Marko Kregel - Jost Vacano. Die Kamera als Auge des Zuschauers
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Schüren Verlag (Marburg 2005)
Photo © Markus Schulze
Die deutsche Kameralegende zeichnete sowohl für die Kameraführung bei "Das Boot" als auch bei einem Großteil der Verhoeven-Filme verantwortlich. Ein Buch würdigt sein Schaffen. 01.06.2005
Jost Vacano gehört zur Creme de la Creme der filmischen Bildgestalter und ist neben Michael Ballhaus der wohl berühmteste Cinematographen-Export Deutschlands. Obgleich ihm und seinen Arbeiten seitens der herkömmlichen Filmkritik vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit zuteil geworden ist - was daran liegt, daß seine Bilder im Gegensatz zu Ballhaus´ "prätentiöser" Kameraführung mehr dem Realismus verhaftet sind -, verdanken einige der bekanntesten Produktionen ihren Erfolg und ihre Qualität seiner visuellen Herangehensweise an die jeweilige Geschichte. Marko Kregel verbrachte mit Vacano vier Tage für ein umfangreiches Interview und extrahierte aus den Aufzeichnungen das vorliegende Werkstattgespräch.
Berichtet wird von Vacanos Anfängen und wie er zum Film kam, seinen Fernsehjahren und deren "Höhepunkt" - Robert Klicks "Supermarkt" -, dem Sprung ins Kino durch Schlöndorffs "Die verlorene Ehre der Katharina Blum", Wolfgang Petersens "Das Boot" (ein Film, dessen klaustrophobischer Look Vacano zu verdanken ist) und "Die unendliche Geschichte", John Frankenheimers Leonard-Verfilmung "52-Pickup" und natürlich seiner umfangreichen Zusammenarbeit mit dem "Mad Dutchman" Paul Verhoeven (der übrigens nach jahrelangen Spekulationen und zahlreichen Ankündigungen ab August dieses Jahres endlich wieder einen neuen Film in Europa drehen wird), für den er neben Jan de Bont als Haus-und-Hof-Kameramann fungierte.
Die fruchtbare Zusammenarbeit der beiden Europäer begann bereits während Verhoevens Holland-Phase, in der das Jugenddrama "Spetters" und das WWII-Epos "Soldaat van Oranje" entstanden. Später kreuzten sich in Hollywood wieder ihre Wege:
"RoboCop" wurde geboren (Vacanos und Verhoevens Beleuchtungskonzept der stählernen Menschmaschine setzte sich gegen Rob Bottins Old-School-Vorstellungen durch und trug wesentlich zum Erfolg bei), "Total Recall" zeigte Marswelten in bisher nie dagewesenem, in Rötlich getauchtem Licht, "Showgirls" kam einem durchgehenden Beautyshot gleich und bezauberte durch Steadicam-Plansequenzen erster Klasse, und das seinerzeit verkannte "Starship Troopers" (jawohl, auch die berühmte Duschszenen-Anekdote kommt zur Sprache, ebenso wie die streckenweise inhaltliche Verfälschung durch die deutsche Synchronisation) sowie "Hollow Man", der gleichzeitig Vacanos Abschied vom aktiven Filmemachen darstellt, dürfen natürlich auch nicht fehlen.
Zusätzlich zum ausführlichen Interview gibt es immer wieder Bildergalerien, die neben Behind-the-scenes-Material auch Veranschaulichungsmaterial zu spezifisch angesprochenen Szenen und deren Auflösung enthalten.
Mit "Jost Vacano. Die Kamera als Auge des Zuschauers" gelang Kregel ein hervorragendes Buch, das nicht nur einen exzellenten Einblick in Vacanos Arbeits- und Denkweise als D.P. (Abkürzung für Director of Photography, ein Berufsfeld, das mit der hierzulande gebräuchlichen Vorstellung vom "Kameramann" nur am Rande zu tun hat) gewährt, sondern auch über die Kunst und das Handwerk des Filmemachens im Allgemeinen erzählt. Die fundierte und sorgfältige Vorbereitung bezüglich Vacanos Schaffen und Kregels praktische Erfahrung innerhalb des Mediums verleihen dem Werkstattgespräch eine Substanz, die über das übliche journalistische Frage- und Antwortspiel hinausgeht und keine Sekunde in medienwissenschaftliche Elaborate ausartet, sondern stattdessen tief in die Materie und das Berufsfeld des D.P. eintaucht.
Uneingeschränkte Empfehlung.
Marko Kregel - Jost Vacano. Die Kamera als Auge des Zuschauers
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Schüren Verlag (Marburg 2005)
Photo © Markus Schulze
Weiterführendes zu Paul Verhoeven
An dieser Stelle seien allen Interessierten die Audiokommentare* Paul Verhoevens ans Herz gelegt, die an Unterhaltungswert und geballter Information kaum zu übertreffen sind. Ebenfalls empfehlenswert: Joe Eszterhas´ Autobiographie
"Hollywood Animal". Ende des Jahres wird übrigens im Taschen-Verlag Douglas Keeseys "Paul Verhoeven - The Complete Films" erscheinen; angesichts der Tatsache, daß sowohl Rob Van Scheers exzellente Biographie als auch die beiden Begleitbände zu "Starship Troopers" und "Showgirls" seit Ewigkeiten vergriffen sind, eine längst überfällige Veröffentlichung. Wir werden über die Qualität des Werks natürlich im EVOLVER berichten.
* Verhoevens holländische Filme liegen beim US-Label Anchor Bay Entertainment fast vollständig als kostengünstige "Verhoeven Collection" vor, "Spetters" sowie "Flesh & Blood" im MGM-Nice-Price-Segment. Von "Robocop" existieren ein vergriffener Criterion-Release und eine auch hierzulande erhältliche MGM-Special-Edition mit unterschiedlichen Extras und Kommentaren. Die von Kinowelt neu veröffentlichte Special Edition von "Total Recall" bietet neben den vollständigen Extras der alten US-S.E. einen exklusiven Audiokommentar Jost Vacanos, die US-Version der "Starship Troopers"-Special-Edition ist der hiesigen um einige Featurettes sowie einen Cast-Audiokommentar voraus. Von "Showgirls" empfiehlt sich der Kauf des alten US-Barebone-Release (mittlerweile im Nice-Price-Segment. Finger weg von der VIP-Edition!), bei "Hollow Man" sind die Veröffentlichungen identisch.
(Verhoevens TV-Serie aus frühen Jahren, "Floris" - mit Rutger Hauer als Ritter ohne Furcht und Tadel -, gibt es zwar billig als Holland-Import, leider verfügt die Box jedoch über keine englischen Untertitel. Im Gegensatz dazu: das auf einem Drehbuch Gerard Soetemans basierende komödiantische Remake aus 2004 unter der Regie Jean van de Veldes.)
Dialogzensur bei "Starship Troopers"
Für eine genaue Aufschlüsselung der verfälschten
"Troopers"-Synchronisierung lesen Sie bitte folgenden "Schnittbericht".
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