Schütz/Jacono/Marschik (Hrsg.): Alles Derby!
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100 Jahre Rapid gegen Austria
Die Werkstatt GmbH (Ö 2011)
Nicht nur, weil wir Ihnen hier ein Buch über Fußball vorstellen (das Hochjubeln stumpfsinniger Massenspektakel überlassen wir ja sonst den Intellektuellen bei "Falter" & Co). Wir haben zudem - aus Gründen der Neutralität - einen Kollegen aus Deutschland gebeten, sich des Werkes anzunehmen ... 25.01.2012
Sich dem österreichischen Fußball widmen zu müssen, ist für einen Deutschen zwangsläufig der Vorhof zur Hölle. Es ist wohl der Ort, an dem Sportjournalisten für zwei bis drei Jahre geparkt werden, wenn sie innerbetrieblich derart viel Schaden angerichtet haben, daß Abschiebung und Zwangseinweisung dringend nötig scheinen.
Wer dazu verdonnert wird, sich mit dem SV Ried und dem Kapfenberger SV auseinanderzusetzen, muß Sachen angestellt haben, die mindestens von Hurenbesuch auf Kosten des Senders bis zu heimtückischem Mord reichen; und niemand begibt sich freiwillig in solche Gefilde, wenn er parallel dazu dem heimischen Landesligisten beim Kicken zusehen könnte, sofern man denn – aus welchen dubiosen Gründen auch immer - unbedingt Provinz und schlechten Fußball geboten haben will.
Meinen ersten Kontakt mit dem österreichischen Fußball hatte ich 2008, ich war in Mexiko unterwegs und traf auf zwei österreichische Medizinstudenten, die sich, wie für Männer so üblich, beim Erstgespräch sofort um die Klärung der persönlichen Fangrenzen bemühten; "Fußball geht immer", oder so ähnlich. Während ich zu Protokoll gab, daß ich mein Herz an den MSV Duisburg verschwenden würde, antwortete einer von ihnen: "Das ist doch diese graue Maus des Ruhrgebiets, oder?", womit er sich meiner Sympathien sicher sein konnte.
Es war damals, als mir auffiel, daß der Österreicher wohl lieber von anderen Dingen schwärmt, zumindest die angehenden Kittel in Weiß philosophierten lieber über die Schnelligkeit der englischen Liga als über den einheimischen Fußball. Als ich nachfragte, ob es in dieser Hinsicht Bemerkenswertes von daheim zu berichten gäbe, schüttelten beide mit dem Kopf, bevor einer der beiden das Thema wechselte und davon erzählte, wie er Kokain am Strand von Puerto Escondido aufgetrieben hätte ("I hob gedocht, i explodier!"). Eine veritable Drogenproblematik schien ihm sinnvollerer Gesprächsstoff zu sein, zumindest sinnvoller als sich mit den wirklich unsinnigen Themen abgeben zu müssen.
Wahrscheinlich ist das Derby Rapid gegen Austria die einzig bemerkenswerte Konstellation, derer es sich zu widmen lohnt, und in einem Schattenreich aus Fritzl, Haider, Hitler und sonstiger Provinz scheint zumindest dieses Duell so etwas wie kulturellen Glanz auszustrahlen.
Bis heute leidet der österreichische Fußball offenkundig daran, daß man immer noch Hans Krankl zum Volkshelden erklären muß, wen auch sonst, andere gibt’s schließlich nicht, und niemand weiß, was passiert, wenn Hans Krankl tatsächlich mal das Zeitliche segnet. Trotz seiner Gotthaftigkeit konnte aber auch er den österreichischen Fußball nicht retten, im Anschluß an Cordoba wurde man von Ungarn bis Slowenien von allen verprügelt.
Kein Wunder also, daß sich einige Schreiberlinge zusammentrafen, um die Geschichte dieser Partie in all ihren Facetten nachzuzeichnen, das Wenige, was man hat, sollte man schließlich pflegen.
Als Bewohner des Ruhrgebiets dürfte einen ein Buch mit dem Titel: "Alles Derby!" in keinster Weise faszinieren, und daß es schlußendlich dann doch funktioniert, hat wohl damit zu tun, daß sich hier eine Phalanx von Autoren aufgemacht hat, um bild- und wortreich dieses Duell durch die Historie zu jagen.
Von "papierenen" Austria-Stürmern ist dort die Rede, von ungeklärten Todesfällen, und der Meisterschaft der Rapidler im Nazideutschland, als ihr Exportprodukt fröhlich auf dem Burgplatz herumwinkte und die alte, neue Heimat grüßte. Von Fans bis Polizei reicht die Kette jener, die sich zu dieser Partie äußern, oral history steht neben Zeitungsausschnitten, von Mäzenen, Platzstürmen, Auf- und Niedergang wird dort gesprochen.
Es sind all diese Anekdoten und Geschichte, die einen dann doch in das Buch ziehen. Wo sonst hätte ich erfahren, daß der Fußballgott Krankl einstmals mit dem Song "Der Bätmän bin i" die österreichischen Charts aufmischte - wahrscheinlich der zweitgrößte Erfolg seiner Karriere, wenn nicht gar der größte -, und wo sonst hätte ich nachlesen können, daß die Austria tatsächlich so dumm war, Christoph Daums Rückfall zurück an die Linie mit einzuleiten, Rapid aber mit Lothar Matthäus umgehend ausgleichen konnte?
Spätestens als ich mich dabei ertappte, wie ich anfing, Sympathien für die einen und Antipathien für die anderen zu empfinden, war klar, daß ich diesen Klotz nicht mehr außer Acht lassen konnte. Um es kurz zu machen: Für Rapid sprach alles, für Austria nahezu nichts.
Es ist bemerkenswert, wie das Autorenkollektiv die Geschichte dieses Spiels beschreibt, dabei Zeitzeugen und Journalisten neben Historie stellt, Spieler analysiert und porträtiert, sich die Bälle zuschiebt, Fäden wieder aufnimmt und woanders weiterspinnt. Aber als alle Derby-Facetten dann mit der letzten Seite beleuchtet wurden, fragte ich mich, ob man diesem Buch ein weiteres über den österreichischen Fußball folgen lassen sollte.
Zu groß ist vielleicht die Last, die weitere Autoren auf sich nehmen, wenn sie wirklich über den SV Ried und den Kapfenberger SV schreiben müssen, und was die liebevolle Aufbereitung und Lebendigmachung angeht, werden sich auch in Zukunft viele Bücher an diesem messen müssen.
Oder, übersetzt: "Alles Derby!" ist das "I wer narrisch!" der österreichischen Fußballiteratur, der Hans Krankl der Bibliophilen. Aber in beiden Fällen gilt: Der nächste kann gerne kommen.
Schütz/Jacono/Marschik (Hrsg.): Alles Derby!
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100 Jahre Rapid gegen Austria
Die Werkstatt GmbH (Ö 2011)
Vor nicht ganz 25 Jahren starb der deutsche Literat, Ex-Junkie, Burroughs-, Beat- und Bukowski-Fan, Journalist und Rebell Jörg Fauser bei einem nächtlichen Spaziergang auf der Autobahn. Bis heute sind die Umstände seines Todes nicht ganz geklärt. Fest steht jedoch, daß Fauser den amerikanischen Noir-Roman als erster gekonnt nach Deutschland transponierte und sich bis an sein Lebensende nicht von der beamteten Kulturmafia vereinnahmen ließ. Michael Wildberg erinnert an einen großen deutschen Schriftsteller.
Nicht nur, weil wir Ihnen hier ein Buch über Fußball vorstellen (das Hochjubeln stumpfsinniger Massenspektakel überlassen wir ja sonst den Intellektuellen bei "Falter" & Co). Wir haben zudem - aus Gründen der Neutralität - einen Kollegen aus Deutschland gebeten, sich des Werkes anzunehmen ...
Warum es 27 Jahre gedauert hat, bis dieses Buch des ebenso genialen wie manischen Journalisten und Autors bei uns erscheinen konnte, versteht kein Mensch. Aber jetzt ist es endlich soweit ...
... schrieb "der Duke" 2003 über die Bush-Regierung - und solche Sätze waren typisch für ihn. Was bei diversen Interviews mit dem Mann herauskam, der den Gonzo-Journalismus erfunden hat, ist in einem soeben auf Deutsch erschienenen Buch nachzulesen.
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