Warren Ellis - Gott schütze Amerika
ØØØØ
(Crooked Little Vein)
Heyne (München 2009)
Aus der Reihe "Berühmte erste Sätze" präsentieren wir heute: den gelungensten ersten Satz des Jahres. Und das Buch dazu. Und den Autor dahinter. Und einen begeisterten Fan - Mr. Guido Rohm. 13.11.2009
Literaturpreise gibt es inzwischen wie Sand am Meer. Jedes Dorf mit mehr als zwei Häusern vergibt einen. Manche Autoren werden mit Preisen derart überhäuft, daß es schon die ersten Toten gegeben haben soll. Der Erstickungstod ist nicht zu unterschätzen - aber auch nicht zu überschätzen. Und jedenfalls nicht zu empfehlen.
Warum also nicht einen neuen Preis ins Leben rufen? Wir brauchen noch viel mehr Preise! Jeder sollte einen vergeben. Wenn Sie einen haben, dann her damit. Ich nehme ihn auf jeden Fall an. Macht sich immer gut im Lebenslauf.
So. Nun aber zum heutigen Preis. Ich nenne ihn den "Rohm". Könnte ihn auch den "Guido" nennen, den "EVOLVER" oder den "Dingsda". Der Name interessiert nicht. Ich grüble. Denke nach. Eigentlich doch. Ein Produktname ist wichtig. Sehr wichtig. Nenne ihn also "Dildo". (Sexuelle Anspielungen verkaufen sich immer gut.) Preisgeld gibt es keines. Doch. Einen Cent. Man muß ja was rüberreichen können.
Der "Dildo" wird in diesem Jahr für den "besten ersten Satz in einem Roman" vergeben. Nominiert sind:
James Domb für
"Das Mondlicht fiel wie ein Sack Beton auf sein Gesicht."
Aus "Kongofieber", 390 Seiten, Debil-Verlag, 2009
Lisa Schwegenhöfer für
"Achenbach lachte kurz auf und starb."
Aus "Achenbachs letztes Lachen", 75 Seiten, Süden-Verlag, 2009
Bob Jameson für
"Der Regen trommelte wie ein wild gewordener Jazzmusiker seinen freien Rhythmus auf die mit Wellblech überzogenen Häuser der Kleinstadt."
Aus "Aufstand kleiner Männer mit großen Gewehren", 280 Seiten, Roden-Verlag, 2009
Warren Ellis für
"Ich schlug die Augen auf und sah, wie die Ratte in meinen Kaffeebecher pisste."
Aus "Gott schütze Amerika", 303 Seiten, Heyne-Verlag, 2009
So. Jetzt wird es spannend. Bitte etwas Trommelwirbel. Gewonnen hat ...
... Warren Ellis mit seinem Roman "Gott schütze Amerika."
Der Autor kann sich das symbolische Preisgeld in Höhe von einem Cent jederzeit bei mir abholen.
Zum Buch: Die Welt ist verrückt geworden, und Warren Ellis schreibt darüber. Die Schaltzentrale des Wahnsinns befindet sich in den USA. Irgendwo müssen sich die Irren ja versammeln können. Und wir alle wissen, die Lieblingsstadt der Verrückten ist Washington. Da läßt sich so schön Weltmacht spielen. Außerdem darf man im Notfall Atomraketen auf den Rest der Welt abfeuern. Die Welt ist böse. Da muß man sie auch mal ein bißchen nuklear verseuchen dürfen, ohne daß es einem die anderen gleich bis in alle Ewigkeit nachtragen. Europäer waren schon immer Spielverderber. Autor Warren Ellis ist Engländer, nicht in Regierungskreisen beschäftigt und daher natürlich kein Angehöriger der "Guten". Die wohnen nämlich alle in Texas und bohren nach Öl und Macht.
Privatdetektiv Michael McGill, Säufer und Rattenjongleur, bekommt vom Stabschef des Präsidenten den Auftrag, die verlorengegangene "Geheime Verfassung" der Vereinigten Staaten aufzuspüren. Mit ihr will die Regierung den moralischen Verfall des Landes aufhalten. Also begibt sich McGill in Begleitung des polymorph-perversen Tattoo-Girls Trix auf eine Reise durch die Abgründe der USA. Dort treffen sie unter anderem auf Bodybuilder, die sich Salzlösung in die Hoden spritzen. Klingt das verwirrend? Ja? Das war aber erst der verständliche Teil ...
Warren Ellis scheint ein Medium zu sein - ein begnadetes Medium. Er dürfte eine Art mentaler Parkplatz für folgende Verstorbene sein: William Burroughs und Hunter S. Thompson. (Ist nicht von mir. Habe ich irgendwo gelesen. Stimmt aber und wird daher geklaut.) Zumindest liest sich sein Roman so, als hätten die beiden zusammen gesoffen und dann gearbeitet. Man kann es natürlich auch etwas nüchterner betrachten und sagen: Warren Ellis ist einfach ein verdammt guter Autor. Und mit seinem Erstling läßt er es so richtig krachen. Ein solches Buch muß man lesen, da gibt es keine Ausreden. (Sollte es doch welche geben, sammeln sie die besten Ausreden bitte und senden Sie sie an die Herausgeber. Die werden sich freuen. SEHR freuen! Die beste Ausrede bekommt dann vielleicht einen Preis.)
Und wenn Sie dann auf das Kapitel mit dem Serienkiller stoßen, werden Sie auch ahnen, warum Ellis noch viel mehr Preise bekommen sollte. Die Sache mit dem Mörder, der uns erklärt, warum fast alle Perversionen inzwischen absoluter Mainstream sind, ist schon fabelhaft gemacht und hätte fast noch einen Preis verdient. Vielleicht den "Hannibal".
Den "Dildo" hat Ellis ja schon.
Warren Ellis - Gott schütze Amerika
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(Crooked Little Vein)
Heyne (München 2009)
Thor Kunkel hat bereits alle Hochs und Tiefs einer Karriere im Literaturbetrieb hinter sich. Nachdem sein Roman "Schwarzlicht-Terrarium" ihn zum Shooting Star gemacht hatte, folgte nach den unsäglichen Diskussionen um "Endstufe" ein Rückzug zu kleineren Verlagen. Spätestens mit "Subs" ist das enfant terrible wieder da. Guido Rohm sprach mit dem deutschen Schriftsteller.
Man ist es nicht, aber man kann es werden. Wenn die Flügel sich ihren Weg bahnen, dann wird es auch manchmal schmerzhaft.
Eine Kurzgeschichte von Guido Rohm
Zwei Filme. Ein Label. Tarkowskij vs. de la Iglesia. Kunstkino vs. Trash. Langeweile vs. Blut. Kopf vs. Eier. Schlaf vs. Ekel. Man findet. Kaum Worte. Dafür.
Die meisten Romane langweilen. Nach 150 Seiten, spätestens. Und dann plötzlich bekommt man einen Autor serviert, an dem man sich endlich einmal verschluckt.
Guido Rohm über den neuen McKinty ...
Er taucht keine Tierkadaver in Formaldehyd. Er hat keinen ehemaligen Pornostar geheiratet. Nicht einmal mit einer Hornbrille wurde er bislang gesichtet. Aber er kann Eines: Malen.
Guido Rohm über den deutsch-polnischen Künstler.
Stellen Sie sich vor, Sie wären ein fetter und häßlicher Sack, der schon immer eine begehrenswerte Frau mit riesigen Titten sein wollte. Ok. Sie haben da schon öfter drüber nachgedacht, aber was wäre, wenn Sie sich plötzlich ihren Wunsch erfüllen könnten?
Kommentare_
Ich möchte dagegenhalten: Das Buch ist schlecht. Es versucht so verdammt angestrengt, witzig zu sein, daß ihm trotz durchaus passabler Passagen nach dem ersten Drittel die Luft ausgeht. Dramaturgisch lahm. Maximal 000 Punkte: "Um die Zeit im Flieger totzuschlagen."
Was uns allen wieder zeigt, warum man nie auf den Mann von der Straße hören sollte ...