Homo- und heterosexuelle Beziehungen zwischen Lust und Leid, Macht und Ohnmacht in der beklemmenden Aura der 70er. Aus diesem Stoff hätte man eigentlich etwas machen können. Wie man es nicht machen sollte, ist jetzt in François Ozons gekünstelter Fassbinder-Hommage zu sehen.
Das Deutschland der späten 60er und frühen 70er Jahre war ein kalter, grauer Ort. Das enge Korsett aus Spießbürgertum, Provinzialität, Verklemmtheit und Alltagsfaschismus schnürte den Kreativen jener Zeit, die mit radikalen Ansätzen die Konventionen zu sprengen suchten, die Kehle zu. Einer von ihnen war Rainer Werner Fassbinder: Der kultisch verehrte Cineasten-Gott schuf mit kargen Dramen Abbildungen und Antidote dieser Ära und ist so untrennbar mit ihr verknüpft. Als 19jähriger schrieb er ein Theaterstück, das er - möglicherweise aus gutem Grund - nie selbst inszenierte. Was den französischen Auteur François Ozon (seit seinem "Sticom" Frankreichs Regie-Darling) dazu veranlaßte, es 30 Jahre später für die Leinwand zu adaptieren, bleibt sein Geheimnis: Das Mäntelchen, Fassbinder wieder in Erinnerung zu rufen, wirkt ein wenig dünn und vermessen.
In irgendeiner deutschen Großstadt der frühen Siebziger verführt der 50jährige Geschäftsmann Leopold (Bernard Giraudeau) beim Männergespräch über ihre Freundinnen den 20jährigen Franz (Malik Zidi). Der zieht daraufhin in der kleinen Wohnung ein, und die beiden leben in einem eheähnlichen Verhältnis. Ein halbes Jahr ist die Liebesbeziehung nach anfänglichem Glück einer unerquicklichen Routine des Alltags gewichen: Franz führt mit kindlicher Naivität den Haushalt; Leopold tyrannisiert ihn mit kleinlichen Launen, sadistischen Zynismen und patriarchaler Dominanz, die nur von Sex unterbrochen ist. Franz leidet, und kaum versucht seine Ex-Verlobte Anna (Ludivine Sagnier), ihn durch Beischlaf zurückzugewinnen, beschließt er auch schon zu gehen. Doch als überraschenderweise Leopold und noch dazu dessen frühere Geliebte Vera (Anna Thomson) auftauchen, spitzen sich die seltsamen Beziehungsgeflechte zu einem unheilvollen Drama der sexuellen Verstrickungen zu.
Nostalgie im Kino ist zwar nichts Verwerfliches, doch der Wind, der hier weht, ist leicht muffig - wie das Ambiente, in dem sich das obskure Beziehungsdrama abspielt. In diesem als ereignisloses Kammerspiel inszenierten Film gibt François Ozon sein Bestes, um die an sich zeitlose Reflexion über Sex, Macht und Abhängigkeiten der Belanglosigkeit preiszugeben. Weil das Werk als Hommage gedacht ist, bemüht sich der junge Regisseur um die möglichst detailgetreue Annäherung an den Stil Fassbinders: Das bedeutet statische Kamera, wenige Dialoge und unterkühlte teilnahmslose Akteure - mit dem großen Problem, daß diese Methode nach 30 Jahren reichlich Patina angesetzt hat und auch die bemühteste Kopie kaum ans Original heranreicht.
Es ist eigenartig, zu beobachten, daß auf diese Art distanzierte Schilderungen von Lust, Perversion und Dominanz so gar nicht berühren, recht antiquiert wirken und eher langweilen. Obendrein flüchtet sich Ozon trotz gegenteiliger Bekundungen in eine unangebracht detailverliebte Rekonstruktion des Seventies-Zeitgeistes in Ausstattung und Dekor. Im Bemühen um so etwas wie Authentizität ist dies vom Anzug bis zum Kaffeehäferl so penetrant in Szene gesetzt, daß alle dargestellten Begierden und Schmerzen ohne jede Aufregung im Flokati versinken. Das Paradoxe dabei ist, daß nicht so sehr das Ambiente, sondern Film und Machart verstaubt wirken. Da mag Ozon noch so sehr Foucault zitieren: Halb angerissene Thesen, die auf der Stelle treten, täuschen nicht darüber hinweg, daß hier unter altbackenen Oberflächen gar nichts brodelt. Zumindest nichts Tiefschürfendes und Fesselndes.