Mit zwei Jahren Verspätung erscheint "OSC-DIS (Oscillator In Distortion)" nun auch in den USA und Europa. Japan ist ja bekannt für seine Noise-Attacken à la Greenmachine und Konsorten; was diese drei Herren hier aber fabriziert haben, läßt bisher Gehörtes beinahe verblassen.
Wer noch nie von den Mad Capsule Markets gehört hat und glaubt, hier handle es sich um eine Newcomerband, irrt gewaltig. Hiroshi Kyono (Vocal), Motokatsu Miyagami (Drums, Programming) und Takeshi Ueda (Baß, Programming, Vocal) sind keine Neulinge im Musikgeschäft, hatten sie ihr Debüt doch bereits im Jahre 1990. Wer nicht gerade ein Freak von Importen aus Japan ist, bekam jedoch auf unserer Seite des Planeten leider so gut wie nichts davon mit. 1998 veröffentlichte man zum ersten Mal weltweit "Digidogheadlock", und 1999 folgte (nur in Japan) das neunte Album "OSC-DIS (Oscillator In Distortion)". Jetzt steht von letzterem endlich der weltweite Release an - und, um es gleich vorwegzunehmen, es wurde verdammt noch mal wirklich Zeit.
Techno - dies war die erste Assoziation des Schreibers dieser Zeilen, als er sich "OSC-DIS"zum ersten Mal zu Gemüte führte. Was dann aber folgte, war Erstaunen, ungläubiges Kopfschütteln, ein nach unten geklapptes Kinn, Drohanrufe der Nachbarn und die verzweifelte Frage, wie man dieses Album denn in Worte fassen soll? Alle möglichen Stilrichtungen und Bands schießen einem beinahe gleichzeitig durch den Kopf: von Gabber über Punk zu Metal und Hardcore; von Ministry über Alec Empire zu den Ramones, Beach Boys, Depeche Mode, Fear Factory und wieder zurück.
Um aber keine Irrtümer aufkommen zu lassen: Es ist zwar deutlich zu erkennen, wo die Einflüsse herkommen, von einem Plagiat oder gar dem dritten Aufguß irgendeiner x-beliebigen Industrial-Band ist man dennoch weit entfernt. "OSC-DIS" ist ein mehr als gelungener, hochexplosiver Mix aus synthetischen und echten Drums, massiver Baßarbeit, martialischen Gitarren und Tonnen von ausgefeilten Computersounds. Abgesehen davon ist das alles noch mit feinen eigenständigen Melodien kombiniert, die zum Teil sogar poppig und fröhlich daherkommen. Was diese drei Japaner hier abliefern, kann einen unmöglich kalt lassen. Im Gegenteil, ihr Album bläst einen schlicht und ergreifend um. Sehr sympathisch ist auch die Tatsache, daß die Mad Capsule Markets trotz aller Heftigkeit auf jegliche negativen Platitüden verzichten. Bereits bis zum Erbrechen wiedergekäutes Heavy-Vokabular wie "Hate", "Destroy" oder "Fuck It All" ist jedenfalls nicht auszumachen.
Selten bekommt man ein solches Album zu hören, das völlig ohne Durchhänger auskommt. Richtig gelesen - auf dieser Scheibe gibt es einfach keine schwachen Songs oder Lückenfüller. Jeder Track ist eine Perle für sich, und wenn der Herr DJ mal eine längere Pause machen will, dann kann er getrost diese CD einlegen und durchspielen lassen. Die (spätestens dann) tanzenden Gäste werden es ihm danken.
Zum Abschluß sei auf die völlig unverständliche Tatsache hingewiesen, daß der Nachfolger dieser Killer-CD mit dem Titel "010" bereits im Juli dieses Jahres in Japan erschienen ist. Wer nicht mindestens ein weiteres Jahr warten will, der sollte sich so schnell wie möglich an den CD-Importeur seines Vertrauens wenden. Die Mad Capsule Markets als das "Next Big Thing" zu bezeichnen, wäre ein Frevel. Sie sind es schon.