Marc Elsberg - ZERO. Sie wissen, was du tust
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Blanvalet (D 2014)
"Die Menschen lebten ganz gut ohne Privatsphäre, bis sie ein raffinierter Anwalt vor hundert Jahren erfand." Das behaupten die, die uns bis auf die Knochen durchleuchten. Der Wiener Bestseller-Autor Marc Elsberg hat daran so seine Zweifel. 10.07.2014
Vielleicht stand auch bei Firmen wie Facebook, Google, Apple oder Amazon am Anfang der Wunsch, etwas Gutes zu bewirken. Etwas, das uns den Alltag erleichtert. Und uns begeistert.
Doch wenn wir etwas aus der Geschichte der Menschheit gelernt haben, dann das, daß die Revolution immer ihre Kinder frißt. Am Ende bleibt der Wunsch, das große Geld zu verdienen. Das Streben nach Macht. Das Monopol. Und was das wiederum anrichtet, sobald es in die falschen Hände gerät, sollte hinreichend bekannt sein.
Die, die es nicht wissen, sollten den neuen Thriller von Marc Elsberg lesen.
"ZERO. Sie wissen was du tust" handelt von Freemee, einem neuen Social Network, dem ganz heißen Ding der Stunde. Der Erfinder verkündet: "Unser oberstes Bestreben ist es, jedem Menschen die denkbar beste Entfaltung seiner individuellen Fähigkeiten zu ermöglichen und so ein friedliches, glückliches und für alle gedeihliches Zusammenleben auf der ganzen Welt zu schaffen."
Zwar müssen die Leute die Freemee-Website mit ihren persönlichsten Daten füttern, doch im Austausch daür leisten die Freemee-Ratgeber-Apps wertvolle Hilfe, dank der sich das Leben aller zum Positiven entwickelt: mehr Freunde, mehr Erfolg, mehr Geld - was könnte schöner sein?
Das findet auch Viola, Cynthias Tochter, die sich vom Gothic-Mauerblümchen zum hübschen It-Girl wandelt, gute Schulnoten inklusive. Selbst Cynthia, anfangs skeptisch, erliegt der Versuchung, helfen ihr die Freemee-Ratschläge doch, besser bei ihrem netten Arbeitskollegen zu landen. Aber zu welchem Preis?
Als Adam, einer von Violas Freunden, tragisch ums Leben kommt - erschossen während der Verfolgungsjagd auf einen Verbrecher -, beginnt sich Cynthia Gedanken zu machen. Früher hätte sich Adam niemals auf eine derart wagemutige Aktion eingelassen. Was hat seine Veränderung bewirkt?
Wie frei macht Freemee (Nomen est omen!) die Leute wirklich? Wo bleibt der einzelne Mensch, wenn es am Ende nur darum geht, andere zu beeindrucken? Und welchen Wert hat Individualität? Falsche Fragen, wie Cynthia schon bald erkennen muß - denn, wie gesagt, am Ende geht es nicht um die Freiheit des einzelnen, sondern um die Freiheit einzelner Unternehmen, uns alle zu steuern.
"Anbieter von Ratgeberprogrammen wie Freemee haben einen direkten Einfluß auf das Verhalten der Menschen. Und die folgen den Ratschlägen freiwillig, um ihre Werte zu steigern. Das eröffnet solchen Unternehmen ungeheure Manipulationsmöglichkeiten."
An denen zeigen natürlich auch Polizei, Geheimdienste und Regierung großes Interesse, weil die Möglichkeiten schier unbegrenzt sind - und umso gefährlicher.
"Wozu noch einen Präsidenten wählen - oder irgendeinen anderen Politiker -, wenn wir in Zukunft ohnehin wissen, was die Menschen wollen? Weil ein paar wenige dieses Wollen steuern können."
Big Brother is watching you, hieß es 1948 in "1984" von George Orwell. Damals war alles nur eine düstere Vision, und natürlich ist auch in "ZERO. Sie wissen, was du tust" vieles nur Fiktion.
Natürlich? Oder hat die Realität die Fiktion längst eingeholt? War doch dieser Tage ausgerechnet jene Nachricht zu lesen:
"Die zentrale Neuigkeitenseite bei Facebook wurde für eine Studie bei Hunderttausenden Nutzern manipuliert: Sie bekamen ein verzerrtes Bild von der Stimmung ihrer Freunde vorgesetzt ... bedeutet dies, daß das Netzwerk mit seinen derzeit 1,2 Milliarden Menschen durch die Manipulation des Newsfeeds Stimmungen sehr vieler Menschen beeinflussen könnte?"
Noch Fragen?
Indem Elsberg in seine Geschichte viele reale Ereignisse (Wikileaks, Snowden) und technische Errungenschaften (Facebook, iPad) einbindet, verschwimmen die Grenzen zwischen Realität und dem, was möglich sein könnte; so wie auch in unserem Alltag längst Realität und Virtualität fließend ineinander übergehen.
Darin liegt schließlich auch die Stärke von Elsbergs Roman. Die Thriller-Handlung mag vorhersehbar sein, seine Figuren sind vielleicht zu sehr für die Geschichte konstruiert. Aber trotzdem hält er dem Leser immer wieder den beklemmenden Spiegel vor und warnt vor einem allzu arglosen Umgang mit unseren Daten in der digitalen Welt.
"Noch eine Karte, fragt sich Cynthia mit Blick in ihre Geldbörse und entschließt sich spontan dagegen. Sie zahlt bar. Von wegen gläserner Kunde!"
Marc Elsberg - ZERO. Sie wissen, was du tust
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