Erich Hackl - So weit uns Spaniens Hoffnung trug
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Erzählungen und Berichte aus dem Spanischen Bürgerkrieg
Rotpunktverlag (CH 2016)
Vor rund 80 Jahren, im Juli 1936, putschten in Spanien rechte Militärs gegen ein zuvor bei demokratischen Wahlen gewähltes, linkes "Volksfront"-Bündnis. Daraus entwickelte sich ein bis 1939 dauernder Bürgerkrieg. Erich Hackls Anthologie widmet sich dem Jubiläum. 07.09.2016
Auf Seiten der Spanischen Republik kämpften Anarchisten, Trotzkisten, Marxisten, Kommunisten, Sozialisten und bürgerliche Demokraten, hauptsächlich unterstützt von antifaschistischen Freiwilligen aller Länder und Waffenlieferungen der Sowjetunion. Bei den Putschisten sammelten sich Faschisten, Großgrundbesitzer, Monarchisten, die Kirche und Katholiken, hauptsächlich unterstützt mit Waffen und regulären Truppen aus Deutschland und Italien.
Der spanische Bürgerkrieg kennt eigentlich nur Verlierer: Die Rechte hat zwar den Krieg militärisch gewonnen, aufgrund des Putsches gegen eine zuvor demokratisch gewählte Regierung und durch enorme Repressionen gegen Republikaner (während und nach dem Krieg) mit enormen Opferzahlen allerdings heute wie früher keinerlei Anspruch auf irgendeine Form der Gutheißung. Viele der europaweit später in die Hände der Nationalsozialisten geratenen Unterstützerinnen und Unterstützer der Spanischen Republik überlebten das KZ nicht.
Der moralische "Sieg" liegt daher eindeutig auf Seiten der Republik, der Demokratie und der gesellschaftlichen Experimente diverser linker Gruppierungen, des sozialen Fortschritts, der Beendigung von Ungleichheiten und des Kampfes gegen den Faschismus. Sieht man genauer hin, ist die Linke leider keineswegs makellos: Der "Krieg im Krieg" der Kommunisten gegen Anarchisten und Trotzkisten, die zunehmende Unterdrückung der parallel zum Bürgerkrieg stattfindenden sozialen Revolution, die Rücknahme revolutionärer Errungenschaften, die internen, politisch motivierten tödlichen Säuberungswellen und der nicht gerade zimperliche Umgang mit wirklichen und vermeintlichen Feinden und dem Klassenfeind machen ungetrübtes Sympathisieren mit der Linken schwierig.
Über all dies ist viel wissenschaftliche Fachliteratur, sind populäre Sachbücher, Romane, Augenzeugenberichte etc. publiziert worden. Ein paar Tips: Eine grundlegende, ausführliche und spannend zu lesende Darstellung inklusive Vor- und Nachgeschichte des Konflikts mit Schwerpunkt auf militärische Geschehnisse bietet Antony Beevors Werk "Der spanische Bürgerkrieg". George Orwell berichtet in seinem Augenzeugenbericht "Mein Katalonien" eindrücklich über das von einer Welle revolutionärer Ideale getragene Barcelona, seine unzulängliche Grundausbildung als Freiwilliger in einer antifaschistischen Miliz, den Mangel an Waffen, Brennholz, Schuhwerk, Munition und Soldaten an der Front und seine Flucht nach Frankreich, nachdem er nach dem "Krieg im Krieg" von den vermeintlichen Genossen als vermeintlicher Faschist gebrandmarkt worden ist. Ernest Hemingway schreibt in seinem auch verfilmten Roman "Wem die Stunde schlägt" über einen Einsatz von Partisanen hinter der Front. Großartig sind seine vier im Band "Der Abend vor der Schlacht” versammelten Kurzgeschichten, die die Sinnlosigkeit des Krieges, die sinnlosen militärischen Angriffe der (meistens unterlegenen) Republikaner oder die nervöse Atmosphäre in belagerten Städten widerspiegeln.
Und dann sind da noch die Bücher von Erich Hackl, der sein publizistisches Schaffen fast ausschließlich antifaschistischen, widerständig handelnden Personen mit realem Backgrund widmet. Hackls Geschichten sind ausnahmslos alle lesenswert, unglaublich packend und zum Weinen traurig. Bezug zum Spanischen Bürgerkrieg bieten "Die Hochzeit von Auschwitz" und "Entwurf einer Liebe auf den ersten Blick", in denen die männlichen Hauptpersonen nach ihrer Teilnahme am Spanischen Bürgerkrieg in nationalsozialistischen Konzentrationslagern interniert werden.
Anlässlich des 80. Jahrestages des Ausbruchs des Bürgerkrieges 1936 brachte Erich Hackl die Anthologie "So weit uns Spaniens Hoffnung trug" heraus. Die Sammlung umfasst 46, zeitlich dem Kriegsverlauf folgende zeitgenössische Erzählungen, (Augenzeugen-)Berichte, Romanauszüge, Tagebucheintragungen und Reportagen hauptsächlich deutschsprachiger, antifaschistischer, kommunistischer oder anarchistischer Protagonistinnen und Protagonisten, von denen die allermeisten in diesem Krieg in irgendeiner Form die Spanische Republik unterstützt haben.
Breiter bekannt sind Egon Erwin Kisch, Arthur Koestler, Joseph Roth, Anna Seghers oder Erika Mann. Neben diesen und weiteren, heute weniger bekannten bis unbekannten Journalisten und Schriftstellern, berichten Soldaten der Internationalen Brigaden und der zahlreichen Milizen, Politkommissare, Gewerkschaftsfunktionäre, Ärzte oder Krankenpflegerinnen über ihre Eindrücke und Erlebnisse in diesem Krieg.
Sie erzählen vom Beginn des rechten Putsches, der linken Revolution und von der Sehnsucht, dort auf der richtigen Seite mitzukämpfen. Sie schreiben über ihren und den allgemeinen Idealismus, die politische Begeisterung, Emanzipation, "Empowerment" und Alphabetisierungsmaßnahmen, Straßen voller Abzeichen und Uniformen, das Singen vielsprachiger Revolutionslieder, das Fehlen bürgerlich aussehender Menschen in den Straßen - und die Inaktivität der republikanischen Regierung, den Putschisten entschlossen entgegenzutreten.
Sie berichten über die Unterstützung der Putschisten durch die bereits faschistischen Länder Deutschland und Italien und faschistische Greueltaten. Sie berichten aber auch über die Uneinigkeit im linken Lager und den späteren "Bruderkrieg" innerhalb der Linken, über Enteignungen, ermordete Fabrikbesitzer, ausgebrannte Kirchen und Plünderungen (und die Bestrebungen, diese zu unterbinden).
Sie beklagen das In-den-Hintergrund-Treten revolutionärer Ziele, den permanenten Mangel an Waffen und die militärische Überlegenheit des Gegners, das viele Blut, die vielen Toten. Sie schildern ihre Kampfeinsätze, ihre Ängste, den Hunger - und schließlich die Niederlage und die Flucht.
Im Anhang runden Kurzbiographien das Bild über die Erzähler ab und machen bibliographische Hinweise Lust auf Weiterlesen. So bunt die Schar der Autorinnen und Autoren, so bunt die Qualität und Intensität der Texte: manche sind spannend, berührend, traurig, poetisch oder sarkastisch, manche gelegentlich auch altvaterisch oder plump. Wer sich noch nie mit dem Spanischen Bürgerkrieg beschäftigt hat, mag Probleme haben zu verstehen, worum es im Detail geht. Nicht nur, daß Jahreszahlen, Schlachten oder die Namen umkämpfter Gebiete (mit Ausnahme der Bombardierung der Stadt Guernica, die Picasso zum gleichnamigen Bild inspirierte) nicht so präsent sind wie Schauplätze anderer Kriege des 20. Jahrhunderts (siehe Verdun oder Stalingrad). Es ist auch kompliziert, die vielen linken Gruppierungen (P.O.U.M., P.S.U.C., F.A.I., C.N.T., U.G.T. ...) und deren Ideologien auseinanderzuhalten.
Wem das egal ist, wer vielleicht gerne weitere Literatur ergänzend querliest und im Internet Sachverhalte rasch nachgooglet, wer über ein gewisses Vorwissen verfügt - der hat hier ein Lesebuch an der Hand, das Einblick gibt in einen antifaschistischen Kampf und den gleichzeitigen Versuch, politische Utopien wahr werden zu lassen.
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