Michael Connelly: Neun Drachen
ØØ
Nine Dragons
Knaur (D 2011)
Lobe den Tag nicht vor dem Abend, lautet eine bekannte Weisheit. Zu einem ähnlichen Urteil gelangt man, nachdem man den neuen Thriller des US-Autors gelesen hat. 20.04.2011
Habe ich Michael Connelly nicht erst vor kurzem anhand des Romanes "Sein letzter Auftrag" bescheinigt, daß er wie nur wenige andere die hohe Kunst des guten, alten, soliden Thrillers beherrscht? Nachdem ich mir jetzt die zweite Connelly-Novität dieses Frühjahrs, einen neuen Harry Bosch-Band, zu Gemüte geführt habe, muß ich mein Urteil leider überdenken.
Dabei beginnt "Neun Drachen" im ersten Teil vielversprechend: In L.A. wird ein chinesischer Spirituosenhändler erschossen. Detective Harry Bosch nimmt die Ermittlungen auf. Der Leser schaut ihm bei der zähen Spurensuche über die Schulter; Polizeiarbeit, die nicht wirklich aufregend ist, aber authentischer nicht sein könnte.
Das hat durchaus seinen Reiz, auch noch, als er auf die Triaden stößt, die im großen Stil Schutzgeld von ihren chinesischen Mitbürgern erpressen. Offenbar hatte der Schnapsverkäufer beschlossen, die Zahlung zu verweigern, weshalb ein Exempel statuiert werden mußte. Da bekommt Detective Bosch eine Video-SMS seiner Tochter Madeline, die mit ihrer Mutter, Harrys Ex-Frau, in Hongkong lebt. Madeline ist in dem Filmchen gefesselt und geknebelt. Die anonyme Botschaft, die ihn zur gleichen Zeit telefonisch erreicht, ist unmißverständlich: "Lassen Sie die Finger von dem Fall!".
Hier scheint Connelly eingefallen zu sein, daß er eigentlich keinen Polizeikrimi, sondern einen Thriller hatte schreiben wollen - und daß dafür Dinge wie Authentizität oder Realismus keine Rolle mehr spielen. Denn im zweiten Teil von "Neun Drachen" jettet Bosch nach Hongkong, wo er den Wolkenkratzer ausfindig macht, in dem offenbar seine entführte Tochter gefilmt worden ist.
Daß ihm dies anhand einer kurzen, verpixelten Videoszene gelingt, ist schon erstaunlich genug. Noch haarsträubender wird es, als bei dem Versuch, in das Zimmer vorzudringen, seine Ex-Frau erschossen wird. Obwohl Bosch sie noch immer liebt, zuckt er bei ihrem Tod nicht einmal mit der Wimper. Und selbst deren neuer Freund läßt nicht den Hauch einer Gefühlsregung erkennen, sondern erklärt stattdessen: "Müssen Tochter finden."
Zudem kommt der fortschreitenden Action-Geschichte auch noch jedwede sprachliche Raffinesse abhanden. In solchen Fällen gibt man gern dem Übersetzer die Schuld, aber mit Sepp Leeb war ein erfahrener Connelly-Transkriptor am Werk, der schon "Sein letzter Auftrag" ins Deutsche übertragen hat - und dies wohlgemerkt vortrefflich. Bleibt also nur der Autor selbst, der hier offenbar geschludert hat.
Immerhin läuft Connelly im dritten Teil, Boschs Rückkehr nach L.A., wieder zu alter Form auf: Die Auflösung des Mordfalles geht routiniert vonstatten. Dabei bekommt Journalist Jack McEvoy (aus "Sein letzter Fall") ebenso seinen Cameo-Auftritt wie Michael Haller (der Anwalt aus "So wahr uns Gott helfe"). Sogar für Matthew McConaughey findet sich Verwendung - er spielt Michael Haller in der anstehenden Kinoverfilmung von "Der Mandant".
So hinterläßt das Gesamtkonzept von "Neun Drachen" gemischte Gefühle. Einerseits ist es ein solide und spannend erzählter Krimi, andererseits ein unglaubwürdig konstruierter und lieblos formulierter Thriller. Was beweist: Reine Action liegt Connelly nicht. Wenn es aber um die Schilderung spannender Ermittlungsarbeit geht, macht ihm so schnell keiner etwas vor.
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