Hierzulande bekommt man von elektronischer Musik aus unserem südlichen Nachbarland - abgesehen von vereinzelten Chartbreakern wie Eiffel 65 - relativ wenig mit. Aber auch in Italien gibt es eine florierende Szene, die sich mit Hingabe der Pflege des "Black Music"-Erbes widmet. Ganz vorne mit dabei: das Label Irma Records.
Im Jahr 1988 beschlossen drei Freunde aus der norditalienischen Stadt Bologna, ein Label zu gründen. Das Gebäude, in dem sich ihr erstes Büro befand, war 30 Jahre zuvor ein Bordell gewesen. Dessen Betreiberin, Irma Mandibola, verdankt das Label auch seinen Namen. Schon mit der ersten Veröffentlichung, der Single "First Job" von Kekkotronics, war die musikalische Direktive klar umrissen: eine Paarung aus funky House und fetten HipHop-Beats. Bereits 1990 gelang dem Label mit Double Dees "Found Love" eine Top-Plazierung in den amerikanischen Billboard-Dance-Charts. Beflügelt von diesem Erfolg, versammelte Irma Records eine stetig wachsende Anzahl von Künstlern unter seinen Fittichen, gründete eine New Yorker Dependance und gilt seither als Aushängeschild für italienische Clubsounds abseits des Mainstreams.
Das mit Abstand erfolgreichste Irma-Projekt war die Groove-Combo Jestofunk, die ihren Ruf als herausragende Live-Band bei diversen internationalen Auftritten - wie z. B. im Londoner Blue-Note-Club, beim Jazzfest in Montreux oder im burgenländischen Wiesen - nachdrücklich unter Beweis stellte. Farias, Blade und Mozart, die drei vielseitigen Produzenten von Jestofunk, zeichnen auch für die Kopplung "Stato Brado Vol. 2 - When the Machine Runs Riot" verantwortlich.
Von "Riot" im Sinne von Krawall, Tumult und Aufruhr kann bei dieser Compilation natürlich keine Rede sein. Vielmehr läuft die Musik entlang der vorgegebenen Bahn zwischen Funk (was sonst), House (eh klar) und Jazz-Sprengseln mit gelegentlichen Schlenkern in Richtung World Music (Bongos, Tablas, Didgeridoo und so). Aber nix Kitsch! Dieser Groove ist streetwise. Das mag damit zu tun haben, daß man im Hause Irma nicht gewaltsam versucht, auf jeweils aktuelle Mikrotrends aufzuspringen, sondern weil hier Menschen ans Werk gehen, die in einem sehr erwachsenen, gefestigten musikalischen Bezugsrahmen operieren. Natürlich hat das auch unweigerlich zur Folge, daß die einzelnen Stücke sich nicht immer auf der Höhe der Zeit (oder was man dafür halten mag) bewegen und sich nur wenig um die Veränderung von einmal erreichten Standards bemühen.<
Aber in dem Feld, das sich am treffendsten als "konservativer Neo-Funk" beschreiben ließe, sind die auf diesem Album versammelten Künstler wirklich gut. Und das erinnert uns in positivster Weise daran, daß "Jazz" und "Funk" weder zum Lifestyle-Accessoire noch zum Symbol für rein formale Progressivität oder handwerkliche Überlegenheit verkommen müssen.
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