Print_Frank Westenfelder - Eine kleine Geschichte der Söldner

Söldner sind böse!

So lernt man es in der Schule und aus Postillen wie BILD, ZEIT oder SPIEGEL. Dummerweise stimmt das genausowenig wie die meisten Verallgemeinerungen (von Bankern, Spekulanten und Politikern einmal abgesehen) ...
Martin Compart über ein ungewöhnliches Sachbuch.    12.06.2011

Söldner sind Instrumente, wie etwa ein Hammer: Man kann ihn gebrauchen, um Nägel in die Wände zu hauen, oder um mit ihm den Schädel eines Mitmenschen zu zertrümmern.

"Es sind nicht die privaten Sicherheitsfirmen (Private Military Companies), die die Demokratie zerstören, wie manchmal gerne verkündet wird, sondern bestehende staatliche Institutionen, die mit der Beschäftigung solcher Firmen parlamentarische Kontrollinstanzen umgehen", schreibt Frank Westenfelder im besten deutschsprachigen Buch zum Thema Söldnerwesen.

 

Da es kaum Kriege gab und gibt, in denen Söldner keine Rolle spielen, scheint das Thema kaum zu bewältigen zu sein - auch wenn der Autor erst kurz vor der Neuzeit 1000 n. Chr. einsetzt. Aber ihm gelingt es blendend, zu jeder Epoche einen großen Überblick zu geben und dann an exemplarischen Einzelfällen die jeweiligen Spezifika herauszuarbeiten. So geht er zum Beispiel beim Russischen Bürgerkrieg genauer der Masse an weißrussischen Militärs nach, die als Söldner die Geschicke in China und Zentralasien zwei Jahrzehnte lang mitbestimmt haben.

Ob politischer Überblick, militärische Taktiken, Strategien oder Waffentechnologie - das Buch strotzt vor interdisziplinärem Fachwissen. Und er beschreibt die komplexesten Themen so eingängig, daß sich das Buch wie ein Thriller liest. Ein Page-Turner, den man schwer aus der Hand legen kann, und politisch von keinerlei Naivität getrübt:

"Die CIA soll Resultate bringen, aber die Menschenrechte beachten. Also läßt man Häftlinge zum Verhör nach Pakistan oder Ägypten bringen, wo Folter zwar auch verboten ist, sich aber niemand darum kümmert … Man schafft mit voller Absicht rechtsfreie Zonen … Bei PMCs wie Blackwater, Dyncorp oder MPRI handelt es sich um keine Söldnerfirmen, sondern um inoffizielle Dienststellen von Pentagon und CIA, von denen sie vollkommen abhängig sind, was einem Söldnerstatus eindeutig widerspricht. Sie dienen dazu, demokratische Kontrollinstanzen wie Senat und Kongreß zu umgehen, mindern den Druck der Öffentlichkeit."

 

Dr. Frank Westenfelder studierte in Karlsruhe Literaturwissenschaft und Geschichte. Er promovierte zum Thema der nationalsozialistische Ideologie im historischen Roman - auch eine Arbeit, die man gerne liest. Heute lebt er als freischaffender Programmierer in Barcelona. Von dort aus betreibt er die wohl beste Netz-Seite über das Söldnertum, der auch international nichts Vergleichbares entgegengesetzt werden kann.

Und genau an dieser Schnittstelle ergänzen sich zwei Medien vorzüglich: Man findet auf http://www.kriegsreisende.de zu jedem im Buch angesprochenen Thema Ergänzungen und Vertiefungen. Die Page macht das Buch auch keineswegs überflüssig, da es dem Interessierten erst einmal einen generellen Einblick ermöglicht, das Rüstzeug liefert, an Hand dessen man weitergehende Informationen einordnen kann. So sollte heute mit Geschichte umgegangen werden.

Die "kleine Geschichte" ist ein großer Wurf!

Martin Compart

Frank Westenfelder: Eine kleine Geschichte der Söldner

ØØØØØ

Historische Gestalten auf dem Weg in die Moderne

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Adatia (D 2011)

 

auch als eBook erhältlich

 

Inhaltsverzeichnis:

 

I. Die Unpatrioten

 

II. Ein Beruf wird neu entdeckt - (ca. 1000-1300)

Schwertkönige (die Normannen in Italien)

Die Männer des Cid (Christen im Dienst der Moslems)

Gegen den Adel (die normannischen Könige in England)

Das Fußvolk (die große Katalanische Kompanie)

Wes Brot ich ess... (das Gefolge im Haushalt)

 

III. Der Aufstieg - (ca. 1300-1480)

Der Feind Gottes (Werner von Urslingen)

Condottieri (Italien im 14.Jahrhundert)

Der Hundertjährige Krieg (Frankreich)

Der Bascot (Biografie eines Söldners)

Der Herbst des Mittelalters

 

IV. Das goldene Zeitalter - (ca. 1480-1650)

Den Schrecken in den Feinden mehren (Landsknechte u. Schweizer)

Arme Schiebochsen (das Fußvolk)

Die weite Welt (die Entdecker)

Die Schätze des Orients (Dienst bei der VOC)

Abenteurer und Soldaten

 

V. Der Abstieg beginnt - (ca. 1650-1815)

Die verkauften Regimenter (Soldatenhandel)

Sklaven für vier Pennys täglich (Surinam)

Glücksritter (Instrukteure in Indien)

Der Anfang vom Ende (die Französische Revolution)

Die Söldlinge Albions (die Königlich Deutsche Legion)

 

VI. Ausverkauf - (ca. 1815-1914)

Libertad (Bolivars Legionäre)

Träumer, Revolutionäre...Legionäre (Philhellenen u.a.)

Des Weißen Mannes Bürde (Fremdenlegion)

Kriegstourismus

 

VII. Das Ende vom Lied? - (ca. 1918-1990)

Armeen im Exil (die Weißrussen im Exil)

Spanien und Marokko

Fall der Weißen Riesen (Kongo u. Biafra)

Spezialisten (Piloten)

Adrenalinjunkies

 

VIII. Postmoderne (ca. 1990 und danach)

Greencard-Soldaten (Rekrutierung von Immigranten)

Mietregimenter (Söldner im Dienst der UNO)

PMCs (Executive Outcomes u. Blackwater)

Bilder und Mythen (Söldner in den Medien)

Links:

Kommentare_

Alban Sturm - 12.06.2011 : 21.39
Ohne die Rechercheleistung von Hr. Westenfelder im geringsten schmälern zu wollen: auch Söldner sind Menschen, und daher ethischen Maßstäben unterworfen. John Demjanuk wurde jüngst - zu Recht - verurteilt; ein Mann, der immerhin äußere Zwänge geltend machen konnte.
Wer sich jedoch - wie die Mitarbeiter von PMCs - aus freien Stücken dazu entschließt, seinen Lebensunterhalt mit dem Töten von Menschen zu bestreiten, ist schlicht ein kriminelles Arschloch. Daß allein die Existenz besagter "Companies" jeder zivilisierten Gesetzgebung hohnspricht, ist eine Sache; das enthebt den einzelnen Mitarbeiter jedoch nicht seiner individuellen Verantwortung.
Aussagen wie "schuld sind die Regierungen, die solche Firmen beschäftigen" zeugen zumindest von großer Naivität: ohne jene (im besten Falle:) ethisch Minderbemittelten, die sich als Mörder dingen lassen, gäbe es das spezifische Problem gar nicht.
Es sei das Resultat von Angebot und Nachfrage? Ein Staat, der töten läßt, senkt die Hemmschwelle? Wohl wahr - statistisch gesehen; und sicherlich kein Ruhmesblatt für homo "sapiens". Aber eben keine Entschuldigung.
Söldner sind nicht vorsätzlich "böse" - derlei bedarf eines Mindestmaßes an Intelligenz + Bildung. Sie rekrutieren sich bloß aus jener (im Wortsinne:) asozialen Schicht, die mit verschwitzten Pubertätsträumen von Männlichkeit und Heldentum ihre geistigen Lücken füllt. Fesche Kleidung, griffige Symbole, "coole Sprüche": auch der eineiige Schickelgruber wußte, womit man geltungssüchtige Buben fasziniert.
Blackwater & Co sind die SA und die SS unseres Jahrhunderts - privatisiert und globalisiert; Auffangreservoir für alle, deren Bedürfnissen "normaler" Militärdienst zuwenig Spielraum bietet. Und wir? Wir genießen das wohlige Erschauern, wenn wir die Nachrichten hören. (Westernhelden! Piratenkapitäne! Gesetzlose, Vigilanten, Freibeuter, Bravos - ja, da wird uns so sehnsuchtsvoll warm ums Gemächt ... )
Denn es sind nicht "die Regierungen" oder "die Geheimdienste", die letztlich Söldnerarmeen (und vieles Andere) am Leben erhalten. Es ist die klammheimliche Zustimmung der Mehrheit; der ach so unschuldigen Zivilbevölkerung (die erst dann Zeter und Mordio schreit, wenn sie plötzlich selber drankommt). Auch Regierungen fallen nicht vom Himmel: irgendwer muß sie ja auswählen, auf die eine oder andere Art (z.B. demokratisch, wie jene von Hussein oder Bush).
"Ja, aber", klingt es nun: "Das kann man doch nicht vergleichen. Und die Welt ist böse, da muß man sich halt wehren ... " - jaja. Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil, nicht wahr? Angefangen haben schließlich immer die Anderen, und hinterher kann grundsätzlich keiner was dafür. Statt "Ich habe nur meine Pflicht getan" heißt es heute eben: "Ich habe nur meinen Job gemacht".
Als Hammer, vielleicht - um diesen fußlahmen Vergleich zu zitieren. Schön, bleiben wir bei dem Beispiel. Wer also willentlich das Resthirn an der Kassa der Soldauszahler abgibt, verabschiedet sich somit aus dem Zirkel der Humanität. Er befindet sich hernach nicht nur auf einer deutlich niedrigeren Stufe als etwaige bekämpfte Extremisten (die zumindest eine Idee vorweisen können - wie dümmlich immer sie sein mag), sondern auch unterhalb von Tieren (die nie obsolet, bloß auf Befehl von ihresgleichen töten).
Er hat alle Würde und Menschlichkeit abgelegt, um als zu benützendes Werkzeug seine Befriedigung zu finden. Gut, dann sollte er auch so behandelt werden: wie eine a priori willenlose, aber gefährliche Waffe. Die logische Konsequenz: Entsorgung. Als Sondermüll. Und zur Ernüchterung aller blutgeilen TV-Sofa-Helden.
Nein, im Ernst: Söldner sind nicht böse. Sie zählen lediglich zu jener Kategorie von nützlichen Idioten, die schleunigst aus dem Verkehr gezogen werden müßten. Bücher wie das vorgestellte können uns lehren, aus der Geschichte zu lernen, und endlich damit aufzuhören, Verbrechen zu romantisieren. Denn noch kann keine Grauslichkeit blutig genug sein, daß sie nicht irgendwann - je länger sie zurückliegt, desto mehr - verharmlost wird (man denke nur an die lustigen Führungen durch die Folterkammern mittelalterlicher Burgen; in wenigen Jahrhunderten werden wohl auch die Gaskammern zum Erlebnispark für Sonntagsausflügler mutieren).
Söldner sind - zumal heute - fast ausschließlich stumpfsinnige (potentielle) Mörder; da helfen keine windelweichen Ausreden bezüglich schlimmer Kindheit oder perfider Staatsapparate. Enden kann dieser Unfug aber erst, wenn wir aufhören, solche armseligen Figuren zu heroisieren.
Daß intelligenterer Abschaum wie "Versicherer", "Warentermingeschäftler" und sonstige unproduktive Spekulanten die Gesellschaft weitaus mehr schädigt als zukurzgekommene Revolverhelden, ist korrekt - aber das steht auf einem anderen Blatt.
Martin Compart - 15.06.2011 : 15.45
Lieber Alban Sturm,
das Buch ist weit davon entfernt das Söldnertum zu heroisieren - es analysiert. Außerdem wäre es wohl schwer, außer Executive Outcomes´ Einsatz in Sierra Leone, einige Idealisten im Biafrakrieg wie Graf von Rosen und noch ein paar Einzelfälle, Beispiele zu finden, die sich überhaupt heroisieren lassen. Es geht viel mehr um historisch-politische Dimensionen, in denen Volksvertreter als Büttel der Wirtschaft(von Demokratien kann in den westlichen Kleptokratien nicht ernsthaft gesprochen werden,da dort längst die eigene Bevölkerung durch ökonomischen Terrorismus in Armut und Verzweiflung getrieben wird)rechtsfreie Räume schaffen um der Gier der oligarchischen Industrien und den Kapitalanlegern kriminell entgegen zu kommen.
Alban Sturm - 16.06.2011 : 22.48
Sehr geehrter Herr Compart,
mit der von mir kritisierten Heroisierung bezog ich mich ja keineswegs auf das Buch; ich begrüße sachliche Geschichtstexte. Ich bin allerdings davon überzeugt, daß jegliche "eigene Bevölkerung" auf lange Sicht selbst für die Zustände ihres Sozialgefüges verantwortlich ist. Bruno Kreisky meinte einmal sinngemäß: "Jedes Land hat die Regierung, die es verdient". Ich glaube nicht an die Unschuld einer sogenannten Zivilbevölkerung, die bloß von infamen Finsterlingen geknechtet wird. Nein, es ist die Seelenverwandtschaft des "kleinen Mannes" mit "denen da oben". Jeder solche Untertan weiß insgeheim, daß er sich an deren Stelle genauso verhalten würde; er jammert in Wahrheit nicht über die Zustände, sondern bloß über das Mißgeschick, nicht auf der Unterdrückerseite mitspielen zu dürfen.
Ein Staatsvolk, das sich nicht selbst "befreit", kann man nicht zwangsbeglücken. Ich glaube an die Niedertracht des Individuums - und Söldner (die sich ja aus den "unteren" Schichten rekrutieren) sind ein schönes Beispiel dafür. Auch der ökonomische Terrorismus, den Sie völlig richtig benennen, ist sozusagen basisdemokratisch hausgemacht. Gehen Sie hinunter auf die Straße (oder ins Internet zu ebay) und schließen Sie mit dem nächstbesten "unterdrückten" EU-Bürger ein Geschäft ab - dann wissen Sie, wie es zu dem Apparat in Brüssel kommen konnte.
Gier, Ehrlosigkeit und Feigheit sind der kleinste gemeinsame Nenner des Großteils der Weltbevölkerung (von der Dummheit ganz zu schweigen); nur die Ausformungen in den jeweiligen Staatsstrukturen sind - je nach Zivilisationsgrad - unterschiedlich. Das war letztlich immer so, und das wird so bleiben.
Die Alten Griechen nannten es Ochlokratie.

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