Das Erfolgsrezept des österreichischen Labels Klein Records lautet: heimtauglich sein, ohne dabei an Clubkompatibilität zu verlieren (oder umgekehrt). Mit dieser Methode sollte auch die neue Compilation "Sincerely Yours" eine begeisterte Hörerschaft finden.
Wie jedes Jahr zur Weihnachtszeit buhlen auch heuer wieder unzählige Tonträger um die geschätzte Aufmerksamkeit der Konsumenten. Vor allem im Bereich entspannter, elektronischer Home-Listening-Compilations bedarf es mittlerweile entscheidender ästhetischer Differenzen, um nicht im Sumpf der "Jazzy-Groovy-Kaffeehaus-Soundtracks" unterzugehen. Wie das klingen und funktionieren kann, beweisen Klein Records mit ihrer aktuellen Werkschau "Sincerely Yours - The Klein Records CD Compilation".
Die Plattenfirma Klein Records entstand Mitte der 90er Jahre in der Grauzone zwischen Club Culture und Alternative-Szene, einem Schmelztiegel aus Gitarrenpop und digitalen, elektronischen Sounds. Beeinflußt von Labels wie Creation und Warp, Bands wie The Fall und Public Enemy, Genres wie Dope-Beats und Feedback-Noise wird hier ein Neben- und Miteinander von verschiedensten Sounds und Stimmungen zelebriert. Auch der Label-Name ist Programm: kein "höher, schneller, weiter" um jeden Preis, sondern "size doesn´t matter" - was sich als Kontrapunkt zum lieblosen Format-Marketing diverser Mitspieler lesen läßt. Bei Klein Records zählt vor allem die künstlerische Integrität der Acts.
Im Gegensatz zum weit verbreiteten Geschmackskanon rund um das Erbe von "Black Music" (also Soul, Jazz, Funk und deren Spielarten), der in ständiger Repetition von fast jedem Protagonisten der "Neuen Wiener Schule" heruntergebetet wird, hält sich Labelchef Christian Candid das Feld offen für musikalische Ausdrücke unterschiedlicher Kodierungen, die gleichberechtigt im Club, im Radio oder zu Hause konsumiert werden können. Da haben Stromgitarren ebenso ihren Platz wie deutscher Gesang oder elektronische Dancefloor-Beats.
Im Falle von "Sincerely Yours", der ersten CD-Compilation des Labels, umfaßt das Spektrum die ballistischen Beat-Gewitter von MUM ("Bounce", "Boycharge"), den kühlen digitalen Dub-Funk von UKO ("Automatic", "Cometa"), den charmanten Playmobil-Pop von Mika ("Trampolin", "Jamie"), die schrägen Easy-Listening-Eskapaden des Schweizers Seelenluft ("Manila", "Music for the Stars"), die filigranen Jazz-Texturen von Albin Janoska ("Lem") und Lichtenberg ("El Duke") sowie den Teer und Schmieröl spuckenden postindustriellen DubRock der Sofa Surfers ("River Blues", "Witness") bzw. die Sideprojects der Solo-Surfer I-Wolf, Humbucker und Markus Kienzl, die mit je einem Cut verteten sind.
In Summe ergibt "Sincerely Yours" einen attraktiven Überblick zum musikalischen Geschehen jenseits der großen Café-Lounge-Langeweile, die auch noch im Jahr 2002 in unverminderter Heftigkeit und Beliebigkeit unsere Gehörgänge verkleben wird. Statt auf den von K&D ausgetrampelten Pfaden zu wandeln, präsentieren Klein Records eine Musikwelt schräg links und unterhalb vom üblichen Downtempo-Kitsch. Ecken und Kanten sind dabei durchaus erwünscht, denn sie verleihen dem Sound Profil und Charakter. Der Mut zum Unbequemen und Abwegigen ist es auch, der diese Compilation aus der Masse der Berieselungs-Soundtracks auf ein eigenes stilistisches Plateau hebt und einen deutlichen Kontrast zu slicken Mainstream-Rezepten markiert.
Der musikalische Nonkonformismus, das Nicht-einverstanden-sein mit ästhetischen und politischen Programmen, ist in seiner Intention absolut vorbildlich. Daß es trotzdem hin und wieder zu Ausrutschern ins Land der Bequemlichkeit kommt, kann man angesichts der sympathischen Attitüde des Labels und seiner Acts gerne verzeihen. Und mit seinem vielseitigen Künstlerstamm wird Klein Records, mit Sicherheit eines der meistunterschätzten Wiener Labels, auch im kommenden Jahr für frischen Wind und neue Sounds sorgen.