Harlan Coben - Keine zweite Chance
ØØØØ 1/2
(No Second Chance)
Goldmann (München 2005)
Photo © Jan Cobb
Manchmal geraten dem etablierten Spezialisten für besonders ausgefuchste Geschichten seine Bücher zu konstruiert, manchmal, wie hier, trifft er voll ins Schwarze. 23.05.2005
Der Schönheitschirurg Marc Seidman lebt ein wenig aufregendes Mittelklasseleben in einem Vorort von New Jersey. Die hübsche und aus gutem Hause stammende Monica hat er eher aus Pflichtgefühl - sie war von ihm schwanger - denn aus Liebe geheiratet und der Gedanke an Scheidung drängt sich häufig in sein Bewußtsein, da er immer noch seiner Jugendliebe Rachel nachtrauert. Einzig seine sechs Monate alte Tochter Tara hält die Familie zusammen.
Während Marc die meiste Zeit in diversen Kliniken rund um die Welt verbringt, wo er mißgebildete Kinder operiert, fragt er sich, ob und wie er diesem unbefriedigenden Leben entkommen kann. Das Leben, grausam und hellhörig, wie es nun mal ist, nimmt ihm diese Entscheidung beinahe ab. Eines Tages tauchen unbekannte Eindringlinge in seinem Haus auf, erschießen seine Frau, entführen seine Tochter und lassen Marc, scheinbar tot, liegen. Nach zwölf Tagen erwacht er aus seiner Bewußtlosigkeit und sieht sich (wie das eben so läuft bei Angehörigen der Opfer von Gewaltverbrechen) sogleich mit Verdächtigungen der Polizei konfrontiert, die Marc, wenn schon nicht für den Täter selbst, so zumindest für den Auftraggeber halten. Viel Zeit hat er nicht, die Beschuldigungen der Polizei zu entkräften, trifft doch bei seinem Schwiegervater eine Lösegeldforderung ein. Die Anweisungen sind unmißverständlich: keine Polizei, oder Marc sieht seine Tochter nie wieder. Es gibt keine zweite Chance.
Wider besseres Wissen schaltet Marc die Beamten dennoch ein, und es kommt, wie es kommen muß: das Geld wird abgeholt, und Tara bleibt verschwunden. Eineinhalb Jahre später, Marc hat sich mehr oder weniger mit seinem Verlust abgefunden, taucht erneut eine Lösegeldforderung auf. Tara sei noch am Leben, heißt es, und diesmal beschließt Marc, die Sache richtig anzupacken. Mit Hilfe seiner Jugendliebe Rachel, einer ehemaligen FBI-Agentin mit geheimnisvoller Vergangenheit, macht er sich auf die Suche nach den Kidnappern und begegnet alsbald einem ziemlich ungewöhnlichen Killerpärchen.
"Keine zweite Chance" ist sicherlich der beste Roman, den Harlan Coben bisher geschrieben hat. Im wahrsten Sinne des Wortes von der ersten Zeile an gelingt es dem Amerikaner, Tempo, Dichte und Dramatik zu erzeugen. Mit seinem schlanken Stil und seiner glasklaren Sprache treibt er die Handlung gnadenlos voran und allein der Inhalt der ersten achtzig Seiten würde anderen Autoren als Material für ein ganzes Buch dienen. Der Roman strotzt nur so vor Überraschungen, sowohl was die Geschichte anbelangt als auch in Bezug auf die knapp, aber präzise gezeichneten Figuren, von denen praktisch keine so ist, wie sie auf den ersten Blick erscheint. Abgerundet wird das Ganze noch von einer Schlußpointe, die mehr oder weniger alles Vorangegangene auf den Kopf stellt und trotzdem plausibel ist. Fazit: Viel besser kann Spannungsliteratur nicht werden.
Harlan Coben - Keine zweite Chance
ØØØØ 1/2
(No Second Chance)
Goldmann (München 2005)
Photo © Jan Cobb
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