Merlin Holland - Oscar Wilde im Kreuzverhör
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Blessing (München 2003)
Wilde klagte 1895 einen Marquis wegen Verleumdung und wurde dabei selbst zum Angeklagten. Die Prozeß-Niederschrift belegt, wie sich ein Dichter um Kopf und Kragen redet. 03.05.2004
Es wäre lustig, wenn´s nicht so traurig wäre: Die erste vollständige Niederschrift des Queensberry-Prozesses, der Oscar Wilde zunächst ins Gefängnis und dann ins frühe Grab brachte, zeigt den Dichter in Bestform. Nämlich als Freund geschliffenen Stils, der mit paradoxen Aphorismen um sich wirft und sich wenig um die Moralvorstellungen seiner Zeit schert.
So sollte man zumindest meinen, denn ganz egal dürfte die Meinung seiner Zeitgenossen dem Dandy und - leider - fürchterlichen Snob dann doch nicht gewesen sein. Im Februar 1895 hinterließ der Marquis von Queensbury - Vater von Lord Douglas, mit dem Wilde ein Verhältnis hatte - in Wildes Club eine Karte "für Oscar Wilde, den posierenden Sodomiten" (Sodomie war damals noch ein Synonym für Homosexualität).
Welcher Teufel Wilde danach geritten hat, bleibt bis heute ein Rätsel. Jedenfalls klagte er den Marquis, entgegen dem Rat seiner Freunde, wegen Verleumdung und setzte damit ein Gerichtsverfahren in Gang, das wie eine Komödie begann und als Tragödie endete. Edward Carson, der Anwalt der Gegenpartei, nahm den Dichter ins Kreuzverhör und wies ihm seine zahlreichen, wechselnden Verhältnisse mit meist jungen, gutaussehenden Burschen aus der sozialen Unterschicht nach.
Zum Vorwurf wurde ihm auch ein "unmoralisches und obszönes Werk" gemacht - nämlich "Das Bildnis des Dorian Gray", hinter dessen Hauptfigur sich eben jener Lord Douglas verbirgt. Der vom Kläger zum Angeklagten geratene Wilde schien lange Zeit nicht zu merken, daß es um seinen Kopf ging. Er versteckte sich hinter der Pose des Künstlers, der sich mit jungen Männern umgebe, um der Idee der Schönheit zu huldigen. Und verräterische Liebesbriefe gab er kurzerhand als Gedichte aus. Als ihm endlich dämmerte, wohin die Reise ging, war es zu spät. Am Ende wurde Wilde zu zwei Jahren Zuchthaus und Zwangsarbeit verurteilt, und sein Ruhm war dahin. Wenige Jahre nach der Gefängnisstrafe starb er im Alter von 46 Jahren als gebrochener Mann.
Die Herausgabe der Niederschrift der dreitägigen Gerichtsverhandlung, die nunmehr von Wildes Enkel Merlin Holland besorgt wurde, ist mehr als bloße Dokumentation, sie ist für sich betrachtet ein dramatisches Werk - mit Spannungsbogen, Gliederung in drei Akte (Tage) und pointierten Dialogen. Bei einem Dichter, der sein Leben als Kunstwerk betrachtete, scheint es nur folgerichtig, daß auch sein Niedergang ein solches ist. Bloß der Anmerkungsapparat und ein Vorwort von Holland weisen darauf hin, daß es sich eben doch nicht um ein Stück für die Bühne, sondern um ein Stück Realität handelt. Beide dieser erklärenden Teile sind übrigens zum besseren Verständnis hilfreich, können jedoch auch problemlos überblättert werden.
Merlin Holland - Oscar Wilde im Kreuzverhör
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Blessing (München 2003)
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