S. P. Somtow - Dunkle Engel
ØØØØØ
(Darker Angels)
Festa Verlag (Leipzig 2005)
Mit dieser Veröffentlichung macht sich der Festa-Verlag erneut um die Horror-Fans in der deutschsprachigen Lesergemeinde verdient: ein wandlungsfähiges und kompromißloses Werk. 20.09.2005
Einen in Qualität und Einfallsreichtum geradezu erstaunlichen Zwitter aus Horror- und historischem Roman hat S. P. Somtow mit dem "Dunklen Engel" geschaffen. Daß das Buch, das bereits 1998 auf Englisch erschien, nun auch von Lesern deutscher Zunge entdeckt werden kann, ist dem Festa-Verlag zu danken, der in schöner Regelmäßigkeit solche Schätze aus dem angelsächsischen Raum zu heben weiß (ebenso wie das Lesevergnügen mit edel-trashiger Cover-Art im Fall der Taschenbuch-Reihe).
"Der wirkliche Krieg findet niemals Eingang in die Bücher", lautet ein Satz des US-amerikanischen Poeten und - wenn man so will - schwärmerischen Pantheisten Walt Whitman, mit dem nicht nur ein Leitthema, sondern auch eine der Hauptfiguren des Romans vorgestellt wäre. Somtows Roman startet im Jahr 1865 in New York: Vor dem aufgebahrten Leichnam Abraham Lincolns trifft Paula Grainger, Witwe eines Geistlichen, der sein Leben der Sklavenbefreiung gewidmet hatte, auf Whitman. Der Dichter erzählt ihr eine erstaunliche Geschichte über die heimlichen Machinationen ihres Mannes, die allesamt auf eines hinauslaufen: auf die Wiederbelebung Toter.
Whitman, der mit seinem unkonventionellen Lebensstil inklusiver ausgelebter Homosexualität Graingers Leben auf den Kopf stellt, gehört zu den aparten Einfällen eines Buches, das an solchen nicht arm ist. Bald schon bekommt er Gesellschaft von weiteren historischen Figuren: Edgar Allen Poe hat genauso seinen Auftritt wie Lord Byron, der mit ebenso schlüpfrigen wie vom Voodoo-Glauben durchsetzten Fragmenten seiner fiktiven Memoiren aufwarten kann. Und Präsident Lincoln tritt gleich in zweierlei Gestalt auf: zunächst als Toter, später als lebender Toter.
Auf raffinierte Weise, durch das Ineinandergreifen mehrerer Rahmenerzählungen und die damit verbundenen Perspektivwechsel,
wird nach und nach ein Rätsel enthüllt, das nicht nur Witwe Grainger aus der Bahn wirft und für regen Verkehr am Grenzübergang zwischen Leben und Tod sorgt.
Das Verschachteln von Erzählungen wird dabei in einem Exzeß betrieben, wie man ihn sonst nur von den Geschichten aus
"Tausendundeiner Nacht" kennt. Was man schließlich zu lesen bekommt ist die sechsfache Potenz, also die Geschichte in der Geschichte in der Geschichte in der ...
Klingt anstrengend, hat aber, da es mit Selbstironie geschieht, durchaus Unterhaltungswert und funktioniert nicht zuletzt deshalb, weil sich keine einzelne Figur und deren individuelles Schicksal im Fluchtpunkt des Romans findet, sondern eine vom Amerikanischen Bürgerkrieg begleitete Handlung, die wie eine Naturkatastrophe vorwärtsrollt. En passant findet Somtow noch eine konsequent ausgeführte Metapher für die Selbstzerfleischung eines Volkes im Bürgerkrieg: ein verrückter und Jahrtausende alter Voodoo-Gott, der mit einer menschenfressenden Zombie-Meute durchs Land zieht und so für beständigen Zuwachs im Gefolge sorgt. Ebenso originell sind Figuren wie die Dienstmagd Phoebe, bei der es sich um so etwas wie einen weiblichen, schwarzen Hamlet handelt, dessen Wandlungsfähigkeit auch die Tierwelt miteinschließt.
Somtows Roman ist eine Abolitionsgeschichte, aber nicht nur das - und wenn, dann "Uncle Tom’s Cabin of Horrors"; ein hervorragend recherchiertes historisches Panorama, das dennoch beständig mit den historischen Tatsachen ebenso wie mit der Realität als solcher bricht; eine blasphemische Heils- und Erlösungsgeschichte mit der unbefleckten Empfängnis einer schwarzen Sklavin und allem, was sonst noch dazugehören mag; ein Ausnahmewerk des Horrorgenres mit literarischen Qualitäten und ein Buch, wie man es sich öfter wünschen würde. Aber dann wär’s ja keine Ausnahme mehr.
S. P. Somtow - Dunkle Engel
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(Darker Angels)
Festa Verlag (Leipzig 2005)
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