Print_William Gibson - Spook Country
Spieglein, Spieglein - aus der Zukunft
Ein Science-Fiction-Autor lokalisiert den kulturellen Status quo unseres Daseins: das Land der Spione. Stefan Becht gewährt erste Einblicke in das neue Buch des Cyberpunk-Erfinders, das im August in den USA erscheint.
23.07.2007
Er ist der Erfinder des Begriffes "Cyberspace", hat sich mit seinen "Neuromancer"- und "Idoru"-Trilogien in die Herzen und Hirne der Internet-Gemeinschaft eingeschrieben und darf getrost als Großvater der Science-Fiction-Literatur bezeichnet werden. Der im Gespräch bescheidene und überlegte amerikanische Autor William Gibson, der schon seit fast 30 Jahren im kanadischen Vancouver lebt, zählt sich selbst nicht zu den schnellen Schreibern - ganz im Gegenteil: Lesen Sie dazu das EVOLVER-Interview aus 2001.
Umso schöner ist es, daß am 7. August 2007 bei Penguin Putnam sein neues Buch "Spook Country" (knapp 380 Seiten, für ca. 25 US-Dollar) erscheinen wird. Bereits am 12. Oktober 2006 um 10.13 Uhr verkündete Gibson in seinem Webblog: " 'Spook Country' is ... completed." Mittlerweile gibt es auf seiner Website auch ein kleines Film-Interview zu seinem neuen Buch zu sehen.
Vier Jahre ist es her, daß Gibson mit seinem bisher letzten Roman "Pattern Recognition" (dt.: "Mustererkennung", bei dtv) in der Gegenwart angekommen war. Auch das von ihm als "Novelle" bezeichnete aktuelle Werk "Spook Country" soll, soweit wir wissen, im Hier und Jetzt, im Heute spielen. War in "Pattern Recognition" die Heldin Cayce Pollack, deren Krankheit und Verdienstquelle die "Mustererkennung" abgab, auf der Suche nach einem geheimnisvollen Videoclip, der stückchenweise über das Web verbreitet wurde, so sucht die freie Journalistin Hollis Henry, die in L. A. für das Magazin "Node" arbeitet, das es noch gar nicht gibt, in "Spook Country" nach einem mysteriösen Paket, das verschwunden ist.
Wie immer stellt Gibson seiner Heldin einzigartige, kaum durchschaubare Charaktere an die Seite - von Milgrim, dem Junkie mit militärischer Vergangenheit, bis zu Tito, einem jungen Kubaner, der fließend Russisch spricht und sich auf "delikate" Daten- bzw. Informationsübertragung spezialisiert hat. Und wie immer mischen die CIA und der ehemalige KGB mit. Schon das Titelwort "Spook", die Slang-Bezeichnung für "Agent", spielt darauf an. Auch der iPod, als Gerät, auf dem heimlich kodierte Informationen transportiert werden, soll eine wichtige Rolle spielen - was dann, angesichts des Schmuggels von Daten auf profanen Keycards, wie wir das schon seit 2001 aus dem TV-Episoden-Thriller "24" kennen, doch etwas altertümlich hinterherhinkt.
Doch um all das wird es William Gibson natürlich nicht gehen. Die Frage ist vielmehr: Welche Welt wird sich da spiegeln in "Spook Country" und was hat sie mit uns und unserem Leben zu tun? Seit sich Gibson mit der Gegenwart beschäftigt, geht es ihm nämlich um nichts anderes. Schon alleine deshalb ist seine neue Novelle absolute Pflichtlektüre - ganz abgesehen vom Vergnügen, das jeder Gibson-Titel dem Leser beschert.
"Spook Country" wird im Frühjahr 2008 in deutscher Sprache im Verlag Klett-Cotta erscheinen. Und auf das neue Buch unseres Lieblingsautors Neal Stephenson ("Cryptonomicon", "Quicksilver", "Confusion"), das der dieser Tage ankündigte, müssen wir ohnehin noch etwas warten. Wir wissen zwar, auf den Mann ist Verlaß, wenn er schon einmal was sagt, aber: Er schreibt alles mit der Hand!
Stefan Becht
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