Susann Klossek: desperate mousewife
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novum publishing (D 2010)
Wer in den Medien arbeitet, ist zu bemitleiden. Erst recht, wenn es sich um IT-Medien handelt. In der Schweiz. Als Frau, übergewichtig und sexsüchtig. Warum Sie dennoch die Abenteuer der Roswitha Kozlowski lesen müssen, erfahren Sie hier. 02.08.2011
Daß man nicht leben möchte, äußerte angeblich einmal der einstige Gott der literarischen Depression Michel Houellebecq, heiße noch lange nicht, daß man sterben wolle. Mit ungewohnt sanfter Wucht versuchte er in "Ausweitung der Kampfzone", das Leben in seiner ganzen trostlosen Verlogenheit möglichst wahrhaftig und mit allen beschissenen Details darzustellen. Dabei ist er leider schon in "Elementarteilchen" immer langweiliger geworden, in späteren Büchern sogar altersmilde und versöhnlich - vielleicht die Spätfolgen eines neuerdings erfolgreichen Lebens voller Sex und Einkommen.
Möglicherweise wird den geklonten Lesern der Zukunft nur sein Lovecraft-Essay "Gegen die Welt, gegen das Leben" in Erinnerung bleiben. Doch was soll’s: Es gibt heute ohnehin Besseres, wenn man sich bei Wochenend´ und Sonnenschein für den Selbstmord in Fahrt bringen möchte.
Zum Beispiel den ganz vorzüglichen Roman "desperate mousewife" von Susann Klossek.
Montagmorgen, 12 Grad, Regen.
Ich bin dann mal tot.
Der 250-Seiten-Downer schildert tagebuchähnlich die Abenteuer der Roswitha Kozlowski im Verlauf eines Jahres, nach der Trennung von ihrem geliebten Daniel bis zur wirklich endgültigen Trennung von ihm. Dazwischen liegen Tage voller unterhaltsamer Ödnis, denn Karrierefrau Roswitha ist Chefredakteurin eines IT-Magazins. Entsprechend hat sie es vor allem mit häßlichen Geschäftsführern und Marketingheinis zu tun, deren Wortblähungen auch den stärksten Verstand in den kichernden Wahnsinn treiben.
Haben Sie schon mal Ihren Computer angeschaltet und sind in Ekstase geraten?
Eben, ich auch nicht.
Tage voller Drogen, denn das Leben als übergewichtige Intellektuelle ist mit einem voll funktionstüchtigen Gehirn einfach nicht zu ertragen, auch wenn der Dalai-Lama-Kalender täglich Sprüche fürs Seelenheil liefert, denn die kann man nach dem Abreißen getrost wegschmeißen. Tage voller Reisen, denn die umtriebige Journalistin nimmt jede Pressetour mit und macht dazwischen reichlich Urlaub. Und Tage voller meist unbefriedigender Geschlechtsakte: Roswitha testet nicht nur ständig die bröckelnden Restruinen ihres Marktwertes aus - öfter als für das Ego gesund läßt sie sich auf amouröse Abenteuer ein, die keine sind.
Leidenschaft ist für den Moment.
Danach sollte jeder besser für sich allein bleiben.
Warum nur, habe ich die in der Schweiz als IT-Journalistin getarnt lebende Malerin nach der mich erheblich erheitert habenden Lektüre gefragt, habe sie dieses höchst witzige und lesenswerte Buch nicht bei namhaften Marktführern im Frauenbuchbereich verlegen lassen und es stattdessen einem Kleinstverlag anvertraut?
"Die Lektorinnen, die es wohl wirklich gelesen haben, meinten verkrampft: zu zynisch, zu frauenfeindlich, zuviel Sex."
Na, immerhin haben die verkrampften Lektorinnen auf diese Weise die wahren Vorzüge des Buches pointiert formuliert. Besser kann es eigentlich nur Susan Klossek selbst, die eine schöne Zusammenfassung im Eintrag vom 6. Mai liefert:
Ergebnis dieser Pressereise: 1 mittelmäßige Story, 3 Vögelangebote, 1 Kilo
zugenommen.
Susann Klossek: desperate mousewife
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novum publishing (D 2010)
Das Ende war verführerisch nah, aber leider geht die Welt schon wieder nicht unter. Irgendwie mindestens teilbedauerlich. Eine Bestandsaufnahme mit tagebuchartigen Einsprengseln und völlig unbegründeten Hawaii-Erwähnungen.
Einsames Aufräumen ist das gemeinschaftliche Feiern unserer Zeit. Entsprechend miste auch ich ununterbrochen aus - Medien zum Beispiel, weil die sowieso verzichtbar sind. Vor allem Bücher werden völlig überschätzt.
Einige wenige Wohlgesonnene, es werden wöchentlich weniger, warten seit gefühlten Äonen auf diese neue Kolumne - und dabei wird es auch bleiben, und ich rate sowieso ab.
Immer wieder ist von junger Literatur die Rede, und wenn davon die Rede ist, dann nicht von uns. Und das ist nur einer der vielen Vorteile des Alters, über die unser gealterter Star-Kolumnist Sie heute informieren wird.
Wenn Sie nicht wissen, was "Social Media" oder "K2-18b" sind, dann können Sie eigentlich gleich aufhören zu lesen. Aber auch sonst raten wir wie immer von der Lektüre dieser irrelevanten Kolumne ab, in der es zwar heute mal um was geht, aber um nichts Wichtiges.
Immer wieder fallen uns Sprachzombies mit halbverrotteten Phrasen an. Zumindest dieser einen sollten wir einen Headshot verpassen.
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