Musik_Il Giardino Armonico & Tonkünstler in Grafenegg
Disharmonischer Garten
Die zwei Sommerkonzerte, die der EVOLVER-Klassikexperte 2014 besuchte, hätten nicht unterschiedlicher sein können: Beim ersten brillierten die niederösterreichischen Tonkünstler trotz eines eher nichtssagenden Dirigenten, beim zweiten spielten nicht gerade hochwertige Bläser ein weltberühmtes Kammerensemble fast in den (musikalischen) Abgrund.
07.08.2014
Die Grafenegger Musikveranstaltungen, die auf die "Sommerkonzerte" und auf das "Grafenegg Festival" aufgeteilt sind, befinden sich mittlerweile im siebten Jahr ihres Bestehens. Mit der immer wieder begeisternden Open-Air-Bühne "Wolkenturm" und dem Konzertsaal "Auditorium" ist das Schloßgelände am Wagram eine nicht mehr wegzudenkende Institution auf dem Klassik-Sektor.
Intendant Rudolf Buchbinder, ein phantastischer Pianist und ebensolcher "Networker", schafft es immer wieder, die besten Künstler und Ensembles an den idyllischen Ort zu holen. Dort werden dann Konzerte auf höchstem Niveau gegeben; in diesem Bereich sind die Grafenegger Veranstaltungen den Salzburger Festspielen zumindest ebenbürtig.
Zu Beginn der Saison stehen die Sommerkonzerte auf dem Programm, die nicht so hochrangig besetzt sind wie das spätere Festival. Die zwei heuer besuchten Veranstaltungen dieses Teils waren das Konzert der Tonkünstler mit dem Titel "Pini di Roma", gefolgt von "Mozart & More" mit dem weltberühmten Orchester Il Giardino Armonico.
Das 1985 gegründete italienische Originalklang-Ensemble gilt unter Barockspezialisten als eines der besten seiner Art. Unter dem musikalischen Leiter Giovanni Antonini war es bereits 2011 zu Gast in Grafenegg - damals noch als reine Streicherformation mit Antonini als Dirigent und formidablen Blockflötensolisten. Diesmal trat es als Orchester mit Bläsern und Antonini bloß als Dirigent in Erscheinung; dazwischen lagen nicht nur drei Jahre, sondern ganze Welten.
Die Bläser waren nämlich offenbar nicht wirklich gut vorbereitet und absolut nicht auf dem Niveau ihrer Streicherkollegen. Ob Oboen oder Hörner - sie spielten stimmungsmäßig (also in der Tonhöhe) und rhythmisch unsauber bis schlichtweg falsch und unmusikalisch. Die großartige Geigerin Isabelle Faust hatte offensichtlich Mühe, die beiden Mozart-Violinkonzerte ordentlich "durchzubringen". Erst bei der Zugabe (Bach) konnte man ihren unvergleichlichen Ton und ihre grandiose Musikalität genießen.
Über die "kleine g-moll Symphonie" (Nr 25 KV 183) sollte man besser den Mantel des Schweigens hüllen. Die Bläser spielten das Trio des Menuetts in Grund und Boden; ein Schulorchester hätte es nicht schlechter gemacht. Auch Maestro Antonini war dieses Mal offenbar nicht so wirklich in Form. Schade ... von diesem Weltklasse-Ensemble hätte man sich schon mehr erwartet.
In altbekannter Qualität überzeugten jedoch die niederösterreichischen Tonkünstler als Hausorchester der Grafenegger. Ursprünglich war ja Chefdirigent Orozco-Estrada geplant, er wurde jedoch kurzfristig durch den gebürtigen Mallorquiner Antonio Méndez ersetzt. Den 30jährigen Dirigenten kann man ruhig als hochbegabt bezeichnen - in gewissen Punkten fehlt ihm allerdings noch der Feinschliff, den er sich sicher im Laufe der Jahre aneignen wird.
Das war deutlich bei Richard Strauss´ "Till Eulenspielgels lustige Streiche" zu hören, das sehr ordentlich musiziert wurde. Was leider fehlte, waren die burlesken und zynischen Einwürfe, die Mendez mit den Musikern vielleicht besser herausarbeiten hätte sollen.
Großartig klangen auch die Oboenkonzerte von Pasculli und Richard Strauss mit dem hervorragenden französischen Oboisten François Leleux. Der exzellente Solist brillierte sowohl bei den Donizetti-Opernthemen als auch bei Strauss´ Alterswerk. Das Oboenkonzert, das der Komponist nur vier Jahre vor seinem Tod schrieb, ist ein Kompendium von Altersweisheit und Genialität. Da merkte man Leleux´ großartiges Können und Musikalität.
Am Schluß des Konzerts konnte das Orchester mit Respighis "Pini di Roma" brillieren. Die Tondichtung, die vier willkürliche Szenen vertont, ist ein berauschend effektvolles Stück, mit dem ein Erfolg für Orchester und Dirigent fast garantiert ist. Die Musiker spielten das Werk auch hervorragend, wobei es etwas schade war, daß gerade die Möglichkeiten des vierten Teiles "verschenkt" wurden. In den "Pini della Via Appia" hätte Mendez das Orchester ruhig mehr auftrumpfen lassen können - das Stampfen der Pferde und Elefanten hätte man in Grafenegg gern so richtig gehört!
Herbert Hiess
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