspiele, Tauchen und Golf. Die schönen Künste langweilten ihn, selbst der Film. Dem Produzenten Cubby Broccoli hatte er zu dessen Entsetzen gestanden, er wäre das letzte Mal zu "Vom Winde verweht" ins Kino gegangen.
Aber Fleming war auch ein weltoffener Mann, der sich für fremde Kulturen interessierte, viel reiste, Männerfreundschaften pflegte und Bücher sowie Pornographie sammelte. Snobby war auch sein Erscheinungsbild. Selten sah man ihn ohne Fliege und langer Zigarettenspitze, mit der er affektiert herumwedelte, als wolle er mit ihr Fliegen verjagen.
Mit dem Geheimagenten Ihrer Majestät schuf er eine Figur, die inzwischen zur Milliardenindustrie wurde und von der man nur noch in Superlativen sprechen kann. Lesen Sie dazu auch unsere Story "Der wildgewordene Kleinbürger".
The World Is Not Enough
Ein Grund, weshalb Bond übrigens auch heute noch fernab des reinen Spektakels funktioniert und die Massen anspricht, ist die kühne, in den Romanen implizierte Behauptung, daß der Nationalstaat sich gegen die Macht des marodierenden Kapitals behaupten könne.
Während die Filme mit Sean Connery Mr. Bond auch Analphabeten nahebrachten, übernahm nach einem kurzen Zwischenspiel mit George Lazenby im Kino Roger Moore die Hauptrolle und machte 007 endgültig zum der Realität entrückten Comic-Strip. Die Altersbeschränkung für Bond-Filme wurde von sechzehn auf sechs Jahre herabgesetzt. Der Sex wurde weniger, dafür durften die Special-Effects-Leute aber mehr kaputtmachen.
Mit Moores Nachfolger Timothy Dalton wollte man wieder auf die alte, härtere Linie der Connery-Filme zurückschwenken. Doch Dalton war zu sperrig; sein zweiter und letzter Bond-Film wirkte noch dazu wie eine aufgeblasene "Miami Vice"-Episode. Also mußte wieder ein neuer Darsteller her. Pierce Brosnan brachte Bond wohlbehalten durch die 90er Jahre. Dabei half, daß Bond inzwischen als Institution unantastbar geworden war. Menschen, die längst nicht mehr ins Kino gingen, besuchten den neuen Bond-Film genauso wie die neue Tournee der Rolling Stones, der zweiten großen Überlebenden der Swingin´ Sixties.
Die Filme mit Pierce Brosnan sollten - so behauptete jedenfalls Regisseur Robert Spottiswoode - an die frühen Connery-Bonds anschließen. Andererseits wollte man nicht auf spektakuläre Spezialeffekte und die üblichen Materialschlachten verzichten. Also mußte die Story so vereinfacht werden, daß man Action-Szene an Action-Szene reihen konnte. Alles lief schön geradlinig und voraussehbar ab, um das debile Action-Publikum nicht zu überfordern.
Das fade Finale von "Tomorrow Never Dies", das man so schon oft und besser gesehen hat, tröstete auch nicht über die Vergabe der guten Ausgangsidee weg. Diesmal mußte Bond nämlich einem Medienmogul das Handwerk legen. Der Böse hatte sich der Maxime des amerikanischen Zeitungskönigs William Randolph Hearst verpflichtet, der 1898 einem Korrespondenten auf Kuba zum Spanisch-Amerikanischen Krieg gekabelt hatte: "Du lieferst die Bilder, ich liefere den Krieg." Der Medienmogul im Film versucht einen Krieg zwischen Großbritannien und China anzuzetteln, um damit Auflage und Quote zu machen. Typisch für den Niedergang James Bonds war dann auch, daß nicht er, sondern der Schurke die beste Zeile des Drehbuchs hatte: "Der Unterschied zwischen Genie und Wahnsinn definiert sich im Erfolg."
Live And Let Die
Fleming selbst konnte nur noch den Beginn des Welterfolges seiner Schöpfung miterleben. Er starb, nur 56 Jahre alt, 1964 während der Dreharbeiten zu "Goldfinger".
In England feiert man seinen Geburtstag natürlich gebührend: Das Imperial War Museum etwa widmet Bond eine eigene Ausstellung - das hat es noch nie für eine fiktive Figur gegeben, obwohl Bond natürlich genau in diesen Rahmen paßt. Niemand sonst hat im Weltbewußtsein den Niedergang des einstigen Empires stärker aufgehalten als 007.
Zu den Highlights des Jubiläumsjahrs gehört außerdem die Veröffentlichung eines neuen Bond-Romans, "Devil May Care" von Sebastian Faulks. Faulks ist bereits der fünfte Autor, der Flemings Figur literarisch am Leben erhält. Zuvor hatte auch der britische Hochliterat und bekennende Bond-Fan Kingsley Amis einen Bond-Roman geschrieben. Leider muß man sagen, daß keiner von Flemings literarischen Nachfolgern dem Meister das Wasser reichen kann.
Der absolute Höhepunkt des Bond-Jahres wird aber mit Sicherheit die Premiere des neuen 007-Films "Quantum of Solace", zum zweiten Mal mit Daniel Craig in der Bond-Rolle. Dann wird sich zeigen, ob der blonde Spion auch ohne Fleming-Vorlage bestehen kann. Mit Milchbubi-Nachwuchs vom Schlage eines Ethan Hunt oder Jason Bourne nimmt er es jedenfalls allemal auf ...
Martin Compart
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