Musik_Puccini-Fest an der Wien
Drei Einakter machen Furore
Endlich schaffte es ein Wiener Opernhaus, das gesamte "Il Trittico" von Giacomo Puccini auf die Bühne zu bringen. Mit einem nicht unumstrittenen Regisseur und einem Einspringer als Dirigent wurde daraus überraschenderweise eine Sternstunde. Darüber hinaus wurde der EVOLVER-Klassikexperte ein paar Tage später mit der phänomenalen konzertanten Aufführung einer Vivaldi-Oper überrascht.
31.10.2012
Puccinis Operntrilogie "Il Trittico" ist in ihrer Gesamtheit eines der reifsten Werke des italienischen Komponisten. 1918 uraufgeführt, war sie die vorletzte Komposition vor der unvollendeten Oper "Turandot". Die drei Einakter sind jeder für sich ein eigener Mikrokosmos.
"Il Tabarro" ("Der Mantel") spielt in einer verruchten Hafengegend an der Seine, wo der alternde Schiffer Michele in rasender Eifersucht Luigi, den Liebhaber seiner jungen Frau Giorgetta, ermordet. In "Suor Angelica" leidet man mit Schwester Angelica mit, die wegen ihres unehelichen Kindes in ein "strenges Kloster" eingesperrt wurde. Humorvolle Erlösung bietet dann die Humoreske um "Gianni Schicchi" (nach einer Episode aus Dantes "Göttlicher Komödie"), wo der mit allen Wassern gewaschene Gianni von der Familie des verstorbenen Buoso eingespannt wird, um dessen Testament, in dem er all sein Vermögen einem Kloster vermacht hat, zu umgehen. Lauretta, die Tochter Giannis, ist mit Rinuccio, einem Verwandten Buosos, verlobt und stellt deswegen die Verbindung zwischen seiner Familie und Schicchi her. Doch Schicchi läßt sich nur scheinbar auf diese Erbschleicherei ein, vermacht der
gierigen Mischpoche ein paar Latifundien und sich selbst nicht zuletzt das meiste. Es ist ein Riesenspaß, wie er am Schluß die "trauernden" Verwandten Buosos aus ihrem ursprünglichen Haus verjagt.
Der italienische Regisseur Damiano Michieletto, der im Sommer 2012 mit der "La Bohème" bei den Salzburger Festspielen für größtenteils negatives Aufsehen sorgte, überzeugte und begeisterte bei den Einaktern mit seiner Regiearbeit. Er stellte sonst wenig beachtete Details als Zusammenhänge dar. So ging der "Mantel" nahtlos in "Schwester Angelica" über; Giorgetta schlüpfte sofort in die Rolle der Nonne. Bedenkt man, daß Giorgettas Kind gestorben ist und "Angelica" wegen des Kindes ins Kloster mußte, wird der Kontext bestürzend plausibel. Die Humoreske um "Gianni" war unabhängig davon; im Finale verwandelte sich ein Teil des Hauses plötzlich wieder in einen Hafencontainer, und Gianni schlüpfte in den berühmten Mantel. Damit schloß sich der Kreis.
Schade, daß Michieletto beim "Mantel" und der "Angelica" alles in ein betont schäbiges Ambiente tauchte. Warum die Handlung letzterer Oper statt in einem Nonnenkloster in einem Frauenstraflager spielen mußte, ist nicht ganz plausibel. Und warum die Oberin und eine Schwester wie zwei Kampflesben brutale Aufseherinnen markieren mußten, ebensowenig.
Musikalisch war das Ergebnis der Produktion so hervorragend wie die Regie. Angefangen vom souveränen ORF-Orchester unter dem Dirigenten Rani Calderon über die grandiose Patricia Racette als Giorgetta/Schwester Angelica und Roberto Frontali als Michele/Gianni Schicchi bis zum Tenor Maxim Aksenov als Luigi, der mit einer gewaltigen und schönen Stimme mitriß. Paolo Fanale als Rinuccio verfügt auch über ein schönes Tenormaterial, nur blieb im "Gianni Schicchi" seine Stimme gegenüber der von Aksenov leider weit zurück.
Ein paar Tage später wurden alle Vorurteile des EVOLVER-Klassikexperten gegen Antonio Vivaldi als Opernschöpfer vehement widerlegt. Nicht alle Bühnenwerke des italienischen Komponisten sind überzeugend, doch "Tito Manlio" gehört tatsächlich zu den besten Werken des Meisters.
Gedacht als Hochzeitsoper für Prinz Philipp von Hessen-Darmstadt, den kaiserlichen Statthalter in Mantua, sollte die Oper dessen Hochzeitsfeierlichkeiten krönen, zu denen es aber nie kam. Trotzdem wurde das Werk 1719 uraufgeführt. Vivaldi überrascht hier mit ganz neuen Tönen - seien es zwei Arien mit Horngeschmetter oder ein langsamer Marsch mit Pauken, Trompeten und gedämpften Streichern. Der Komponist war eigenbrötlerisch genug, nie nach den dramaturgischen Anforderungen der Handlung zu komponieren; die Musik hatte für ihn immer Selbstzweck. Die meisten Arien klingen eigentlich wie kleine Solistenkonzerte mit obligater Stimmbegleitung.
Man konnte sich für diese Oper keine besseren Interpreten als die Academia Bizzantina unter Ottavio Dantone wünschen. In dem Ensemble aus Ravenna brillierten vor allem die Barockoboe der Österreicherin Elisabeth Baumer und die Solovioline von Alessandro Tampieri. Dirigent, Orchester und Solisten zelebrierten im Opernhaus ein denkwürdiges Konzert.
Herbert Hiess
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