Carol O’Connell: Such mich!
ØØ
Find me
Btb (D 2009)
Die Damen lesen am liebsten Krimis und Thriller, wie wir spätestens seit Bill Ramseys "Mimi" wissen. Doch was, wenn sie auch selbst welche schreiben?
Marcel Feige hat drei Beispiele ausgewählt.
16.10.2010
Carol O'Connell: Such mich!
Eigentlich ist die Idee nicht schlecht: Ein Serienkiller mordet sich die Route 66 entlang, und Detective Kathleen Mallory erklärt den Fall zur persönlichen Angelegenheit, weil ihr spurlos verschwundener Vater ihr nichts anderes hinterlassen hat als ein Tagebuch, in dem er die Faszination beschrieb, die ihn umtrieb, seit er den alten US-Highway zum ersten Mal bereiste. Ist er der Mörder?
Der Roman hat ein großes Manko: Die Ermittlerin selbst. Denn da man Mallory fast ausnahmlos durch die Augen ihrer Kollegen und Rivalen wahrnimmt, bleibt sie dem Leser durchweg fremd. Okay, das mag im Sinne der Erfindern sein: Die vom Leben gezeichnete Mallory ist ein gebrochener, ein getriebener, ein verschlossener Charakter.
Doch das A und O eines guten Thrillers ist nun einmal, den Leser wie seine Helden leiden zu lassen. Dazu muß er aber nahe bei ihnen sein, er muß genauso fühlen wie sie. In "Such mich!" bleibt einem aber Mallorys Innenleben verborgen, manch eine ihrer Entscheidungen rätselhaft - und der Roman schlußendlich blaß.
Tania Carver: Entrissen
Noch einer dieser Thriller, die mit besonderem Ekelfaktor punkten wollen: Ein Serienkiller geht um, der schwangeren jungen Frauen das Ungeborene aus dem Bauch schneidet.
Uiuiui ... Dumm nur, daß die Geschichte von Anfang an durchschaubar ist. Denn da gibt es die Profilerin Marina, die einmal was mit dem Cop Phil Brennan hatte, jetzt aber nicht mehr, weil er sie in einer kritischen Situation angeblich einmal versetzt hat. Ebendiesem Polizisten soll sie jetzt bei den Ermittlungen helfen.
Schlimm genug. Noch viel schlimmer aber, daß Marina inzwischen selbst schwanger ist. Davon will sie aber niemandem etwas sagen. Warum, wird eigentlich nicht wirklich klar, aber nun gut, sie will es halt nicht. Und so verwundert es wenig, daß nur der Killer Wind von ihrer Schwangerschaft bekommt. Wie und warum? Auch das spielt keine Rolle. Denn wie die Geschichte ausgeht, ist längst klar: Der Killer will Marinas Kind, und Marina will, daß Phil sie nicht noch einmal versetzt.
"Entrissen" ist ein schnell für den Massenmarkt generiertes Thrillerprodukt, das man nach dem Zuklappen ebensoschnell wieder vergißt.
Gillian Flynn: Finstere Orte
Libby leidet, seit sie ein kleines Kind ist. Damals mußte sie miterleben, wie ihr Bruder Ben in einem Akt sinnloser Gewalt ihre Familie auslöschte. Zumindest hat sie dies später so vor Gericht ausgesagt, und Ben landete daraufhin im Gefängnis. Jetzt, 25 Jahre später, wird sie von Leuten kontaktiert, die nicht nur geil auf Libbys Schilderungen der Bluttat sind, sondern auch noch an die Unschuld ihres Bruders glauben.
Sie lassen solange nicht locker, bis Libby selbst erste Zweifel kommen. Hat ihr Bruder tatsächlich die Morde begangen? Oder wer steckt stattdessen dahinter? Und ist sie deshalb heute auch in Gefahr?
Aus verschiedenen Erzählperspektiven, die zwischen Gegenwart und Vergangenheit hin- und herspringen, wird der alte Fall noch einmal aufgerollt. Spannung entsteht dabei nicht nur durch die schrittweise Enthüllung immer neuer Fakten, die in Libby immer tiefere Wunden aufreißen, sondern auch durch den widerlichen Schrecken, den die - auch real existierenden! - Kill Clubs erzeugen: Menschen, die ihr Leben berühmten Mördern verschrieben haben.
Kurzum: "Finstere Orte" ist ein abscheulich guter Thriller.
Tania Carver: Entrissen
Ø
The Surrogat
Ullstein (D 2009)
auch als Hörbuch erhältlich
Gillian Flynn: Finstere Orte
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Dark Places
Scherz (D 2009)
auch als Hörbuch erhältlich
"Götter der Schuld" werden die zwölf Geschworenen genannt, die im Gerichtssaal über die Schuld eines Angeklagten entscheiden. Nur was, wenn der unschuldig ist, die Beweise dafür aber fehlen? Marcel Feige klärt auf.
Das Romandebüt der deutschen Autorin ist vieles: ein Thriller, ein Familiendrama, eine Rachestory. Vor allem ist es jedoch unbedingt lesenswert, wie Marcel Feige findet.
Hat´s der Schöpfer von Klassikern wie "The Shining", "Carrie" oder "Misery" nach all den Jahrzehnten immer noch drauf? Marcel Feige hat sich in seine neue Kurzgeschichtensammlung vertieft.
Mit einem Robotham kann man für gewöhnlich nichts falsch machen, findet Marcel Feige. Sein neuer Roman ist allerdings eine Ausnahme.
Das muß einem Autor erst einmal gelingen: einen Roman schreiben, in dem nichts passiert. John Grisham hat es geschafft.
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