Stories_Atemlos: Patricia Vohwinkel
Sinnlichkeiten in Syntax
Krimi-Schriftsteller gibt es wie Sand am Meer - oder Menschen im Ruhrpott. Eine ganz besondere Autorin lebt ausgerechnet dort und schreibt über sprachlich durchgeknallte Frauen.
13.10.2004
Jakob de Vries ist Pathologe, verheiratet und Vater einer Tochter. Er fährt einen alten, roten Saab, hat lange Haare und hört Heavy Metal.
Sina Dominik ist Schwester. Und zwar ausgerechnet die eines gutbürgerlichen Kommissars. Sie hat einen ausgeprägten Hang zu Schiller und Goethe, ihren drei Schildkröten und zur manchmal wirklich interessanten Arbeit ihres Bruders - und zu Heavy Metal.
Um diese beiden Figuren herum schrieb Patricia Vohwinkel bereits drei Romane - und das so erfolgreich, daß auch über deren Verfilmung nachgedacht wird. Das hätte sich die Schriftstellerin wohl nicht einmal im Traum gedacht. Denn:
Im Traum kannst du unter Wasser atmen.
In Wirklichkeit mußt du ersticken.
Vieles in ihren Romanen mag autobiographisch sein. Ebenso wie ihre Heldin Sina hält es nämlich auch die Autorin, wenn es um Sport geht - der ist "eine artfremde Bewegung". Auch weitere Stellen ihrer offiziellen Biographie könnten von der Protagonistin stammen: "Patricia Vohwinkel wurde in Duisburg geboren; sie studierte manchmal Germanistik und Anglistik an der Uni Düsseldorf, öfter Sex, Drugs and Rock´n´Roll in diversen Proberäumen und eigentlich immer das Leben an vielen Orten dieser Welt. Außerdem genoß sie die verschiedensten Arbeitsverhältnisse als Interviewerin, Sperrmüllsammlerin, Übersetzerin, Texterin, Telefonverkäuferin und Lehrerin."

Uns soll´s recht sein - wer gibt schon gern allzuviel von sich selbst preis? Auf jeden Fall hat Patricia noch etwas mit ihrer Heldin gemein: die Neigung, aus wohlfeilen Worten traumwandlerische Syntax-Sinnlichkeit zu kreieren. Aber "ich hab halt ´n Sprachknall". Und der, zu Papier gebracht, wird zu einem Krimi, in dem Latein auf Psychopathen trifft, aber auch Zitate alter Dichter à la Schiller und Goethe auf skandinavische Metal-Lyrics.
Eine ideale Voraussetzung also, um Künstlerin zu werden. Krimiautorin beispielsweise. Doch es geht weiter: "Ihre privaten Interessen umfassen das Lesen und Schreiben von Büchern und Partyeinladungen, Musik, Schildkröten, die Flora, Fauna und Vergnügungsstätten ihrer Heimatstadt im kochenden Pott, sowie die meisten geistigen, seelischen und körperlichen Erfahrungen, die unsere gastliche Erde zu bieten hat."
Wer einen der "Elchtod"-Romane gelesen hat, wird ob all dieser Parallelen garantiert hellhörig. In den nächsten Tagen werden wir die drei bisherigen Bücher vorstellen. Weil´s ja auch andere Schriftstellerinnen gibt als die Nobelpreisträgerin Jelinek - und Patricia ist zwar keine Österreicherin, war aber immerhin schon hier zu Besuch. Mit Lesungen, die sie gerne mit Auftritten von Bands verknüpft. Oder solo, wobei die gute Musik, die aus ihren Büchern lärmt, vom Band kommt.
Der viele Nebel und der Kerzenschein sind dann zwar fast schon zu stimmungsvoll, aber das ist letztlich egal, wenn die Autorin anfängt, aus ihren Büchern vorzulesen. Dann sitzt man nicht mehr vor der Bühne und hört Frau Vohwinkel zu, sondern fährt mit Sina Auto oder dreht sich mit Jakob eine Zigarette.
Übrigens können Sie das immer wieder erleben - klicken Sie nur auf die Homepage der Frau!
Milan Knezevic
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