Print_Print-Tips 2/2009

Willkommen in der Twilight-Zone

Umtriebige Schlächter in London, weltreisende Geheimagenten im Dienste Ihrer Majestät und gestörte Filmcharaktere stehen neben heranwachsenden Texanern sowie mythologischen Kreaturen auf unserer Leseliste. Auch wenn diesmal die Sachbücher dominieren, bleibt das Phantastische nicht auf der Strecke.    20.02.2009

Jürgen Fichtinger

Alan Moore - From Hell

ØØØØØ

(Cross Cult)

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Obwohl sich derzeit die halbe Comic-Welt dank der anstehenden "Watchmen"-Verfilmung nur noch um Alan Moores Superhelden-Comic der besonderen Art zu drehen scheint, sollte man an der Neuauflage seines 600 Seiten dicken Klassikers "From Hell" keineswegs vorbeigehen. Die Story rund um die horriblen Machenschaften des legendären Serienschlitzers Jack the Ripper zählt nicht nur nach wie vor zu den spannendsten - und nebenbei ungeklärten - Kapiteln der britischen Kriminalgeschichte; was sich der bärtige Comic-Literat da an Verschwörungstheorien hat einfallen lassen, gibt bestimmt eine der interessantesten Antworten auf die Frage nach Jacks Identität. (Um mehr über die Handlung und den Schöpfer von "From Hell" zu erfahren, lesen Sie gleich weiter in unserem Alan-Moore-Porträt.)

Auch wenn Ihnen die Verfilmung der graphic novel durch die Hughes-Brüder (mit Johnny Depp) noch in Erinnerung sein sollte, handelt es sich dabei im besten Fall um eine rudimentäre "Reader´s Digest"-Variante des Originals. Besorgen Sie sich also die kongeniale Vorlage und tauchen Sie in Moores penibel recherchiertes London des 19. Jahrhunderts ein. Und wundern Sie sich nicht, wenn Ihnen die Atmosphäre der Story so greifbar erscheint, daß Sie bei der Lektüre das Klappern der Pferdedroschken und den Gestank der Gosse wahrzunehmen glauben. Eine großartige Geschichte.

Links:

Joe R. Lansdale - Der Teufelskeiler

ØØØØ

("The Boar", Shayol)

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Der 15jährige Ricky lebt mit seiner Familie am Rande eines kleinen Kaffs in Osttexas. Die Verhältnisse während der Depression in den 30ern sind naturgemäß trist: Was das Feld an Erträgen abwirft, ernährt ihn und seinen Bruder gerade noch. Die Mutter ist schwanger und der Vater aufgebrochen, um sich ein paar zusätzliche Kröten als Jahrmarktboxer zu verdienen. So bleiben dem Buben nur seine Liebe für Pulp-Heftchen, sein Traum von einer Schriftstellerkarriere und sein Kumpel Abraham - bis eines Tages der gigantische Eber "Old Satan" in den Wäldern auftaucht. Daß an der Legende vom wiedergeborenen Medizinmann, der seine Wut auf den weißen Mann als mörderische Bestie freien Lauf läßt, vielleicht doch etwas dran sein könnte, erfährt Ricky hautnah, als der Keiler eines Nachts seine Familie angreift ...

Vor der Kulisse von "Die Wälder am Fluß" entwirft Lansdale erneut eine Coming-of-age-Geschichte, in der sein junger Held an der Schwelle zum Erwachsenwerden einen archaischen Kampf mit mythologisch eingefärbtem Charakter ausfechten muß. Das ist genauso lesenswert wie alles, was der texanische Autor ("Drive-In", "Act of Love", die "Hap & Leonard"-Krimis) bisher veröffentlicht hat - und wahrscheinlich ebenso schnell wieder vergriffen.

Wer Lansdale in einer härteren Gangart erleben will, dem empfehlen wir an dieser Stelle den kürzlich in der Heyne-Hardcore-Reihe neu aufgelegten Roman "Der Gott der Klinge".

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Siegfried Tesche - Der große James Bond Atlas

ØØØ/für Bond-Fans: ØØØØ (Bertelsmann)

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"The name´s Bond. James Bond." Die Begrüßungsworte des berühmtesten Geheimagenten der Film- und Literaturgeschichte hören wir seit mehr als 45 Jahren. Einige Ingredienzen der Reihe haben sich zwar im Lauf der Zeit geändert - doch egal, wer gerade die Doppelnull in der jeweiligen Epoche verkörperte (und ob mit oder ohne Moneypenny), 007 war immer ein Globetrotter und entführte seine Zuseher an exotische Südseestrände, in fernöstliche Megalopolen oder ins tiefste Hinterland. Bond-Spezialist Siegfried Tescher hat sich für diesen Atlas sämtliche Abenteuer des tödlichen womanizers vorgenommen und liefert zu jedem Eintrag eine Landkarte, in der Schauplätze und Drehorte des jeweiligen Bond-Streifens eingezeichnet sind. Dazu gibt es noch Hintergrundinformationen, passende Reisetips und Kontaktadressen. Falls Sie also schon immer einmal auf den Spuren des Mannes mit der Lizenz zum Töten wandeln wollten (oder wissen, ob der jeweilige Bond-Schauplatz auch mit dem Drehort identisch ist), sorgt dieser Atlas für das nötige geographische Hintergrundwissen.

Wenn wir schon dabei sind: Roger Moores Autobiographie My Word is My Bond ist 2008 erschienen. Sir Moore rekapituliert darin seine Jugendjahre, seine Anfänge als Schauspieler und seine Karriere als Simon Templar ("The Saint"), Lord Sinclair ("The Persuaders") sowie natürlich 007 ebenso süffisant-charmant wie sein Engagement als UNICEF-Beauftragter: eine ideale Ergänzung zu den auf den Bond-DVD-Neuauflagen enthaltenen Audiokommentaren.

Nicht ganz so amüsant ist hingegen Sir Sean Connerys Being a Scot. Der politisch engagierte Schotte setzt sich darin primär mit Geschichte, Charakter und den kulturellen Errungenschaften seines Heimatlandes auseinander.

Links:

Dr. Gregory L. Reece - Weird Science and Bizarre Beliefs

ØØØØØ

(I. B. Tauris)

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Erinnern Sie sich noch daran, als Sie "klein" waren und von fremden Galaxien, mystischen Kreaturen und phantastischen unterirdischen Reichen geträumt haben? Als Sie wissen wollten, wie Bigfoot wirklich aussieht, warum sämtliche Nessie-Aufnahmen unscharf sind oder wo genau Atlantis und der Eingang zur "Hohlen Erde" liegen ... "Akte X"-Freunde werden an dieser Stelle wahrscheinlich schmunzeln; schließlich ist es noch gar nicht so lange her, daß Scully und Mulder derlei Phänomenen auf der Spur waren. Frei nach dem Motto "I want to believe" hat sich Gregory Reece überlieferte und moderne Legenden vorgenommen, ihre Historie ergründet sowie Querverbindungen innerhalb der Populärkultur aufgezeigt.

"In this book I have tried to allow the reality of some of the weird scientific claims and bizarre beliefs to show through. Not that I am trying to convince the reader to believe in them. I am only trying to help the reader to appreciate them for what they are", schreibt er im Vorwort und stürzt sich danach in seine Untersuchungen zum Thema "Mysterious Creatures, Lost Worlds and Amazing Inventions". Von Nikolaus Tesla über "The Descent" zum Mothman, von Shangri La nach Mu oder zu den Chupacabras nach Lateinamerika - der geneigte Leser findet in dem knapp 230 Seiten umfassenden Werk eine wahre Fundgrube an Informationen, historischen Aufzeichnungen, Buch- und Filmempfehlungen sowie genereller Liebesbekundungen an die Materie. Glasklare Kaufempfehlung.

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Stephan Doering, Heidi Möller (Hrsg.) - Frankenstein und Belle de Jour

ØØØ

(Springer)

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"Henry: Portrait of a Serial Killer" lautet der Originaltitel von John McNaughtons unbedingt sehenswertem Beitrag zum Thema Serienkiller-Film aus den 80ern. Lange, bevor Dr. Hannibal Lecter einen Boom in Sachen sympathische Psychopathen und Profiling auslöste oder "Dexter" über die Fernsehbildschirme flimmerte, lieferte uns McNaughton bereits einen Soziopathen als einzige Identifikationsfigur. Jahre später landete mit Tony Soprano der erste Mobster auf der Couch und schüttete in der David-Chase-Serie sein Herz zwischen Panikattacke und Mutterhaß dem Psychiater aus.

In das vorliegende Buch haben es zwar weder Henry noch Tony geschafft, dafür aber der Kinofilm "Reine Nervensache", in dem Robert de Niro unter Panikattacken leidet. Dabei handelt es sich um eine von 30 psychischen Störungen, mit denen sich das aus Psychiatern und anderen Spezialisten bestehende Autoren-Team in "Frankenstein und Belle de Jour" auseinandersetzt.

Ob Catherine Deneuve in Roman Polanskis "Ekel" mit einer sozialen Phobie zu kämpfen hat, Marlene Dietrich in "Der blaue Engel" an einer anankastischen Persönlichkeitsstörung leidet oder Frankenstein an einer schizotypen Störung - die Autoren liefern stets eine ausführliche Filmbesprechung und nachfolgend eine Analyse des Krankheitsbilds, seiner Manifestationen im Alltag sowie möglicher Ursachen. Die stilistische Qualität der Reviews unterliegt dabei zwar ziemlichen Schwankungen, die Abhandlung der jeweiligen Störung hingegen liest sich jedoch stets spannend, aufschlußreich und auch für den Laien verständlich.

Dem Verlag und den Herausgebern gebührt für Idee, Konzeption und seriöse Umsetzung des Titels jedenfalls ein kleiner Orden. Schließlich findet ernstzunehmende Auseinandersetzung mit Populärkultur im deutschsprachigen Raum immer noch viel zu selten statt. Ach ja, auf Hannibal the Cannibal und Hans Beckert (Peter Lorre in Fritz Langs "M") hat man natürlich nicht vergessen ...

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