Auf "The Big Lulu Vol. 3" gräbt einer der größten Rare-Groove-Experten Österreichs zum wiederholten Male Schätze der heimischen Jazz/Funk-Geschichte aus - inklusive Fatty George, Friedrich Gulda und Joe Zawinul.
Obwohl sich die zeitgenössischen Vertreter der österreichischen Elektronikszene größter medialer Beliebtheit erfreuen und mittlerweile auch auf einen respektablen Dokumentationsrahmen verweisen können, ist wenig bis gar nichts über jene Fraktion österreichischer Musiker bekannt, die zwischen 1960 und 1980 musikalische Pionierarbeit in punkto "Groove" leistete. Geläufig sind bestenfalls "große" Namen wie Joe Zawinul und Friedrich Gulda (die beide auf "The Big Lulu Vol. 3 " vertreten sind), während wichtige Protagonisten wie Fritz Pauer, Fatty George, Peter Wolf oder Nikos Jarritz längst in Vergessenheit geraten sind.
Der bereits legendäre DJ Samir H. Köck widmet sich mit seinem Projekt "The Big Lulu" seit 1996 der Pflege dieser so schmählich vernachlässigten Musik und erntete damit im In- und Ausland respektable Erfolge. Lieferten Vol. 1 & 2 noch Stilgemische aus allen möglichen Genres, so liegt beim dritten Tonträger das Hauptaugenmerk eindeutig auf Jazz und Brazil. Eröffnet wird der dennoch facettenreiche Spannungsbogen von Joe Zawinuls Jazzklassiker "Money in the Pocket", den dieser 1965 während seiner Zugehörigkeit zum amerikanischen Major-Label Atlantic aufnahm - keine wirkliche Rarität also, aber ein Stück feinster österreichischer Jazzgeschichte.
Als wirklich selten muß man hingegen Fritz Pauers Track "Djedar, Djedor" bezeichnen, der bis dato lediglich als Band-Mitschnitt existierte und im Rahmen dieser Compilation seine Erstveröffentlichung erfährt. Mit ihren an Brazil-Legenden wie Edu Lobo oder Jorge Ben gemahnenden Qualitäten läßt diese Nummer tiefste Ehrfurcht vor der Soulfulness des unterschätzen Wiener Pianisten und Arrangeurs entstehen. Phantastischen Vocal-Support erhält Pauer übrigens vom Bassisten Jimmy Woode - ein wirklich feiner, relaxter Dancefloor-Track. Neueren Datums ist T. C. Pfeilers 1996 produziertes Stück "Eardancer", das Erinnerungen an die "Golden Hammond Era" der 60er wachwerden läßt. Kein Wunder, erhielt der Salzburger Organist seine musikalische Grundausbildung doch beim Orgelhelden "Wild" Bill Davis.
Peter Wolf, der in den siebziger Jahren als Keyboarder für Frank Zappa arbeitete und in den Eighties Hits wie etwa "We Built This City on Rock´n´Roll" für Jefferson Starship komponierte, liefert hier gleich zwei Beiträge ab - von denen vor allem "Yeah Baby" zu überzeugen versteht. Auch Friedrich Gulda bedarf wohl kaum einer weitereren Vorstellung; er verwandelt auf "The Big Lulu Vol. 3" Fritz Pauers "Sunshine" in eine ekstatische Tour de Force für Jazzpiano. Ebenso legendär, aber medial mittlerweile völlig ignoriert, ist der 1982 verstorbene Klarinettist Fatty George, der maßgeblich an der Reetablierung des Jazz im kulturell derangierten Nachkriegsösterreich beteiligt war und der Baby-Boomer-Generation mit seinem Club "Fattys Saloon" eine Heimstätte für exzessive Tanzveranstaltungen bot. Gemeinsam mit Silke Schwinger schuf er 1972 die Pop-Oper "Trip" (eine jener ORF-Produktionen, die scheinbar auf ewig in den unergründlichen TV-Archiven verschwunden ist) und in dieser einige äußerst funkige Big-Band-Jazzstücke. Leider bleiben darin enthaltene Perlen wie etwa "Straßenbahnfahrt durch Wien" ungehört (zu plakativ oder doch bereits für Vol. 4 vorgesehen?), während vergleichsweise wenig ausgegorene Beiträge wie "Weißer Sand" das Rennen machten.
Den abschließenden "Höhepunkt" bildet ein obskurer Leckerbissen: Maitre Leherbs und Lotte Profohs´ "Irre gut". Leherb, daliesker Vertreter der Wiener Schule des "Phantastischen Realismus", beschert uns - vor dem Hintergrund dezent groovender Flöten und Wah-Wah-Gitarren - ein konzeptionell an Serge Gainsbourgs "Je t´aime ... moi non plus" angelehntes Audioeriotik-Erlebnis bester österreichischer Prägung, in dem er selbst und seine Ehefrau Lotte mitwirken.
Fazit: viele grandiose Tracks, gepaart mit einigen weniger aufregenden. Wenn man an die "All-Austrian cast" denkt, muß es aber dennoch heißen: A Wauhnsinn - kaufen und glücklich werden!
Zur Zeit liegen noch keine Kommentare vor.
|